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„Grenzenloser Krieg“

Nordkoreas Militär hat den Vereinigten Staaten mit einem Raketenangriff auf die US-Pazifikinsel Guam gedroht und damit einen der gefährlichsten Konflikte der Welt weiter angeheizt. Ein solcher Erstschlag sei möglich, wenn es Anzeichen für eine Provokation vonseiten der USA gebe, so ein nordkoreanischer Militärsprecher in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA verbreiteten Mitteilung am Mittwoch.

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Die Führung des Militärregimes in Pjöngjang prüfe sorgfältig eine Strategie für einen Angriff mit einer Mittel- oder Langstreckenrakete auf Guam, hieß es weiter. Bei Guam handelt es sich um ein US-Außengebiet mit einem Luftwaffenstützpunkt. Ein solcher Plan werde umgesetzt, sobald Machthaber Kim Jong Un das befehle, hieß es vonseiten des nordkoreanischen Militärs.

Karte zeigt die Insel Guam

Map Resources/ORF.at

In einer weiteren Stellungnahme kündigte ein nordkoreanischer Militärsprecher laut KCNA an, auf einen möglichen „Präventivkrieg“ der US-Streitkräfte mit einem „grenzenlosen Krieg“ zu reagieren, der „sämtliche Stützpunkte des Gegners ausrotten wird, auch auf dem US-Festland“.

„Rücksichtslose militärische Provokation“

Die Streitkräfte zögen eine solche Attacke „ernsthaft in Erwägung“, verkündete KCNA am Mittwoch. Zuvor hatten Berichte über große Fortschritte des Staates bei seinem Atom- und Raketenprogramm das Ausland beunruhigt. Die USA sollten ihre „rücksichtslosen militärischen Provokationen“ unterlassen, sodass man nicht „gezwungen“ sei, eine „unvermeidliche militärische Entscheidung“ zu treffen, sagte ein Armeesprecher laut KCNA.

Start einer Hwasong-14-Rakete

APA/AP/Korean Central News Agency

Der nordkoreanische Raketentest Ende Juli zog scharfe internationale Reaktionen nach sich

Trump droht mit „Feuer und Wut“

Die Stellungnahme aus Pjöngjang kam nur wenige Stunden, nachdem US-Präsident Donald Trump Nordkorea indirekt militärische Gewalt angedroht hatte. Wenn Nordkorea seine Drohungen fortsetze, werde diesen „begegnet mit Feuer, Wut und Macht, wie die Welt es so noch nicht gesehen hat“, so Trump am Dienstag.

Pjöngjang: Guam „Ausgangspunkt für Invasion“

Die von KCNA zitierten nordkoreanischen Drohungen nehmen direkt Bezug auf die US-Luftwaffenbasis Anderson auf Guam, von der die Vereinigten Staaten immer wieder strategische B-1-Bomber zu Militärmanövern auf die koreanische Halbinsel entsenden. Erwogen werde ein Angriff mit ballistischen Raketen des Typs Hwasong-12, um die US-Streitkräfte auf Guam und ihre dort stationierten Bomber in Schach zu halten - schließlich sei die Insel der potenzielle „Ausgangspunkt für eine Invasion Nordkoreas“.

Pjöngjang rechtfertigte das mit einer Mobilisierung des US-Atomwaffenarsenals sowie jüngsten US-Raketentests und Übungen mit Langstreckenbombern über Südkorea. „Solche Militärmanöver der USA könnten in der momentan extrem heiklen Situation auf der koreanischen Halbinsel einen gefährlichen Konflikt provozieren“, hieß es.

Nordkorea habe für die Entwicklung seiner strategischen Waffen „alles riskiert“ und nutze sie „weder als Faustpfand, um Anerkennung von Dritten zu bekommen, noch für irgendeinen Tauschhandel“. Vielmehr seien sie „ein wichtiges militärisches Mittel, um entschlossen den politischen und wirtschaftlichen Druck der USA sowie ihre militärischen Drohungen zu kontern“. Die Frage sei, „ob nur die USA die Option eines von ihnen so genannten Präventivkriegs haben“.

Gouverneur von Guam gibt sich gelassen

Guams Gouverneur Eddie Calvo reagierte gelassen. Guam sei „auf alle Eventualitäten vorbereitet“, sagte Calvo am Mittwoch in einer Fernsehansprache. Die Pazifikinsel arbeite eng mit der Regierung in Washington zusammen, „um unsere Sicherheit zu gewährleisten“. Zum Schutz der Insel seien dort „mehrere Verteidigungsebenen“ installiert.

Auf der Insel im Westpazifik sind rund 6.000 US-Soldaten stationiert. Neben dem strategisch wichtigen Luftwaffenstützpunkt Andersen gibt es auf Guam auch eine US-Marinebasis. Calvo sagte, aktuell bestehe keine konkrete Bedrohung für die Insel oder die benachbarten Nördlichen Marianen. Das habe ihm die für die Region zuständige US-Befehlshaberin Konteradmiralin Shoshana Chatfield bestätigt. Das Weiße Haus habe versichert, dass ein Raketenangriff auf Guam als Angriff auf die Vereinigten Staaten gewertet werde. Guam sei „amerikanischer Boden“ und „nicht nur eine Militäreinrichtung“, sagte Calvo.

„Washington Post“: Bombe klein genug für Rakete

Inzwischen ist Nordkorea nach Erkenntnissen der USA und Japans in der Lage, Raketen mit kleinen Atomsprengköpfen zu bestücken - auch Interkontinentalraketen. Wie die „Washington Post“ am Dienstag unter Berufung auf Geheimdienstquellen berichtete, habe Nordkorea nach Einschätzung des Geheimdienstes Defence Intelligence Agency (DIA) bei seinem Atom- und Raketenprogramm viel schnellere Fortschritte gemacht als bisher angenommen. Nordkorea sei einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur vollwertigen Atommacht gegangen, berichtete die Zeitung. Ein in Tokio veröffentlichtes Weißbuch des japanischen Verteidigungsministeriums kommt zu dem gleichen Schluss.

Der Konflikt mit Nordkorea gilt als der derzeit gefährlichste der Welt. Japan und Südkorea sind Verbündete der USA, des Erzfeindes der Führung in Pjöngjang. Beide Länder fühlen sich durch das Atom- und Raketenprogramm Nordkoreas zunehmend bedroht.

Bisher schärfste UNO-Sanktionen

In Seoul hat das konkrete Folgen: Unter dem Eindruck der Gefahr aus dem Norden rief Südkoreas Präsident Moon Jae zu einer tiefgreifenden Reform der eigenen Streitkräfte auf. Australiens Premierminister Malcolm Turnbull warnte eindringlich vor einer kriegerischen Eskalation der Lage. „Ein Konflikt wäre vernichtend“, sagte Turnbull vor Journalisten in Canberra. „Er hätte katastrophale Konsequenzen. Das ist uns allen klar.“

Trotz Verboten des UNO-Sicherheitsrates und Warnungen aus dem Ausland hatte Nordkorea am 28. Juli eine Interkontinentalrakete getestet. Diese hatte nach Berechnungen von Experten eine theoretische Reichweite von rund 10.000 Kilometern. Nordkoreas Staatschef Kim sagte nach dem Test, das Festland der USA sei jetzt in Reichweite. Als Reaktion auf den Raketentest verhängte der UNO-Sicherheitsrat die bisher schärfsten Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea.

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