Möglicherweise nur Interimslösung
Der ÖVP-Klub hat am Mittwoch in seiner Sitzung Elisabeth Köstinger als Nationalratspräsidentin nominiert. Ob sie das auch dauerhaft bleiben wird, ist zwar offen, Finanzminister Hans Jörg Schelling scheint davon jedoch auszugehen. Von der SPÖ hieß es, sie werde Köstinger als Nationalratspräsidentin „akzeptieren“, NEOS will die jetzige ÖVP-Generalsekretärin möglicherweise nicht wählen.
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Köstinger war seit 2009 Abgeordnete im Europaparlament und kennt die parlamentarischen Abläufe. Allerdings saß sie nie im österreichischen Parlament. Bisher war es eher üblich, dass erfahrene Parlamentarierinnen und Parlamentarier diese Funktion übernehmen. Auch international ist diese Vorgehensweise zumeist anzutreffen. Die Funktion des Nationalratspräsidenten ist nach dem Bundespräsidenten formal das zweithöchste Amt im Staat.
Unruhe im ÖVP-Klub
Die Nominierung Köstingers war laut „Presse“ innerhalb der ÖVP nicht unumstritten. Laut der Zeitung sprachen Klubmitglieder von einem „unwürdigen Schauspiel“ des Rätselratens, man sei in die Entscheidung nicht eingebunden gewesen. Auch die Nichteinbindung in die Koalitionsverhandlungen sorgt laut „Presse“ für Unruhe im ÖVP-Klub. ÖVP-Obmann Sebastian Kurz verteidigte hingegen die Nominierung von Köstinger. „Elli Köstinger ist eine starke Frau“ sowie eine Proeuropäerin, sie habe Österreich knapp zehn Jahre im Europäischen Parlament vertreten und im Wahlkampf einen neuen Stil in die politische Landschaft gebracht, streute Kurz seiner langjährigen Vertrauten Rosen nach der Abstimmung im Parlamentsklub.
Köstinger gilt als enge Vertraute von ÖVP-Chef Sebastian Kurz und ist auch Mitglied der ÖVP-Steuerungsgruppe in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ. Sie wäre nach Barbara Prammer und Doris Bures (beide SPÖ) die dritte Frau in Folge, die das Amt der Nationalratspräsidentin übernimmt.
Doch noch Ministerin?
Findet sich die ÖVP nach den Koalitionsverhandlungen in einer Regierung wieder, wovon auszugehen ist, gelte Köstinger weiterhin als potenzielle Anwärterin auf ein Ministeramt, hieß es in der ÖVP. Vor allem als Außen- oder Landwirtschaftsministerin ist sie im Gespräch. Ihr Amt als ÖVP-Generalsekretärin wird Köstinger mit der Wahl zur Nationalratspräsidentin zurücklegen.
Kurz selbst übernimmt vorerst das Amt des ÖVP-Klubobmanns, ÖAAB-Chef und Sozialsprecher August Wöginger soll geschäftsführender Klubchef werden. Das will Kurz am Mittwoch dem ÖVP-Parlamentsklub in der Klubsitzung vor dem Nationalratsplenum am Donnerstag vorschlagen. Wird Kurz Bundeskanzler, gilt Wöginger damit wohl als erster Anwärter auf den Posten des Klubobmanns. Auch Wöginger könnte freilich noch in eine ÖVP-geführte Regierung wechseln, war zu hören.
Rätseln über Sobotka
Der bisherige Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf ist „enttäuscht“, dass ihn ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht für das Amt des Ersten Nationalratspräsidenten nominiert hat. Er war vom neuen Parteiobmann zwar nicht auf die Bundesliste gesetzt worden, kandidierte jedoch in Vorarlberg und schaffte in seinem Wahlkreis ein Direktmandat. Die Zukunft von Innenminister Wolfgang Sobotka, der zuletzt ebenfalls als möglicher Nationalratspräsident, ÖVP-Klubchef oder Minister gehandelt wurde, bleibt mit den nun getroffenen Entscheidungen vorerst offen.
So war Sobotka, falls das Innenministerium tatsächlich an die FPÖ fällt, als Verteidigungs- und als Bildungsminister im Gespräch. Was möglicherweise gegen Sobotka als Nationalratspräsidenten sprach: Er war noch nie Abgeordneter - weder im Landtag noch im Nationalrat. Allerdings hat Köstinger auch „nur“ Erfahrungen im Europaparlament.
Hofer auch nur auf Abruf?
Bei SPÖ und FPÖ stehen die Vorschläge für das Nationalratspräsidium bereits seit Längerem fest. Die bisherige Nationalratspräsidentin Bures wird ihre Arbeit im Präsidium nun als Zweite fortsetzen, ebenso der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer. Bei den Freiheitlichen ist allerdings davon auszugehen, dass Hofer im Falle einer ÖVP-FPÖ-Koalition in die Regierung wechseln wird. Dann könnte Walter Rosenkranz für die Freiheitlichen ins Nationalratspräsidium einziehen.
NEOS: Amt kein „Zwischenparkplatz“
Kritik an der Nominierung kam unter anderem von NEOS: Der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak warf der ÖVP vor, das zweithöchste Amt im Staat als „Zwischenparkplatz“ bis zu einem vermutlichen Wechsel Köstingers in die Bundesregierung zu missbrauchen.
„Die Besetzung eines der höchsten Ämter der Republik darf nicht leichtfertig erfolgen. Es ist absurd, dass die ÖVP jetzt ihre Generalsekretärin bis zu ihrem wahrscheinlichen Wechsel in die Bundesregierung vorübergehend als Nationalratspräsidentin aufstellt. Das ist eine vollkommene Geringschätzung des Parlaments“, kritisierte Scherak.
SPÖ unterstützt Köstinger
Die SPÖ kündigte an, bei der Wahl des Nationalratspräsidiums alle drei Kandidaten zu unterstützen, somit auch Elisabeth Köstinger. Allerdings klang durchaus Kritik an der Auswahl der ÖVP durch. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder meinte, man könne nicht beurteilen, ob Köstinger geeignet sei, da man sie nicht kenne. Dennoch werde man das Vorschlagsrecht „im Großen und Ganzen akzeptieren“. Von Noch-Bundeskanzler Christian Kern aufgenommen wurden Spekulationen, dass Köstinger den Posten nur kurzzeitig ausüben könnte. Wenn man das Amt der Nationalratspräsidentin nur als Abstellgleis sehen würde, wäre das eine „Brüskierung der Wähler“.
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