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FPÖ verweist auf rechtmäßige Verfahren

Am Dienstag sind 31 russische Staatsangehörige nach Moskau abgeschoben worden. Darunter befand sich ein gut integrierter 25-Jähriger aus Salzburg, der mehrfach Taekwondo-Staatsmeister wurde. Auch die sechsköpfge Familie T. aus Tschetschenien, die seit Anfang Jänner in einem Containerdorf nahe dem Flughafen Wien-Schwechat untergebracht war, wurde trotz Protesten außer Landes gebracht. Der Fall hatte in den vergangenen Tagen für viel öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt.

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Die T.s waren am Samstag festgenommen und laut Informationen der „Wiener Zeitung“ in den Sicherheitsbereich des Flughafens gebracht worden, wo sie auf die Abschiebung warteten. Zuvor lebten sie wochenlang im Containerdorf im Bezirk Bruck an der Leitha. Dort bringt das Innenministerium Ausreisepflichtige unter, die vor der Abschiebung stehen.

Seit sechs Jahren in Österreich

Die Familie befand sich seit 2011 in Österreich. Die vier Kinder im Alter zwischen elf und 16 Jahren sprechen gut Deutsch und galten als bestens integriert, seit Jahren gingen sie in österreichische Schulen und planten Ausbildungen. Aus Tschetschenien geflohen war die Familie laut eigenen Angaben, weil ein Verwandter den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow öffentlich kritisiert hatte.

„Es ist das Lehrbuchbeispiel einer voll integrierten Familie, ganz so wie es die aktuelle Bundesregierung immer fordert“, sagte Daniel Landau, der sich für die T.s eingesetzt hatte, gegenüber ORF.at. Landau wurde von der zuständigen Sozialarbeiterin hinzugezogen, um der Familie zu helfen. Am Dienstag stand der Termin für die Abschiebung an, laut dem Anwalt der Familie wurden die T.s offenbar zu Mittag ausgeflogen.

Anträge abgelehnt

Die Anträge der T.s auf Asyl waren zunächst nach zehn Monaten vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückgewiesen, später auch vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Ein weiterer, 2016 eingebrachter Antrag auf Bleiberecht war noch in Bearbeitung, als die Familie wegen einer Wohnsitzauflage ins Containerdorf ziehen musste. Dieser Antrag sollte laut Landau diese Woche noch verhandelt werden. Laut dem Diplompädagogen hätte es juridisch auch anders für die T.s ausgehen können.

Der Fall hatte in den vergangenen Wochen öffentliche Aufmerksamkeit erregt, nachdem sich NGOs und Initiativen für einen Abschiebestopp für die Familie eingesetzt hatten. Der Tenor der Kritik: die Asylverfahren dauerten in Österreich zu lange, so lange, bis sich Asylwerber längst integriert hätten.

FPÖ: „Geltende Asylgesetze“

Eine Onlinepetition sammelte mehr als 3.300 Unterschriften. Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) setzte sich für die T.s ein, sie kündigte im „Standard“ rechtliche Schritte an. Sie wollte bei der Kinder- und Jugendhilfe eine Gefährdungsmeldung wegen Verletzung des Kindeswohls einbringen, so Vassilakou. Die Liste Pilz (LP) verwies in einer Aussendung auf die Kinderrechtskonvention. „Es ist für mich absolut unverständlich, wieso jetzt plötzlich eine Familie mit vier Kindern unter Hochdruck abgeschoben werden muss – obwohl die Frage des humanitären Bleiberechts ungeklärt bleibt“, so Alma Zadic von der LP.

Die FPÖ hingegen verwies darauf, dass von den Behörden geltende Asylgesetze auszuführen seien. „Wir haben in Österreich geltende Asylgesetze, und wer keinen Asylgrund hat, muss das Land auch wieder verlassen und in seine Heimat zurückkehren“, so der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus per Aussendung.

Weiterer Fall in Salzburg

Ebenfalls von der Abschiebung betroffen war der 25-jährige Tschetschene Junadi Sugaipov. Er war im Salzburger Pongau untergebracht, wo er unter anderem 2012 den Meistertitel
im Taekwondo gewann. Zudem arbeitete Sugaipov laut Ö1-Mittagsjournal im Deradikalisierungsprojekt des Politologen Thomas Schmidinger mit. Sugaipov solle „nach Russland abgeschoben werden, obwohl für Donnerstag eine Verhandlung beim BVwG in seiner Bleiberechtssache anberaumt ist“, so Schmidinger auf Facebook. Dieses hat jedoch, genau wie bei Familie T., keine aufschiebende Wirkung.

Sugaipov sei bestens integriert und spreche nahezu perfekt Deutsch. Auch Dorfbewohner und Kollegen setzten sich für sein Bleiberecht ein - mehr dazu in salzburg.ORF.at. Von der Diakonie gab es auch Kritik daran, dass die Abschiebung zwei Tage vor der Entscheidung über den Bleiberechtsantrag stattfand, so der Integrationsexperte Christoph Riedl. Das sei eine „nie da gewesene Verachtung der Menschenrechte“, so Riedl.

Kritik an Abschiebung von Lehrlingen

Ein ähnliches Problem wird derzeit auch in Zusammenhang mit Mangelberufen diskutiert. Viele ausländische Lehrlinge arbeiten in Berufen, für die sich nur wenige Österreicher interessieren. Für sie setzt sich eine Initiative aus Politik und Gewerbetreibenden ein, mitbegründet unter anderen vom oberösterreichischen Integrationslandesrat Rudolf Anschober (Grüne). Gefordert wird, Flüchtlingen den Abschluss einer Lehre in diesen Branchen zu ermöglichen und danach auch zumindest zwei Jahre eine Arbeitsmöglichkeit zu schaffen. Derzeit wird die entsprechende Ausbildung oftmals durch drohende Abschiebung unterbrochen - „verrückt“, wie Anschober vergangene Woche bei einer Pressekonferenz sagte.

Deutsches Modell vorgeschlagen

Seit 2015 ist der Lehrstellenmarkt für Asylwerber bei Mangelberufen geöffnet. Das Hindernis ist, dass bei negativen Bescheiden trotzdem eine Abschiebung erfolgt, der Flüchtling die Lehre also nicht abschließen kann. Anschober plädierte nun dafür, das deutsche System zu übernehmen. Dort könnten Flüchtlinge drei Jahre in eine Lehre gehen und dann noch zwei Jahre auf dem Arbeitsmarkt tätig werden, ohne von Abschiebung bedroht zu sein. Auch hier wird mit einer Onlinepetition um Unterstützung geworben, am Dienstag gab es mehr als 28.000 Unterschriften.

Gegen die Abschiebungen von Lehrlingen gab es dazu auch Kritik aus dem Kreis der ÖVP. Fritz Enzenhofer, der ÖVP zuzurechnender amtsführender Landesschulratspräsident in Oberösterreich, sagte in einer Presseaussendung, die Betroffenen sollten ihre Lehre beenden dürfen. „Wenn es von den Betrieben beziehungsweise von den Schulen ein OK gibt, dass der Wille zur Integration und zur entsprechenden Leistung da ist, warum gibt man diesen jungen Menschen keine Chance?“ Ein negativer Bescheid sei für alle Beteiligten - Betroffene, Betriebe, aber auch Lehrer - unverständlich.

Kneissl weist Kritik zurück

FPÖ-Integrationsministerin Karin Kneissl wies die Kritik am Vorgehen zurück: „Der Ausgang eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist zu akzeptieren“, so Kneissl per Aussendung. Ein Ausbildungsverhältnis könne nicht einfach eine rechtsstaatliche Entscheidung aushebeln. Aber auch sie verwies auf die Notwendigkeit, Asylverfahren schneller durchzuführen. Jugendlichen Asylwerbern müsse man klarmachen, dass ihnen trotz Lehre die Abschiebung drohen könne und das Ausbildungsverhältnis sie davor nicht schütze. Man solle Integrationsbemühungen auf Jugendliche fokussieren, deren Asylverfahren bereits abgeschlossen sind und die somit langfristig in Österreich bleiben können, so Kneissl.

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