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Das Wichtigste ist Reden

Viele Männer seien davon getrieben, erfolgreich zu sein und ja nicht zu scheitern. Das gehe so weit, dass Männer, auch wenn sie einen großen Verlust erleiden, darauf mit Aussagen wie „Mir geht es gut. Ich schaffe das“ reagierten - im Hintergrund sei aber sehr wohl der Schmerz vorhanden, konstatiert der Psychotherapeut Ernst Lehner gegenüber ORF.at.

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Allen Männern, denen es psychisch schlecht gehe, rät Lehner eindringlich, „in Kontakt zu treten“. Denn man könne eine Lösung nur finden, wenn man beginne, darüber zu reden.

Sich Hilfe für persönliche Probleme zu suchen, fällt einem Gros der Männer enorm schwer. Das Gefühl der Ausweglosigkeit lässt in depressiven Männern teils die Vorstellung wachsen, nur noch mit einem Suizid das Problem lösen zu können. Dahinter steckt laut Lehner oft auch die Vorstellung, im letzten Augenblick noch Kontrolle über sein Leben zu haben, sagen zu können: Es ist meine Entscheidung. Das sei aber ein sehr traditionelles Ideal, nämlich jenes der Autonomie, so Lehner unlängst am Rande einer Tagung über männliche Depression im niederösterreichischen Stockerau, die vom Bündnis gegen Depression und der Psychosoziale Zentren GmbH veranstaltet wurde.

„Ideal der Autonomie hinterfragen“

Helfen könne nur, wenn Betroffene etwa mit einem Therapeuten, einer Therapeutin darüber reden - oder wie Lehner es ausdrückt „in Beziehung treten, um dort diese Ideale der Autonomie zu hinterfragen“. „Was viele Männer gerade im Alter lernen müssen, ist, dass sie Kontrolle verlieren. Und was wir lernen müssen, wo wir als Männer krank sind, mit anderen in Beziehung zu treten und das nicht als Abhängigkeit zu empfinden. Denn die Gegenbewegung zur Abhängigkeit wäre ja wieder der Kontrollzwang.“ Das sei ein Lernprozess, der einfach Zeit brauche.

Es sei wichtig, vom „Drang zur Autonomie“ wegzukommen. In der sozialen Verbundenheit müsse man „diese Zustände lernen und damit dieses Krankhafte, Schmerzliche daran wegbekommen“. Ziel müsse es sein, dass der Betroffen die soziale Verbundenheit nicht mehr als Abhängigkeit empfindet.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.

Was Angehörige tun können

Angehörigen rät Lehner, von Depression betroffene Männer nicht zu drängen - das verstärke die Merkmale der Krankheit wie Rückzug, Aggressivität oder Trinksucht nur. Wichtig sei, einem Betroffenen Freiraum zu lassen, auch die Distanz zu akzeptieren, aber trotzdem immer zu versuchen, über ihren inneren Zustand, ihr Erleben ins Gespräch zu kommen. Erst wenn das ausgedrückt werden könne, könnten Betroffene ihr Verhalten - etwa Aggressivität gegenüber der Partnerin oder anderen Familienmitgliedern - reflektieren und dann eventuell auch ändern.

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