Internationale Pressestimmen
Internationale Medien warnen vor den Folgen des Rechtsrucks in Österreich für Europa. Bei dem Wahlausgang handle es sich um mehr als einen Wechsel an der Regierungsspitze: In Österreich habe sich eine „tektonische Verschiebung“ ereignet, heißt es etwa in der deutschen „Zeit“.
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„Geschickt hatte der Außenminister seine Machtübernahme in Partei und Regierung zumindest zwei Jahre lang vorbereitet“, so Österreich-Korrespondent Joachim Riedl in der „Zeit“. Das linke politische Lager sei „dezimiert“ worden. Österreich werde „wahrscheinlich langsam aus dem europäischen Mainstream driften - obwohl das Land in der zweiten Jahreshälfte 2018 in der EU den Ratsvorsitz übernimmt - und sich vorsichtig den Visegrad-Staaten anbiedern“, so Riedl.
„Harte Rechte salonfähig gemacht“
„Der vermeintliche ‚Wunderwuzzi‘ der Konservativen hat die harte Rechte endgültig salonfähig gemacht“, urteilt die deutsche „Welt“: „Kurz’ Strategie, der FPÖ gerade beim Thema Zuwanderung und innere Sicherheit das Wasser abzugraben, indem er die Argumente und Lösungsvorschläge der Rechten weitgehend übernahm und lediglich etwas weniger rabiat artikulierte, ist nur bedingt aufgegangen. Denn die FPÖ hat bei dieser Wahl im Vergleich zu 2013 beinahe ebenso viele Stimmen dazugewonnen wie Kurz mit seiner Neuen Volkspartei.“
„Es geht immer noch ein bisschen rechter“
Österreich habe gezeigt: „Es geht immer noch ein bisschen rechter“, heißt es in der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“): „Das vermeintliche Zurückdrängen der rechten Stimmung im Land durch das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl, die im Dezember der grüne Kandidat Alexander Van der Bellen gegen den FPÖ-Politiker Norbert Hofer gewonnen hat, war ein Pyrrhussieg. Es zeigt sich: Es gibt kein nachhaltiges Gegengift gegen den Rechtspopulismus.“
Grantige Protestwähler in Österreich
„Rechts gewinnt“, titelte der deutsche „Spiegel“. Trotz des hohen Lebensstandards seien die Menschen in Österreich „grantig und wählen Protest“, schreibt Hasnain Kazim im „Spiegel“. Es gehe kaum darum, die Probleme zu lösen, sondern darum, Wut abzulassen. „In Österreich regieren aller Wahrscheinlichkeit nach demnächst Rechtspopulisten und auch Politiker mit Verbindungen zu Neonazis mit. Ein Aufschrei dagegen bleibt aus. Die Gefahr, die das birgt, ist, dass wir anfangen zu glauben, deren Gedankenwelt wäre normal.“

ORF.at
„Warum haben wir nicht so einen?“, titelte das deutsche Boulevardblatt „Bild“
„Sympathien für autoritäreren Politikstil “
Für die Schweizer „Neue Zürcher Zeitung“ ist die Zuspitzung auf Persönlichkeiten in Österreich „demokratiepolitisch problematisch“. Sie zeuge von der „Sehnsucht nach dem großen Befreiungsschlag, dem auch Sympathien für einen autoritäreren Politikstil innewohnen“. Dies Kurz zum Vorwurf zu machen wäre aber unfair, heißt es weiter. „Und doch hat er nicht gezögert, daraus politisches Kapital zu schlagen.“ Die auf Kurz gesetzten Hoffnungen seien nun jedenfalls „ähnlich groß wie das Potenzial für Enttäuschungen“.
„Könnte nützlich für Orban sein“
Die ungarische „Blikk“ schreibt, dass „das österreichische Wunderkind nützlich für Orban sein könnte“. Im Gegensatz zu Noch-Kanzler Christian Kern verstehe sich Kurz als Außenminister gut mit seinem ungarischen Amtskollegen Peter Szijjarto. „Noch dazu stehen sich der Standpunkt von Kurz und seiner Partei und der ungarischen Regierung in der Flüchtlingsfrage nahe.“
Österreich sei „ganz klar Ungarns Bündnispartner, nicht nur wegen des Schutz- und Trutzbundes innerhalb der EU, sondern auch wegen der ausgesprochen wichtigen bilateralen Beziehungen“, schreibt die ungarische Zeitung „Magyar Idök“. Ein stabiles und ausgeglichenes Österreich sei für Ungarn ein „wahres Geschenk“ - für die „festgefahrene EU“ ebenso wie für die „Visegrad-Vier“ (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei).
„Revolutionäre“ Wahl
„Kurz konnte die Migration, die für viele Österreicher zum Alptraum und Trauma wurde, zum Wahlschlager machen, obwohl er Außenminister in der Zeit war, in der 100.000 Migranten nach Österreich gekommen sind“, schreibt die tschechische „Mlada fronta Dnes“. „Österreich war nie ein Revolutionsland. Die gestrige Wahl war aber revolutionär. Sie verstärkte die Rechte so, dass sie den Weg für eine eventuelle Regierung der ÖVP und FPÖ geebnet hat“, heißt es in der tschechischen „Lidove noviny“.
„Österreich wendet das Blatt“
„Österreich wendet das Blatt und bereitet sich darauf vor, die Machtverhältnisse in Europa auf den Kopf zu stellen“, schreibt die italienische Zeitung „La Repubblica“. „Eine Regierung Kurz-Strache wäre das am stärksten rechtsorientierte Kabinett in ganz Europa“, schreibt „Il Giornale“.
Ähnlich der Tenor des „Corriere della Sera“: „Im Herzen Europas gibt es ein reiches, kleines Land, das wegen seiner Kultur, Geschichte und Tradition besonders relevant ist, in dem sechs von zehn Bürgern zu einem politischen Vorschlag Ja gesagt haben, der exklusiv auf Ablehnung der Einwanderung, Kampf gegen die islamische Bedrohung und null Toleranz gegenüber Flüchtlingen basiert. Das ist ein klares Signal dafür, wie in Europa die Trennlinie zwischen konservativen und rechtsextremen Kräften immer dünner wird. Immer mehr gemäßigte Parteien sind bereit, die harte Linie in puncto Migranten, Islam und interne Sicherheit zu beschreiten“..
„Jung und schön: Sebastian Kurz ist die alpine Variante von Emmanuel Macron, Justin Trudeau und Leo Varadkar. Sie sind alle Beispiele einer Welle der Generationenverjüngung in Europa und im Westen“, schreibt „La Stampa“. Italien müsse bereit sein, mit der neuen österreichischen Regierung auf bilateraler Ebene zu verhandeln „und dies im Geist voller Kooperation, wenn möglich. Wenn nicht, soll es zu einem harten Konfrontationskurs kommen. Im Europa von Schengen gibt es keinen Platz für einen dem Verkehr verschlossenen Brenner.“
„Könnte stürmische Reaktion auslösen“
„Eine Übereinkunft zwischen der ÖVP und der extremen Rechten gilt als ganz und gar nicht unwahrscheinlich, könnte aber dieselben stürmische Reaktion auslösen, die es auch schon im Jahr 2000 bei dieser Koalitionsvariante gegeben hatte“, schreibt der französische „Figaro“. „Die beiden Parteien können einander zwar nicht ausstehen, surfen aber auf derselben flüchtlingsfeindlichen Welle“, so die französische „Liberation“ zu ÖVP und FPÖ.
Die britische „Daily Mail“ befürchtet „neue Kopfschmerzen für Brüssel (...), während es sich noch mit dem Brexit, dem steigenden Nationalismus in Deutschland, Polen, Ungarn und anderswo quält“. Der britische „Guardian“ schreibt, dass Österreich dabei sei, „nach rechts zu kippen“.
„Ähnliche Prozesse“ in Europa erwartet
„Konservativer Sieg und Aufstieg der Ultrarechten in Österreich. Die Österreicher wollen etwas Neues, und Kurz scheint bezüglich einer Koalition mit der FPÖ keine Vorbehalte zu haben“, schreibt die spanische „El Mundo“. Ähnlicher Tenor in der spanischen Zeitung „ABC“: „Die Konservativen gewinnen und öffnen die Tür für eine Allianz mit den Rechtsextremen. (...) Viele Beobachter meinen, dass dieser starke Rechtsruck in Österreich ähnliche Prozesse in weiteren europäischen Ländern erwarten lässt, was den Anfang vom Ende der politischen und kulturellen Hegemonie der Sozialdemokratie bedeuten würde.“
„Österreich legt sich wieder in die Arme der Rechten. Österreich wird ab jetzt ein konservativeres und verschlosseneres Land sein“, schreibt die spanische „El Periodico“. Im Gegensatz zu anderen Ländern in der Europäischen Union sei die „Präsenz der Ultrarechten keine Anomalie. Man ekelt sich nicht davor, mit ihnen zu paktieren.“
„Binsenweisheiten in den Wind geschlagen“
Kurz habe „Binsenweisheiten zum Umgang mit Populisten in den Wind geschlagen“, kommentierte die Europaausgabe des US-Magazins „Politico“ den Erfolg von Kurz: „Kurz, der die fade ÖVP in den vergangenen Monaten nach Belieben umgestaltete, ja sogar die Parteifarbe von Schwarz zu einem dezenten Türkis änderte, bewies, dass das Klonen von populistischen Positionen unter dem richtigen Anführer zum Erfolg führen kann.“ Auf diese Weise scheine er die Wähler davon überzeugt zu haben, dass er und seine Partei Proponenten des Wandels seien.
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