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Wieder droht dem Präsidenten Abfuhr

Die Steuerreform wäre mehr als ein Jahr nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump das erste bedeutende Gesetzesvorhaben, das er umsetzen könnte. Am Donnerstag sollte der Senat grünes Licht geben - doch nach Widerstand in den eigenen Reihen wurde auf frühestens Freitag vertagt. Die Republikaner können sich im Senat nur zwei parteiinterne Gegenstimmen leisten.

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„Ich erklär’s euch, ohne anzugeben: Kein Präsident vor mir hat in zehn Monaten so viel erreicht, wie wir erreicht haben.“ Diese Worte Trumps, die er am Mittwoch bei einem Auftritt in Missouri fallenließ, entbehren des Wahrheitsgehalts. Tatsächlich konnten der US-Präsident und seine Partei noch kein zentrales Gesetzesvorhaben umsetzen, obwohl die Republikaner die Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses haben. Ein Erfolg muss dringend her, schließlich stehen im kommenden Jahr das gesamte Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats zur Wahl. Noch vor Weihnachten sollte daher im Eilverfahren die Steuerreform verabschiedet werden.

Neuer Anlauf

Das Repräsentantenhaus hatte Trumps Steuerreform mit einer Mehrheit der Republikaner bereits Mitte November abgesegnet. Am Donnerstag sollte der Senat folgen - es kam aber anders. Mehrheitsführer Mitch McConnell sagte, vor Freitag 11.00 Uhr (Ortszeit, 17.00 MEZ) solle es keine Abstimmung geben. Die Republikaner haben größere Schwierigkeiten als von ihnen selbst erwartet, das Gesetz abstimmungsreif und mehrheitsfähig zu bekommen. Sie haben nur eine knappe Mehrheit gegen die Demokraten, die geschlossen dagegen sind. Mehr als zwei Abweichler können sich die Republikaner nicht leisten.

Grund für den nunmehrigen Schwenk waren neue Berechnungen des Congressional Budget Office (CBO), dass die geplanten Steuersenkungen die nationalen Schulden um rund eine weitere Billion Dollar erhöhen würden. Trump hatte zuvor stets gesagt, dass Verluste durch seine Steuersenkungen durch das angekurbelte Wirtschaftswachstum ausgeglichen würden. Doch nach den neuen Zahlen weigerten sich die drei republikanischen Senatoren Bob Corker, Jeff Flake und Ron Johnson, der Reform zuzustimmen - sie verlangten weitere Änderungen.

Finanzierung sorgt für Zweifel

Schon zuvor waren Zweifel an der Finanzierbarkeit des 1,6 Billionen Dollar (1,3 Billionen Euro) schweren Projekts laut geworden. Die University of Chicago befragte 38 Ökonominnen und Ökonomen aus verschiedenen politischen Lagern - 37 von ihnen meinten, dass die Reform zu einem weiteren Wachsen des Schuldenbergs von derzeit rund 20 Billionen Dollar führen werde.

Erreicht der Entwurf im Senat doch noch die erforderliche Mehrheit von 50 Stimmen, müssen noch beide Kammern ihre Versionen abgleichen. Die gemeinsame Fassung soll Trump bis Weihnachten vorgelegt werden. Viel Zeit bleibt nicht bis dahin. Und die Kritik an dem Gesetzesentwurf wird immer schärfer. Neben einer erheblichen Ausweitung der Schuldenlast wird bemängelt, dass die Steuern zum Wohle der Reichen auf dem Rücken von Ärmeren gekürzt werden sollen. Außerdem führe das Gesetz zu großen Problemen in der Krankenversicherung und verschlimmere die Ungleichheit in der Gesellschaft stark.

Viele könnten verlieren

Die „New York Times“ urteilte am Donnerstag, die Reform würde den Alltag der US-Bürgerinnen und -Bürger in vielen Bereichen abseits des Steuerrechts beeinflussen: von Gesundheit über Bildung, deren Finanzierung sich verändern würde, bis hin zu Zugeständnissen an republikanische Interessengruppen - etwa die Aufhebung des seit 1954 gültigen Verbots für Religionsgemeinschaften, politisch aktiv zu sein. Das würde deren politisches Gewicht und jenes der Republikaner langfristig wohl deutlich erhöhen.

Das CBO errechnete einem Bericht der „Zeit“ zufolge, dass mittelfristig vor allem Haushalte mit Einkommen unter 40.000 Dollar sogar schlechter gestellt wären. Bis 2027 würden schließlich auch Haushalte mit einem Einkommen unter 75.000 Dollar stärker belastet, weil dann einige Steuervergünstigungen auslaufen: Konnte man etwa jenen Teil der Einkommenssteuer, die jeder Bundesstaat in eigener Regie erhebt, bisher von der beim Bund zu zahlenden Steuer abziehen, soll das künftig nicht mehr möglich sein. Verlierer sind tendenziell Menschen in demokratisch dominierten Staaten wie New York, New Jersey und Kalifornien - dort sind die lokalen Steuern besonders hoch.

Unternehmen und Superreiche größte Profiteure

In erster Linie gewinnen große Unternehmen: Ihr Steuertarif soll von heute 35 Prozent auf 20 Prozent sinken, auch sollen sie Investitionen schneller abschreiben können. Das soll zu mehr Investitionen und damit neuen Jobs führen. On das aufgeht, ist fraglich, schreibt der „Spiegel“: „Als Trumps wichtigster Wirtschaftsberater Gary Cohn unlängst ein Treffen mit Unternehmern besuchte, wurde in die Runde gefragt, wer nach der Reform Investitionen plane. Im Plenum rührte sich kaum eine Hand.“

Unbestrittene Profiteure der Reform wären die Superreichen: Die Estate Tax, eine Art Erbschaftsteuer auf Villen, die mehr als sechs Millionen Dollar wert sind und die an die Verwandtschaft weitergereicht werden, soll fallen. Außerdem soll die Alternative Minimum Tax (AMT) abgeschafft werden, die bisher dafür sorgt, dass Reiche, die auf komplizierte Steuerkonstrukte zurückgreifen, um ihre Steuerlast zu senken, eine Mindeststeuer bezahlen.

Aufschrei besorgter Wohlhabender

Eine Untersuchung des Urban-Brookings Tax Policy Center in Washington ergab, dass die Gruppe der Steuerzahlenden, die mehr als 700.000 Dollar im Jahr einnehmen, im Durchschnitt künftig 13 Prozent mehr netto bekommen könnte. Bei einem Einkommen von mehr als 3,7 Millionen Dollar beträgt die durchschnittliche Entlastung sogar 14 Prozent. US-Medien errechneten unter Berufung auf Ökonomen, dass auch Trump und seine Familie etwa eine Milliarde Dollar Steuern durch die geplante Reform sparen würden.

Was nicht zwangsläufig heißt, dass alle der davon Betroffenen die Reform begrüßen: Die Initiative Responsible Wealth, eine Gruppe von rund 400 reichen US-Amerikanerinnen und US-Amerikanern, hielt in einem offenen Brief fest, dass kein Gesetz verabschiedet werden dürfe, das die soziale Ungleichheit noch verschärfe und den Schuldenberg weiter wachsen lasse.

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