„Keine Einzelfälle“
Wie der „Standard“ (Onlineausgabe) am Sonntag berichtet hat, sind offenbar in der Skihauptschule Neustift im Stubaital (Tirol) in den 1970er Jahren über längere Zeit Buben missbraucht worden. Die Vorwürfe konzentrieren sich auf den Internatsleiter, seine Taten seien „keine Einzelfälle“ gewesen. Betroffene sagten der Zeitung zudem, dass die Schulleitung, die damals dem Tiroler Skiverband (TSV) unterstand, über die Vorfälle Bescheid gewusst habe.
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Die Vorwürfe erhoben mehrere ehemalige Schüler sowie eine Mutter eines Betroffenen. Aufmerksam sei die Mutter geworden, als zwei Schulkollegen ihres Sohnes zu Hause von sexuellem Missbrauch durch den damaligen Internatsleiter in Neustift berichtet hatten: „Ich habe ihn darauf angesprochen, und er hat schließlich erzählt, dass dieser Mann jede Woche zu ihnen ins Bett kam“, so die Mutter zum „Standard“. Ehemalige Mitschüler bestätigen der Tageszeitung diese Darstellung.

APA/EXPA/Michael Gruber
Im Internat der Skihauptschule Neustift sollen in den 1970ern Kinder missbraucht worden sein
Auch eine Person aus dem damaligen Betreuerteam habe bestätigt, dass es zu sexuellen Übergriffen durch den Internatsleiter gekommen sei. Doch sie alle würden anonym bleiben und die Details nur der Staatsanwaltschaft schildern wollen. Die ersten Jahrgänge der im Schuljahr 1969/1970 gegründeten Einrichtung seien betroffen gewesen und wüssten Bescheid, sagte ein Ex-Schüler laut dem Bericht.
Opferhotlines
Betroffene können sich bei der Anlaufstelle für Opferschutz des Landes Tirol melden. Diese ist montags bis freitags von 9.00 bis 11.30 Uhr unter der Telefonnummer 0512/508 3795 erreichbar. Die Klasnic-Kommission ist montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr unter der Telefonnummer 0664/9807817 erreichbar.
Internatsleiter blieb im Schuldienst
Der Vater eines anderen Buben, der ebenfalls missbraucht worden sein soll, soll dafür gesorgt haben, dass der Internatsleiter schließlich seines Amtes enthoben wurde. Allerdings habe er nur seine Leitungsfunktion im Internat abtreten müssen. Im Schuldienst verblieb er bis 1979.
Laut einem Protokoll der Sitzung des TSV, das der Tageszeitung vorliege, sei die Absetzung des Internatsleiters schon 1976 Thema in den höchsten Gremien des Verbandes gewesen. Unklar sei, warum der Internatsleiter weiter im Schuldienst bleiben konnte - ebenso, was nach 1979 geschah. Das Land Tirol, bei dem er als Lehrer angestellt war, könne aus Datenschutzgründen auf Anfrage des „Standard“ keine näheren Auskünfte geben. Ob, wo und wie lange der Mann weiter als Lehrer tätig war, sei nicht bekannt.
Schüler hätten Angst um Skifahrerkarriere gehabt
Es sei eine Kombination aus Leistungsdruck und Hörigkeit gewesen, die verhindert habe, dass die Fälle öffentlich wurden. Zusätzlich wurde der Täter gedeckt. Die Schüler selbst hätten auch Angst um ihre Karriere als Skistars gehabt, berichtete die Mutter dem „Standard“. Ihr Sohn sei Jahre später an einer Heroinüberdosis gestorben. Der Schüler, der später auch das Skigymnasium im Tiroler Stams besucht hatte, sei ein vielversprechendes Talent gewesen. Schon als er zwölf Jahre alt war, hätten Skifirmen darum gerungen, mit ihm Verträge einzugehen.
Bereits am Samstag hatte ein ehemaliger ÖSV-Fahrer ebenfalls im „Standard“ über sexuelle Übergriffe im Skiinternat Stams gesprochen. Der ehemalige Schüler berichtete unter anderem von Initiationsriten wie dem „Pastern“, die „sexuelle Machtspiele“ gewesen seien.
Mehrere Personen meldeten Vorfälle
Seit sich die ehemaligen Skirennläuferin Nicola Werdenigg mit Vorwürfen zu Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch im heimischen Skisport und an Skischulen an die Öffentlichkeit gewandt hat, reißen die dahingehenden Vorwürfe nicht ab. In einer vom Land Tirol eingerichteten Hotline hätten sich auch Personen gemeldet, die Vorwürfe zur Skihauptschule Neustift und zu den Aufnahmeritualen im Skigymnasium Stamsvorgebracht hätten.
Auch die von Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic eingerichtete Hotline zu Missbrauchsfällen wird bereits genutzt. Man habe einige Meldungen erhalten, sagte der Sprecher der einstigen steirischen Landeshauptfrau am Donnerstag zur APA. Vorwiegend handle es sich dabei um Hinweise. Ob es finanzielle Entschädigungen seitens des ÖSV geben werde, ist noch nicht klar.
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