„Präsidentin für alle“
ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger ist am Donnerstag vom Nationalrat zu dessen neuer Präsidentin gewählt worden. Auf die 38-Jährige entfielen 117 von 175 Stimmen. Die bisherige ÖVP-EU-Abgeordnete Köstinger ist damit nicht nur die jüngste Nationalratspräsidentin aller Zeiten - sie ist auch die Präsidentin mit der geringsten Unterstützung.
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Offen ist, ob Köstinger die Funktion dauerhaft ausübt. Spekuliert wird, dass die bisherige Generalsekretärin der ÖVP bei der Bildung einer schwarz-blauen Regierung ein Ministeramt übernehmen könnte. Das gilt auch als Grund für Köstingers bescheidenes Abschneiden.

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Mit 38 Jahren ist Köstinger die bisher jüngste Präsidentin des Nationalrats
Köstinger will „neue politische Kultur“
Köstinger will ungeachtet dessen nun ihr „Bestes dafür tun, Präsidentin für alle zu sein“. Sie wolle auch eng mit den Bürgern in Kontakt sein und deren Anliegen im Hohen Haus vertreten. Ihre Wahl nehme sie mit großer Demut und Dankbarkeit an und sei stolz, zwei starken Frauen wie Barbara Prammer und Doris Bures (beide SPÖ) folgen zu dürfen.
„Müssen erneuern, wie wir miteinander umgehen“
„So wie im alten Parlamentsgebäude Wände, Böden und Einrichtung erneuert werden, müssen auch wir erneuern, wie wir miteinander umgehen“, sagte Köstinger in ihrer Antrittsrede.
Sie warb für „eine neue politische Kultur“, die die Menschen wieder an die Politik glauben lasse. Vielleicht müsse man sich auch hier manchmal einfach dazu durchringen, über den anderen etwas Positives zu sagen. Sie selbst habe sich immer schon für eine politische Kultur eingesetzt, die das Gemeinsame vor das Trennende stelle. Sich selbst bezeichnete Köstinger als gleichzeitig glühende Österreicherin und glühende Europäerin. Sie sehe sich als Verbinderin der Interessen zwischen Fraktionen und auch innerhalb von Europa.
NEOS: Hohes Haus kein „Rangierbahnhof“
Scharfe Kritik an der Nominierung Köstingers für das zweithöchste Amt im Land kam zuvor vor allem von NEOS. Es gehe um das „Hohe Haus“, die erste Staatsgewalt - und dieses sei „kein Durchhaus und kein Rangierbahnhof“, wie NEOS-Chef Matthias Strolz bei der ersten Debatte im neu konstituierten Nationalrat sagte. Neben den zehn NEOS-Abgeordneten, die offenbar geschlossen für den nicht nominierten bisherigen Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf (ÖVP) stimmten, verweigerten auch etliche SPÖ-Abgeordnete Köstinger ihre Stimme.

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Für den nicht nominierten Kopf stimmten 56 Abgeordnete
Die SPÖ respektierte zwar das Nominierungsrecht der ÖVP, aber ein Teil ihrer insgesamt 52 Abgeordneten gab laut dem geschäftsführenden Klubobmann Andreas Schieder ebenfalls Kopf die Stimme. Auch aus den Reihen der Liste Pilz (LP) war in der Debatte Sympathie für Kopf zu hören gewesen, der in Summe auf 56 Stimmen kam. So kam die von der ÖVP vorgeschlagene Präsidentin letztlich auf nur 66,86 Prozent und blieb als erste Kandidatin unter der 70-Prozent-Grenze.
„Ja, wir haben vieles auf den Weg gebracht“
Bures zog in ihrer Abschiedsrede Bilanz über ihre Zeit als Nationalratspräsidentin. „Ja, wir haben vieles und wir haben vieles gemeinsam auf den Weg gebracht“, wie Bures sagte.
Köstingers Vorgängerin Bures wurde 2014 mit 78 Prozent zur Nachfolgerin der verstorbenen Prammer gekürt. 1996 erhielt Heinz Fischer (SPÖ) bei seiner dritten Wahl 79,33 Prozent der Stimmen. Auch damals hatte die ÖVP eine vorgezogene Wahl initiiert, aber - anders als heuer - nicht die erhoffte schwarz-blaue Mehrheit geschafft. Fischer war 1990 noch mit mehr als 90 Prozent (92,17) gewählt geworden, sein Vorgänger Leopold Gratz (SPÖ) bekam 93,53 Prozent.

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Doris Bures ist hinter Köstinger nun Zweite Nationalratspräsidentin
Auch Bures unter 70 Prozent
Bures besetzt nun das Amt der Zweiten Nationalratspräsidentin. Sie erhielt 115 der 174 gültigen Stimmen. Das entspricht 66,1 Prozent. Immerhin 23 Stimmen entfielen auf SPÖ-Chef Christian Kern, der sich für die Position nicht beworben hatte. Anzunehmen ist, dass bei der geheimen Wahl etliche ÖVP-Abgeordnete Bures nicht zustimmten, da beim vorigen Urnengang offenkundig etliche SPÖ-Mandatare statt der schwarzen Kandidatin Köstinger den bisherigen zweiten Präsidenten Kopf gewählt hatten.
Das beste Ergebnis der Präsidiumswahlen holte bei der konstituierenden Nationalratssitzung schließlich Norbert Hofer. Der FPÖ-Politiker zieht mit einer Unterstützung von 83,54 Prozent in seine zweite Amtsperiode - wobei auch bei ihm ein Wechsel in die Regierung nicht ausgeschlossen ist.

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Auch bei Hofer wird über einen Wechsel in die Regierung spekuliert
Nicht nur im Vergleich mit seinen beiden Präsidiumskolleginnen - die jeweils nur zwei Drittel der Stimmen bekamen -, auch im historischen Vergleich schnitt Hofer sehr gut ab: Sein Ergebnis ist das zweitbeste eines Dritten Nationalratspräsidenten der letzten 30 Jahre - wobei er selbst 2013 80,27 Prozent erhielt. Andreas Khol (ÖVP) hatte 1999 86,34 Prozent bekommen. Heuer wurde Hofer von 132 Abgeordneten gewählt. 158 Stimmen waren gültig, 26 entfielen auf andere Kandidaten.
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