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Robert Oerley, der Eigensinnige

Robert Oerley gilt als Pionier der Sachlichkeit in der Architektur nach 1900. Nach dem Ersten Weltkrieg plante er im Roten Wien Gemeindebauten, andere Bauten tragen secessionistische Züge. Die Gebäude in Ankara sind seinem Spätwerk zuzurechnen.

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Als Oerleys (geboren 1876) wichtigstes Bauwerk in Wien gilt das Sanatorium Luithlen in der Auerspergstraße 9 in der Josefstadt, das in den Jahren 1907 und 1908 errichtet wurde und das als eines der frühesten ornamentlosen Bauwerke Wiens gilt. Adolf Loos’ skandalträchtiges Haus auf dem Michaelerplatz wurde zwei Jahre später fertiggestellt.

Mit dem Sanatorium, das später Studentenheim war und heute ein Luxushotel ist, nahm Oerley in der Architektur deutliche Bezüge zur Funktion des Gebäudes. Die Planung war den betrieblichen Notwendigkeiten des Sanatoriums für Haut- und Geschlechtskrankheiten streng unterworfen.

Das ehemalige Sanatorium Luithlen in Wien

ORF.at/Christian Öser

Das Sanatorium Luithlen in der Auerspergstraße 9

Gelernter Tischler

Oerley beschäftigte sich mit moderner Haustechnik ebenso, wie er als gelernter Tischler einen Zugang zu Inneneinrichtungen hatte. Die schmucklose Fassade mit ihrer klaren Rhythmik und der horizontalen Gliederung gilt als bahnbrechend.

Oerleys eigenwillige Formensprache ist auch seinem großteils autodidaktischen Zugang zu Architektur geschuldet. Nach seiner Tischlerausbildung im väterlichen Betrieb widmete er sich an der Kunstgewerbeschule vorwiegend der Malerei und der Grafik und war als Aquarellmaler tätig. Er bereiste ab 1896 zwei Jahre lang Europa.

Mit dem Erwerb der Baumeisterkonzession begann kurz nach 1900 Oerleys Laufbahn als Architekt. Zunächst von der typischen Jahrhundertwendearchitektur inspiriert, entwickelte Oerley eine sehr eigene Sprache. Seine Bauten waren zwar oft von einer großen Sachlichkeit geprägt, doch insbesondere bei seinen Villen, von denen zahlreiche im Währinger Cottage-Viertel entstanden, setzte er auf sehr romantische Elemente, die durchaus auf Rückschlüsse auf seine Zeit als Aquarellmaler zulassen.

Wien und der Sinn für Baukunst

Oerley entwarf aber auch Fabrikshallen sowie Miets- und Geschäftshäuser mit hohem Wiedererkennungswert, wie in der Wiener Weyrgasse im dritten Bezirk. Er war publizistisch für die Zeitung „Der Architekt“ tätig und wurde 1912 zum Präsidenten der Secession gewählt. Die Fachpresse wusste Oerleys Werk, das oft unter seinem Wert geschlagen wurde, entsprechend zu würdigen. „Hätten die Wiener Sinn für Baukunst, müsste Oerley der populärste von allen Wiener Architekten sein“, befand die Zeitung „Bau- und Werkkunst“ im Jahr 1924 anlässlich Oerleys Beitrag zur Jagdausstellung in Wien.

Der Hanusch-Hof in Wien

ORF.at/Christian Öser

Der Gemeindebau Hanusch-Hof in Wien-Landstraße

Im Ersten Weltkrieg verwundet, bewies Oerley nach dem Krieg seine Vielseitigkeit auch im Dienst des Roten Wien. Für die Stadt Wien realisierte er in den 1920er Jahren die Gemeindebauten Hanusch-Hof in Wien-Landstraße und den George-Washington-Hof in Favoriten, der kurz vor seinen Aktivitäten in Ankara fertiggestellt wurde.

In der Türkei war Oerley ab 1928 zunächst für den Entwurf der Kizilay-Generaldirektion zuständig - die Zentrale des Roten Halbmonds. Sein fortschrittlicher Entwurf für das Sanatorium Luithlen in Wien brachte ihm den Ruf als Architekturexperte im Gesundheitsbereich ein. Das Refik-Saydam-Hygieneinstitut, das er gemeinsam mit Theodor Jost entwarf, und das Numune-Krankenhaus sind weitere Werke Oerleys in Ankara. Hinzu kam die Markthalle Ulus im gleichnamigen Bezirk, die noch heute in Betrieb ist. In Ankara wirkte er bis 1933.

Tod vor der Secession

Ab den mittleren 1930er Jahren nahm Oerleys planerische Tätigkeit wesentlich ab. Im Jahr 1942 realisierte er in Penzing als letztes dokumentiertes Projekt einen Kindergarten für die Stadt Wien. Oerley verstarb 70-jährig im Jahr 1945 - er war nach dem Verlassen der Secession von einem Fahrzeug niedergestoßen worden.

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