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Verhandlungen gehen in zweite Phase

Großbritannien und die EU haben bei ihren „Brexit“-Gesprächen einen ersten Durchbruch erzielt. Das teilte Freitagfrüh EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der britischen Premierministerin Theresa May mit. „Es wurden genügend Fortschritte erzielt, damit wir jetzt in die zweite Phase der Verhandlungen eintreten können“, sagte Juncker.

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Es bleibe aber noch eine Menge Arbeit, führte Juncker weiter aus. May rechnet nun damit, dass die EU auf dem Jahresendgipfel am 14. und 15. Dezember die Weichen für den „Brexit“ stellen will. „Wir werden die EU verlassen.“ Dann könnte der Startschuss für die nächste Phase der Verhandlungen fallen, in denen es um einen Freihandelsvertrag mit London gehen dürfte.

Tusk bietet Briten Übergangsphase an

EU-Ratspräsident Donald Tusk meldete sich kurz nach Juncker zu Wort. Er deutete eine Übergangsphase für Großbritannien an: Die Briten sollen in dieser Zeit weiter alle Vorgaben der EU-Mitgliedschaft wie bisher erfüllen, aber kein Mitspracherecht über Entscheidungen mehr haben. „Wir haben unsere Bedingungen“, so Tusk.

Die Entscheidung über Verhandlungen über eine solche Übergangsphase soll im Rahmen des EU-Gipfels getroffen werden. Die Gespräche sollten dann umgehend beginnen, sagte Tusk. Auch Tusk ging auf künftige Handelsbeziehungen ein: „Sondierungsgespräche“ über eine künftige Partnerschaft sollen gestartet werden.

Die genauen Ziele und Bedingungen für diese Verhandlungsphase soll die EU nach dem Willen des Ratspräsidenten aber erst im kommenden Jahr in eigenen Leitlinien festlegen. Zuvor brauche man mehr Klarheit über die Vorstellungen der britischen Regierung für die Zeit nach dem Austritt im März 2019.

David Davis, Theresa May, Jean-Claude Juncker und Michel Barnier

Reuters/Eric Vidal

Der britische „Brexit“-Minister David Davis, May, Juncker und EU-Chefverhandler Michel Barnier (v.l.n.r. im Vordergrund) vor Verkündigung der Einigung

Barnier warnte vor weiteren Hürden

Der „Brexit“-Chefverhandler der EU, Michel Barnier, zeigte sich mit den Fortschritten zufrieden: „Der Fortschritt, der heute erzielt wurde, reicht aus, um die nächste Phase zu beginnen“, so Barnier. Gleichzeitig warnte er, dass „noch viel zu tun“ sei. Die Einigung, die Großbritannien, Irland und der Rest der EU erzielt haben, sei „präzise und detailliert“ und könnte als Basis für eine künftige Einigung über den Rückzug Großbritanniens aus der EU dienen.

Auch zum finanziellen Ablauf des Austritts machte Barnier erste Angaben. So werde Großbritannien den finanziellen Verpflichtungen gegenüber der EU nachkommen. Die Zahlungen werden aber trotz Austritts aus der EU nicht früher benötigt, so Barnier. Für die Zeit nach dem „Brexit“ könne sich Barnier ein ähnliches Handelsabkommen mit Großbritannien wie mit Kanada vorstellen. Nach den von der britischen Regierung vorgegebenen Bedingungen bleibe eigentlich nur dieses Modell, so der Chefverhandler. „Die britische Regierung selbst hat rote Linien gezogen, die bestimmte Türen verschließen“, sagte Barnier. „Deshalb arbeiten wir auf dieses Modell hin.“

Genaue Zahlen wollte Barnier jedoch nicht nennen. Die Höhe einer möglichen „Brexit“-Rechnung hänge von der künftigen Entwicklung ab. „Ich habe nie Zahlen genannt und werde heute auch nicht damit anfangen. Sie können sich ändern.“ Zudem könnten politische Kontroversen ausgelöst werden.

Einigung bei drei Themen war Bedingung

Die EU hatte eine Einigung bei drei Topthemen zur Bedingung für Verhandlungen über die künftigen Beziehungen beider Seiten gemacht, die Großbritannien so rasch wie möglich klären will. Schon am Montag waren Kommissionschef Juncker und die britische Premierministerin May kurz vor einem Kompromiss, der aber dann doch nicht zustande gekommen war.

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Juncker und May geben Durchbruch bei Verhandlungen bekannt

Freitagfrüh gaben der EU-Kommissionspräsident und die britische Premierministerin bekannt, dass genügend Fortschritte erreicht wurden, um die Verhandlungen weiterzuführen.

Bis zuletzt umstritten war in der ersten Verhandlungsphase, wie Grenzkontrollen zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können. Irland pochte auf eine schriftliche Zusage Großbritanniens, dass es keine feste Grenze auf der irischen Insel geben werde.

Keine harte Grenze zu Irland

Juncker erklärte, dass Großbritannien in dieser Frage weitreichende Zusicherungen gemacht habe. Nach Angaben des irischen Außenministers Simon Coveney garantiert die Vereinbarung der Verhandlungspartner, dass es keine harte Grenze zu Irland geben wird. Das Karfreitagsabgekommen sei geschützt, sagt Coveney. Das bestätigte auch May: „Wir werden garantieren, dass es keine harte Grenze gibt.“

Der irische Regierungschef Leo Varadkar begrüßte die „Brexit“-Einigung vom Freitag. Varadkar sprach von einem „sehr wichtigen Tag“ und dem „Ende des Beginns“ der Verhandlungen. Irland werde bei den kommenden Verhandlungen weiter „wachsam“ bleiben, fügte er hinzu. Coveney schrieb unterdessen auf Twitter, dass das ein „sehr gutes Ergebnis“ für alle Bewohner der Insel Irland sei.

Differenzen mit DUP offenbar ausgeräumt

Eine am vergangenen Wochenende ausgehandelte Kompromissformel war zunächst auf Widerstand der konservativen nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) gestoßen, auf deren Stimmen May im britischen Parlament angewiesen ist. In tagelangen Gesprächen wurden diese Bedenken offenbar ausgeräumt. Nach Angaben der nordirischen Partei DUP nahm Großbritannien substanzielle Änderungen an den Vorschlägen für die EU vor. „Wir sind erfreut über diese Änderungen“, sagte Parteichefin Arlene Foster Sky News.

May bekräftigte, dass die gefundene Formel keine Sonderstellung für Nordirland bedeute. Es werde auch keine Zollgrenze zwischen der britischen und der irischen Insel geben. Wie das geschehen soll, blieb zunächst offen. May verwies auf ein künftiges Handelsabkommen mit der EU und „einzigartige“ Lösungen für die einzigartige Situation in Irland.

Auch bei den Bürgerrechten gibt es laut Juncker Klarheit. EU-Bürger, die in Großbritannien lebten, würden weiterhin volle Rechte genießen, auch was die sozialen Ansprüche wie Pensionen betreffe. Zu den Bürgerrechten sagte Juncker, für EU-Bürger würde der EuGH als Letztinstanz weiter gelten. Dieser Punkt war ja in den bisherigen sechs Verhandlungsrunden der ersten Phase umstritten und von Großbritannien abgelehnt worden.

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