Gefahr für Friedensgespräche
Die Türkei hat ungeachtet internationaler Besorgnis eine großangelegte Offensive gegen kurdische Truppen im Nordwesten Syriens begonnen. Die vom Generalstab am Samstag verkündete „Operation Olivenzweig“ zielt auf die mit den USA verbündeten kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in der Enklave Afrin. Berlin und Moskau äußerten sich besorgt.
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Nach türkischen Militärangaben wurde unter anderem der von der YPG kontrollierte Militärflughafen Minnigh nördlich von Aleppo bombardiert. Insgesamt seien 108 Ziele angegriffen worden. 72 Flugzeuge seien beteiligt gewesen und sicher zu ihren Stützpunkten zurückgekehrt. Auch IS-Ziele seien zerstört worden. Der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge drangen protürkische Rebellen auf kurdisches Gebiet vor. Dafür gab es zunächst aber keine Bestätigung.
Ankara fürchtet starke kurdische Präsenz
Die YPG, die das Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) anführen, sind der syrische Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei. Die PKK ist in der Türkei, der EU und in den USA als Terrororganisation eingestuft. Ankara fühlt sich von einer starken kurdischen Präsenz an seiner Grenze bedroht.
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Offensive gegen Kurden in Nordsyrien
Kampfflugzeuge bombardierten übereinstimmenden Berichten zufolge Stellungen der YPG in Nordsyrien.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan sprach am Samstag vom "faktischen" Beginn der Militäroperation. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die „heldenhaften Streitkräfte“ hätten mit der Luftoffensive begonnen. Erdogan zufolge soll nach der Afrin-Offensive ein Angriff auf die Region um die Stadt Manbidsch folgen. Diese wird ebenfalls von einem Bündnis unter Führung der kurdischen Volksschutzeinheiten kontrolliert.
Die SDF monierten die „unrechtmäßigen Drohungen“ von türkischer Seite. Wenn man angegriffen würde, habe man keine andere Möglichkeit, als sich selbst zu verteidigen. Das könnte nach kurdischer Darstellung negative Auswirkungen auf den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben.
Miliz: Zehn Tote, darunter ein Kind
Nach Angaben der YPG wurden bei den Angriffen mindestens zehn Menschen getötet. Unter den Toten seien sieben Zivilisten, darunter ein Kind, sagte YPG-Sprecher Birusk Hasakeh. Außerdem seien zwei weibliche und ein männlicher Kämpfer getötet worden.

APA/AFP/Turkish Presidental Press Service/Kayhan Ozer
Erdogan sprach am Samstag vom „faktischen“ Beginn der Militäroperation
Am Sonntag verkündete Yildirim laut der Nachrichtenagentur Dogan, dass im Zuge der Offensive auch erste türkische Bodentruppen einmarschiert seien. Das könnte zu einer direkten Konfrontation mit russischen Truppen führen, die im Norden Syriens stationiert sind. Die Kurden kooperierten in der Vergangenheit auch mit Moskau.
Russland zieht Soldaten zurück
Russland zog seine Truppen aus der Region um die Stadt Afrin ab. Man habe sich zu dem Schritt entschlossen, um die Sicherheit der russischen Soldaten zu gewährleisten, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur TASS zufolge mit. „Wir beobachten die Entwicklung dieser Situation sehr genau“, teilte das russische Außenministerium mit. Man fordere alle Seiten zur Zurückhaltung auf.
Die Türkei greift Kurden in Syrien an
Türkische Kampfflugzeuge haben am Samstag kurdische Stellungen in Nordsyrien angegriffen, wie der Regierungschef Binali Yildirim in einer im Fernsehen übertragenen Rede mitteilte.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu und US-Außenminister Rex Tillerson telefonierten am Samstag, wie die private Nachrichtenagentur Dogan berichtete. Der Inhalt des Gesprächs wurde nicht bekannt. Schon am Donnerstag soll es Gespräche zwischen türkischen und russischen Vertretern gegeben haben, um eine mögliche Offensive zu „koordinieren“.
Tillerson und Lawrow erörterten Lage
Tillerson telefonierte später auch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Wie das russische Außenministerium am Samstag auf seiner Facebook-Seite mitteilte, erörterten die beiden Chefdiplomaten die Lage in Syrien. Dabei seien auch „Maßnahmen zur Wahrung der Stabilität im Norden des Landes“ diskutiert worden.
Zudem hätten Lawrow und Tillerson über den Friedensprozess unter der Vermittlung der UNO gesprochen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kongress des syrischen nationalen Dialogs, der Ende Jänner im russischen Sotschi stattfindet. Das Telefonat sei auf Initiative der USA erfolgt.
USA warnten Türkei
Die Vereinigten Staaten hatten vor einer türkischen Militäroffensive in Afrin gewarnt und die Türkei aufgerufen, "keinerlei Maßnahmen dieser Art zu ergreifen". Dennoch hielt Erdogan an den Plänen einer Bodenoffensive fest. Seit acht Tagen beschießen die türkischen Streitkräfte die Kurdenenklave mit Artilleriefeuer. Die USA haben die YPG im Kampf gegen die Terrormiliz IS mit Waffen ausgerüstet, was Ankara empört.
Die Eskalation könnte auch die Stimmung für die anstehenden syrischen Friedensgespräche in Sotschi trüben. Dort sind auch die Türkei und Russland als Schutzmächte der Rebellen auf der einen und der Regierung auf der anderen Seite vertreten.
Bereits 2016 marschierte die Türkei an der Seite von protürkischen Rebellen in den Norden Syriens ein. Damals war das offizielle Ziel die Vertreibung von Dschihadisten der Terrormiliz Islamischer Staat von der eigenen Grenze. Die Aktion traf jedoch auch kurdische Einheiten.
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