Vorhaben mit vielen offenen Fragen
Das krisengeschüttelte Venezuela will als erster Staat der Welt eine eigene Kryptowährung auflegen. Der „Petro“ („Erdöl“) soll in den nächsten Tagen ausgegeben werden, teilte der linke Präsident Nicolas Maduro am Freitag mit.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Dabei gehe es um 100 Millionen „Petro“ und damit ein Volumen von rund 5,9 Milliarden Dollar. Das neue Zahlungsmittel soll an den Preis für ein Barrel Öl des südamerikanischen Mitgliedsstaates der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) gekoppelt werden, der zuletzt bei rund 59 Dollar lag. Auch andere Rohstoffe wie Gold, Diamanten und Gas sollen als Sicherheit dienen.
Soll US-Sanktionen umgehen
Das Land wolle laut Maduro mit dem „Petro“ versuchen, US-Sanktionen zu umgehen, die das Land größtenteils vom internationalen Finanzmarkt abschneiden und Vermögen von Funktionären einfrieren. Zugleich will die Regierung wohl vom Boom von Kryptowährungen wie dem Bitcoin, Ethereum und Ripple profitieren. Die Idee für den „Petro“ dürfte wohl auch angesichts des durch Spekulationen explodierenden Bitcoin-Kurses entstanden sein.
Die virtuelle Währung werde Venezuela modernisieren und einen besseren Zugang zu realem Geld verschaffen, so Maduro. Denn das Land leidet unter galoppierender Inflation, der Bolivar ist so gut wie wertlos. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für 2018 eine Inflationsrate von 2.350 Prozent. Mehrere Ratingagenturen sehen bereits eine Teilpleite in Venezuela.
Erste durch Rohstoffe gedeckte Währung
Bei dem „Petro“ würde es sich sowohl um die erste staatlich aufgelegte als auch die erste durch Rohstoffe gesicherte Kryptowährung handeln. Allerdings sind die Modalitäten von „Petro“ noch vollkommen unklar.
Offen ist beispielsweise, ob Venezuela überhaupt die für eine Kryptowährung notwendige Technik- und Nutzerinfrastruktur aufweisen kann, so Manav Prakash, Gründer und CEO der Blockchain Investment Platform gegenüber dem Nachrichtenportal Peru Reports. Laut dem Bericht sollen sich Maduro zufolge 860.000 Menschen gefunden haben, die „Petro“ „schürfen“, also quasi mit ihren Geräten berechnen.
Denn auf der Blockchain-Technologie basierende Kryptowährungen brauchen ein aus zahlreichen Nutzern bestehendes, dezentrales Netzwerk mit ausreichend Rechenleistung. Das bedeutet gleichzeitig einen hohen Stromverbrauch. Venezuelas Wirtschaft liegt aber darnieder: Es fehlt am Nötigsten. Das Land ist zwar der erdölreichste der Welt, die Förderung liegt aber am Boden. Die galoppierende Inflation trifft besonders die unter Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel leidende Bevölkerung hart.
Auch Vertrauen Knackpunkt
Und ob ausländische Nutzer genug Vertrauen in die venezolanische Regierung für einen Kauf von „Petro“ aufbringen, bleibt offen. Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Steve H. Hanke, Professor für angewandte Wirtschaftsforschung an der Johns Hopkins Universität (JHU) in Baltimore, im Gespräch mit der „Deutschen Welle“ sei der „Petro“ schon allein deswegen zum Scheitern verurteilt, weil Venezuela die nötigen Rohstoffe für die Sicherung nicht besitze.
Die Opposition nennt den „Petro“ eine abstruse Idee, die zum Scheitern verurteilt sei. Sie hatte im vergangenen Jahr immer wieder mit Massenprotesten gegen Maduro mobilgemacht, dem sie das Streben nach einer Diktatur vorwirft.
Militär kontrolliert Supermärkte
Die Lage im Land verschärfte sich am Wochenende unterdessen weiter: Nach einer Welle von Plünderungen bewachte das Militär in mehreren Städten am Wochenende Zugänge zu Supermärkten und überwachte eine angeordnete Preissenkung. Als Reaktion auf die galoppierende Geldentwertung im Land hatten die Behörden für 26 Ketten angeordnet, die Preise für bestimmte Produkte des täglichen Bedarfs zu senken, die wegen der Inflation, der höchsten der Welt, erhöht worden waren.
Da der monatliche Mindestlohn nur noch ein paar Euro wert ist und die Bürger immer weniger Essen dafür bekommen, war es in den letzten Tagen zu Plünderungen und schweren Protesten gekommen. Berichten zufolge bildeten sich lange Warteschlangen.
Soldaten und Polizisten ließen zum Beispiel in Caracas nur in bestimmten Abständen eine feste Anzahl an Leuten zum Einkaufen in einige Supermärkte, in denen allerdings - wegen der Inflation und wegen fehlender Devisen zum Kauf von Lebensmitteln im Ausland - meist viele Regale leer sind. Zwar gibt es für die ärmere Bevölkerung Lebensmittelhilfen, aber nur wenn sich die Empfänger schriftlich zur Unterstützung der Regierung bekennen.
Links: