Themenüberblick

Unterschätzte Krankheit

Depression ist - so wie andere psychische Erkrankungen - seit Jahren ein größer werdendes Thema. Trotz der mindestens 400.000 Menschen, die laut Experten allein in Österreich an einer behandlungsbedürftigen Depression leiden, ist es aber weiter eine unterschätzte Krankheit, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Depression eine lebensbedrohliche Erkrankung ist.

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Laut dem Verein Bündnis gegen Depression haben „fast alle Erkrankten Suizidgedanken“, etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit schweren depressiven Störungen begehen in ihrem Leben einen Suizidversuch, bis zu 15 Prozent der schwer Depressiven versterben an einem Suizid.

Richtige Diagnose entscheidend

Für Betroffene entscheidend ist die richtige Diagnose, da das Gros der Patientinnen und Patienten erfolgreich behandelt werden kann, wobei es verschiedene Therapieformen gibt. Die meisten Betroffenen können dann laut Bündnis gegen Depression wieder „ein sinnerfülltes Leben“ führen.

Dass Betroffene auch dann, wenn sie Hilfe suchen, teils jahrelang auf die richtige Diagnose warten müssen, hat einen Grund auch darin, dass depressive Erkrankungen fallweise „nicht leicht von einer alltäglichen Verstimmung oder einer Lebenskrise zu unterscheiden“ sind. Patienten und Ärztinnen denken oft zunächst an eine körperliche Erkrankung. „Bei genauem Nachfragen ist jedoch fast immer eine sichere Diagnose möglich, und mit Hilfe weiterer Untersuchungen können verschiedene körperliche Ursachen der Depression erkannt werden.“

Grafik zu Antidepressiva

Grafik: ORF.at; Quelle: Hauptverband

Verschreibungen bei Männern steigen

Im Hauptverband der Sozialversicherungen gibt es keine Daten darüber, wie viele Menschen mit Depression diagnostiziert werden. Zumindest gewisse Tendenzen - wenn auch aus mehreren Gründen sehr eingeschränkt, wie der Hauptverband gegenüber ORF.at betont - lassen sich aber von der Zahl der Verschreibungen von Antidepressiva ablesen.

Im Zeitraum 2013 bis 2016, für den genauere Daten vorliegen, war die Zahl der Verschreibungen relativ stabil. Während sie bei Frauen zunächst stieg und dann rückläufig war, stieg sie bei Männern kontinuierlich. „Möglicherweise kann geschlossen werden, dass es in den letzten drei Jahren zu einem Anstieg der männlichen Patienten mit Antidepressiva-Verordnungen kam“, so die Schlussfolgerung der Hauptverbands. Ein Zehnjahresvergleich zeigt insgesamt einen deutlichen Anstieg - nämlich 40 Prozent - bei den Verschreibungen von Antidepressiva.

Podiumsdiskussion zum Thema Depression österreichweit

Gerlinde Vybiral/PSZ GmbH

Rund 200 Betroffene, Angehörige und Mitarbeiterinnen von medizinischen und psychosozialen Anlaufstellen nahmen an der Tagung in Stockerau teil

Fehlendes Bewusstsein

Für Betroffene ein besonderes Problem ist, dass nach wie vor oft - selbst bei Ärztinnen und Ärzten - das Bewusstsein für die Krankheit und die Bedürfnisse der Patienten fehlt. Der Autor Viktor Staudt, der selbst an Depression leidet und bei einem Suizidversuch beide Beine verlor, schilderte das bei der jüngsten Veranstaltung über männliche Depression im niederösterreichischen Stockerau aus eigener Erfahrung: Drei Monate nach seinem Suizidversuch habe er einen Arzt gefragt, ob er mit einem Psychologen sprechen könne. Der Arzt habe ihn daraufhin gefragt, ob er noch immer nicht darüber hinweg sei. Seine Erfahrung liegt Jahre zurück, doch das sei oft auch heute noch so.

Depressionen können durch eine besondere Belastung, etwa den Tod eines geliebten Menschen oder eine dauernde Überforderung, ausgelöst werden. Sie können aber auch ohne ersichtlichen Grund ganz plötzlich auftreten. Meist sind es mehrere Ursachen, die zusammenspielen - es gibt kaum jemals eine einzige Ursache.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.

Erhöhte Suizidgefahr

Einen Todeswunsch haben im Verlauf des Lebens viele, auch gesunde, Menschen. Während die meisten von ihnen eine solche Lebenskrise verarbeiten können, fällt das psychisch kranken Menschen viel schwerer und gelingt manchmal nicht. Bei 90 Prozent der vollendeten Suizide ist laut Bündnis gegen Depression eine psychische Erkrankung nachweisbar, meist handelt es sich um eine Depression.

Nicht nur für Betroffene, auch für Angehörige bedeutet eine Erkrankung meist eine tiefgreifende Veränderung des Alltags, oft verbunden mit Schuldgefühlen und Ärger gegenüber dem Erkrankten. Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen ist laut Experten hier eine wichtige Hilfe, um Überlastung und Erschöpfung zu verhindern.

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