Neue Studie sieht Trendwende in EU
Die 2008 ausgebrochene Wirtschaftskrise war gleichzeitig auch eine soziale Krise: Über Jahre hinweg haben sich EU-weit Chancen in Bereichen wie Bildung, Arbeit und Gesundheit verschlechtert, Armut und Ungerechtigkeit schienen ständig zuzunehmen. Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung weist für 2017 erstmals eine Trendwende aus. Für Österreich wird in manchen Bereichen Verbesserungsbedarf gesehen.
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Für die Studie werden jährlich anhand von 35 Kriterien sechs Bereiche beleuchtet, darunter Armut, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit und Generationengerechtigkeit. Im Vergleich mit den übrigen 27 EU-Staaten kommt Österreich im „Social Justice Index“ mit eine Quote von 6,69 auf Rang acht. Dänemark (7,39), Schweden (7,31) und Finnland (7,14) belegen die Spitzenplätze, die Schlusslichter im Index sind Griechenland (3,70), Rumänien (3,99) und Bulgarien (4,19).

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bertelsmann Stiftung
Im Falle Österreichs ist die Rede von „Licht und Schatten“: Zwar könne das Land vergleichsweise mit guten Arbeitsmarktchancen punkten (Platz vier im EU-Vergleich), doch ist es eines vor gerade einmal zwei Ländern in der EU (neben Luxemburg), in denen sich die Arbeitsmarktsituation im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert hat. So zeige sich ein anhaltender Anstieg der Arbeitslosigkeit bzw. auch der Jugendarbeitslosigkeit, heißt es.
Ungerechtigkeiten bei Bildungschancen
Insgesamt stehe Österreich im EU-Vergleich jedoch ganz gut da. „Generell liegt Österreich recht stabil in der erweiterten Spitzengruppe“, meint Studienleiter Daniel Schraad-Tischler gegenüber dem ORF. In Sachen Bildungschancen bestünden allerdings trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren noch immer Ungerechtigkeiten: So könne man in Österreich einen klaren Zusammenhang zwischen „sozialem Hintergrund eines Schülers und dem späteren Lernerfolg“ erkennen, schildert Schraad-Tischler. Hier gebe es noch in ganz Europa „Luft nach oben“.
Insbesondere in Sachen Beschäftigung älterer Arbeitnehmer (55 bis 64 Jahre) hinkt Österreich der Spitzengruppe weit hinterher: Trotz eines leichten Aufwärtstrends in den vergangenen Jahren ist die Quote mit 49,2 Prozent noch immer niedrig. Für das in diesem Bereich erstplatzierte Schweden wird hingegen eine Beschäftigungsquote von 75 Prozent ausgewiesen. Gut schneidet Österreich in Sachen Armutsvermeidung ab - in diesem Bereich hat sich der Anteil älterer Menschen, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind, verringert.
Alles steht und fällt mit Lage auf Jobmarkt
Generell beschreibt die Studie eine Besserung der Gesamtlage in der EU: „Nach Jahren der Abwärtsbewegung können wir einen leichten Aufwärtstrend sehen“, meint Bertelsmann-Studienleiter Schraad-Tischler. Auslöser sei da vor allem die Entspannung auf dem Jobmarkt - in 26 von 28 Ländern haben sich die Arbeitsmarktdaten im Vergleich zum Vorjahr gebessert, zeigt die Studie. „Das steigert die Teilhabechancen der Menschen in Europa“, meint der Experte. „Die Regierungen müssen nun alles daran setzen, den Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt zu stärken, das ist der Schlüssel für Wohlstandsgewinne“, so Schraad-Tischler.
Ein wunder Punkt sei jedoch, dass die Erholung in Europa „in zwei Geschwindigkeiten“ läuft, so ist die Kluft zwischen Nord- und Südeuropa weiter groß. Insbesondere Kinder und Jugendliche sind in den betroffenen Ländern überdurchschnittlich stark von Armut und Ausgrenzung bedroht. Man brauche im Fall von Ländern wie Bulgarien und Rumänien eine langfristige Perspektive, meinen die Experten: „Man kann nicht die Erwartung haben, dass sich die sozialen Ungleichgewichte in ein paar Jahren lösen können.“
Bemühungen der EU „besser als nichts“
Vom anstehenden Sozialgipfel in schwedischen Göteborg erwartet sich der Experte ein „Signal“. Zwar habe die EU nicht die Kernkompetenz in Sachen Arbeitsmarkt und Sozialpolitik - diese liege bei den Nationalstaaten. „Dennoch kann ein gutes Signal davon ausgehen, was der EU gut zu Gesicht stehen würde“, so Schraad-Tischler. Ob es konkrete Ergebnisse geben werde, könne er auch nicht einschätzen, das, was mit diesem Gipfel geschehe, sei aber jedenfalls „besser als nichts“.
Links:
Valentin Simettinger, ORF.at, aus Brüssel