Streit vor Gericht läuft seit zwei Jahren
Seit gut zwei Jahren läuft der Streit über die Umverteilung von Flüchtlingen bereits - fast so lange ist eine Klage gegen das damals beschlossene Programm anhängig. Die Slowakei und Ungarn wollen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg den entsprechenden Beschuss für nichtig erklärt. Am Mittwoch wird darüber nun endgültig entschieden.
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Um die Verteilung schutzbedürftiger Flüchtlinge innerhalb der EU möglichst gerecht zu gestalten, hatte der EU-Rat eine Quotenlösung ins Leben gerufen. Der Ansatz: 160.000 Menschen aus Griechenland und Italien auf andere EU-Mitglieder zu verteilen. Der nun strittige Beschluss über die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen vom September 2015 ist mit Mehrheit gefasst worden, auch Österreich stimmte damals dafür. Bereits zuvor hatte sich eine Reihe von EU-Staaten freiwillig verpflichtet, 40.000 Menschen aufzunehmen.
Klage gegen Beschluss eingereicht
Aber nicht alle fanden den Ansatz, auf diese Weise Griechenland und Italien zu entlasten, gut: Slowakei, Ungarn, Tschechien und Rumänien waren für den Beschluss über die Zukunft von 120.000 Flüchtlingen nicht zu haben. Doch betroffen waren sie durch den Beschluss trotzdem, worauf Ungarn und die Slowakei Klage dagegen einreichten. Ihre Argumentation: Die Umverteilung sei keine geeignete Reaktion auf die Flüchtlingskrise, und der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sei als Grundlage ungenügend.
Als Kläger verweisen sie darauf, dass eine solche Maßnahme nur mit einem formellen EU-Gesetz mit Einbindung der nationalen Parlamente rechtmäßig hätte beschlossen werden können. Polen schlug sich auf die Seite der Kläger. Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Schweden und die EU-Kommission stehen hinter dem EU-Rat. Laut dem Vertragswerk, auf das sich diese Länder berufen, sind bei einer „Notlage“ einzelner Länder wegen der Zuwanderung von Flüchtlingen „vorläufige Maßnahmen zugunsten der betreffenden Mitgliedsstaaten“ erlaubt.

APA/AFP/Louisa Gouliamaki
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Gutachter empfahl Abweisung
Eine Tendenz, wie das Urteil ausfallen könnte, gibt es bereits. EuGH-Generalanwalt Yves Bot schlug den Richtern im Juli vor, die Klage abzuweisen. Die Ratsentscheidung sei ausreichend, alle befristeten Maßnahmen dürften durch den Rat erlassen werden, so Bot. Ein Beschluss durch nationale Parlamente sei nicht erforderlich gewesen. Mit der Weigerung hätten die Slowakei und Ungarn gegen die Pflicht zur Solidarität zu gerechten Lastteilung verstoßen, so Bot. Gebunden ist der EuGH allerdings an Bots Empfehlung nicht - meistens folgt das Gericht aber den Empfehlungen seiner Generalanwälte.
Nur 27.600 Menschen „umverteilt“
Abgesehen von der anstehenden Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Programms sind die tatsächlichen Fortschritte mehr als bescheiden: Nur 27.600 Menschen konnten bis jetzt in andere Mitgliedsstaaten übersiedeln. 8.402 kamen dabei aus Italien und 19.243 aus Griechenland. Dabei sollte die Umverteilung eigentlich in drei Wochen komplett abgeschlossen sein - davon ist man derzeit weit entfernt. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos stellte bereits vor längerer Zeit klar, dass der Stichtag nicht ein Ende der Verteilung der Aufnahmen bedeutet.
Bis heute haben weder Ungarn noch Polen einen einzigen Flüchtling aus dem Programm aufgenommen. Sie müssten nach den festgelegten Quoten 1.294 beziehungsweise 6.182 Asylwerber aus Griechenland und Italien aufnehmen. Die Slowakei, deren Quote bei 902 Flüchtlingen liegt, hat bisher 16 Flüchtlinge aus Griechenland aufgenommen - offenbar als Zeichen guten Willens im Vorfeld der EU-Ratspräsidentschaft im Vorjahr.
Auch Österreich äußerst säumig
Auch eine Reihe anderer EU-Staaten liegt noch weit hinter den festgelegten Zielen zurück. Dazu gehört auch Österreich: zuletzt wurden die 15 ersten Personen aufgenommen - 14 junge Erwachsene und ein Neugeborenes aus Eritrea und Syrien. Doch das Ziel ist damit freilich noch lange nicht erreicht: Dieses wurde mit dem Beschluss für Österreich mit 1.953 festgesetzt. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte zunächst mit nur 50 Asylwerbern beginnen wollen. Der SPÖ war selbst das zu viel, Bundeskanzler Christian Kern konnte in Brüssel aber keine Ausnahme von zugesagten Verpflichtungen erreichen.
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Valentin Simettinger, ORF.at, aus Brüssel