Themenüberblick

USA als Unsicherheitsfaktor für die Welt

Seit Jahren scheint die Welt im Dauerkrisenzustand zu sein. Kaum ist ein Konflikt überstanden, folgt schon der nächste. Heuer drohen den USA laut einer Risikoanalyse der US-amerikanischen Denkfabrik Council of Foreign Relations (CFR) weitere Gefahren, wie etwa eine militärische Auseinandersetzung mit Nordkorea. Das größte Risiko gehe dabei von den Vereinigten Staaten selbst aus.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Normalerweise stehen bei der Studie jene Gefahren im Vordergrund, die die USA aus dem Ausland bedrohen. Aber heute seien „die USA der unberechenbarste Akteur der Welt. Und das hat ein tiefes Unbehagen verursacht“, sagte Studienautor Paul Stares gegenüber dem US-Magazin „The Atlantic“.

Bisher hätte er die größte Wirtschaftsmacht der Welt nie als Unsicherheitsfaktor betrachtet. „Wir stellten die USA auf eine Seite, die Krisen auf die andere und schauten, wer die größten Gefahrenquellen sind“, sagte Stares. Aber nun sei sich niemand mehr sicher, „wie US-Präsident Donald Trump in einer beliebigen Situation reagieren wird“.

Nordkorea als Gefahr mit „höchster Priorität“

In der Risikoanalyse des CFR, an der rund 450 Experten teilnahmen, werden beispielsweise die Spannungen zwischen Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un hervorgehoben. Seit Sommer richten sich die beiden Staatschefs via Medien Gehässigkeiten aus. Zuerst drohte Kim mit „Feuer“ und weiteren Atomtests, dann sprach Trump von einer „völligen Vernichtung“.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es nach der verbalen Aufrüstung zu einem militärischen Konflikt kommen könnte, stufen die Militärs und Diplomaten zwar als „mittel“ ein, die Wirkung auf die Welt, insbesondere auf die USA, wurde aber als „sehr hoch“ bewertet.

Kim Jong Un beobachtet einen Raketenstart

APA/AFP

Nordkoreas Diktator Kim verkündete im letzten Jahr, dass seine Raketen das gesamte Festland der USA erreichen können

Seit 2014 rangiert Nordkorea in der Expertenumfrage an den vordersten Plätzen. Dieses Jahr landete das international abgeschottete Land erstmals ganz oben. Im Vergleich zum Vorjahr würde man eine direkte militärische Auseinandersetzung zwischen den USA und Nordkorea nicht mehr komplett ausschließen, erläuterte Studienleiter Stares.

Fehde zwischen Russland und NATO

Die Bedrohungslage habe sich seit Trumps Amtsantritt weiter verschärft. Allein die USA wollen in den nächsten zehn Jahren rund 350 Milliarden Euro in ihre Aufrüstung investieren. Und die Raketentests auf der Koreanischen Halbinsel summierten sich im Vorjahr laut einer Auswertung von CNN bereits auf 16 Versuche. Seit 2006 wurden sechs Atomwaffentests durchgeführt. „Falls es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt, könnte sie auch den Einsatz von Atomwaffen beinhalten“, sagte Stares.

Als zweithöchste Gefahr im Jahr 2018 nach dem Konflikt mit Nordkorea wird „eine vorsätzliche oder unbeabsichtigte militärische Konfrontation“ zwischen Russland und dem westlichen Militärbündnis NATO angegeben. Zurückzuführen sei die Entwicklung auf das „russische Verhalten in Osteuropa“.

Russische T-90-Panzer beim "Army 2017- International Military-Technical Forum" in Moskau

APA/AFP/Alexander Nemenov

Das Großmanöver „Sapad“ fand im September 2017 an der Grenze zu Polen, Litauen, Lettland und Estland statt

Gemeint ist damit unter anderem die Militärübung „Sapad“ (Russisch: Westen), die Mitte September an der Ostflanke der EU stattfand. 100.000 Soldaten aus Russland und Weißrussland nahmen an dem Manöver teil. Die Fehde zwischen Russland und der NATO könnte das Verhältnis zwischen den USA und Russland verschlechtern.

Verbündete in Alarmzustand

Die Einschätzung, dass die US-Politik unberechenbar geworden ist, ist nicht neu. Diplomaten haben bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass Trumps Temperament zu einer „maximalen Unsicherheit“ in der Welt geführt habe. Verbündete der USA seien in einen Zustand der Verwirrung und des Alarms versetzt worden, schrieb die „Financial Times“. Ein Pokerface sei grundsätzlich nicht falsch, aber Trumps Unberechenbarkeit erschüttere Allianzen und destabilisiere Beziehungen, die zu innen- und außenpolitischen Konflikten führen können.

Zuletzt sorgte Trump etwa mit seiner Entscheidung, Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anzuerkennen, für Unruhen im Nahen Osten. Jerusalem gilt als eines der heikelsten Probleme der Weltpolitik und als einer der fundamentalen Streitpunkte in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. Trotz internationaler Kritik und Protesten weigert sich der US-Präsident, seinen Entschluss zurückzunehmen.

Mitte Dezember bezeichnete Trump Russland und China als besondere Herausforderungen für die Sicherheit der USA. Aber auch Nordkorea stelle eine Bedrohung dar. Wie er aber auf die potenziellen Gefahren reagieren wird, bleibt abzuwarten. Der „Washington Post“ erklärte der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte schon vor Monaten: „Ich habe immer gesagt, dass wir unberechenbar sein müssen. Berechenbarkeit ist schlecht.“

Links: