Ohne Ausstoß bis Mitte des Jahrhunderts
Die britische Regierung hat am Mittwoch verkündet, was Europas Autohersteller schon seit Längerem befürchtet hatten: Ein weiteres Land zieht mit einem Bann für konventionelle Automotoren nach. Erst Anfang des Monats hatte Frankreich bekanntgegeben, den Verkauf von Verbrennungsmotoren bis 2040 einzustellen. In Norwegen sollen Neufahrzeuge schon 2025 emissionsfrei sein.
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Ab dem Jahr 2040 will Großbritannien den Verkauf neuer Autos mit Diesel- oder Benzinantrieb verbieten. Bis 2050 sollen sie aus dem Straßenbild verschwunden sein, sagte am Mittwoch der britische Umweltminister Michael Gove. Die Maßnahmen sind Teil eines mit Spannung erwarteten Klimaschutzplans der konservativen Regierung in London, mit dem die hohen Schadstoffwerte gesenkt werden sollen.
Die Regierung war nach einigen Gerichtsverfahren, die Umweltschutzgruppen angestrengt hatten, unter Druck geraten. Der Oberste Gerichtshof des Landes hatte die britische Regierung schließlich aufgefordert, entsprechende Maßnahmen vorzulegen.
Auch Hybridautos betroffen
Bereits im Mai entwickelte sie eine Verschrottungsprämie, um die größten Umweltsünder unter den Autos loszuwerden. Nun bestätigte Gove, dass bis 2050 keine Verbrennungsmotoren mehr auf den Straßen unterwegs sein sollen - und das betrifft auch Hybridfahrzeuge. Solche Fahrzeuge sind neben einem Elektro- auch mit einem Benzin- oder Dieselmotor ausgestattet.
Umweltschutzgruppen kritisierten, dass die Pläne der Regierung im Kampf gegen die aktuelle Luftverschmutzung ungenügend seien. Zwar sei das Fahrverbot gut für Schlagzeilen, „aber in Wirklichkeit bedeutet es, dass die Kinder im Vereinigten Königreich noch über Jahre schädlicher Luftverschmutzung ausgesetzt sind“, sagte Greenpeace-Vertreterin Areeba Hamid.
Reichweite und Kosten als Abschreckung
Die Vereinigung der Motorenhersteller und -händler (SMMT) warnte hingegen vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. „Zwar wächst derzeit der Bedarf nach Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, allerdings nur auf einem sehr niedrigen Niveau“, so SMMT-Chef Mike Hawes. Gründe seien die Sorgen der Verbraucher hinsichtlich der Kosten von Elektrofahrzeugen, deren Reichweite sowie der Versorgung mit Ladestationen.
Für Straßen mit besonders hohen Emissionen will die britische Regierung lokalen Behörden 200 Mio. Pfund (224 Mio. Euro) zur Verfügung stellen. Großbritannien geht von rund 40.000 vorzeitigen Todesfällen jährlich im Land aufgrund der Luftverschmutzung aus. Bei Verbrennungsprozessen in Motoren entstehen unter anderem gesundheitsschädliche Stickoxide wie etwa N02. Sie können zum Beispiel Herz und Kreislauf beeinträchtigen.
Frankreich und Norwegen mit ehrgeizigen Plänen
Nun begibt sich Großbritannien mit dem geplanten Bann auf denselben Weg, den Frankreich schon Anfang des Monats eingeschlagen hat. Das Land will ebenfalls bis spätestens 2040 den Verkauf von Diesel- und Benzinautos verbieten. Auch hier soll eine Verschrottungsprämie erste Anreize schaffen. Übergreifendes Ziel des französischen Klimaplans ist es, dass Frankreich bis 2050 CO2-neutral wird. Es wird nur so viel Kohlendioxid ausgestoßen, wie gleichzeitig etwa durch Wälder aus der Atmosphäre geholt werden kann.
Noch ehrgeiziger will Norwegen seinen so bezeichneten „grünen" Wandel“ einleiten. Regierungschefin Erna Solberg bekundete vergangenes Jahr die Absicht, ab 2025 nur noch emissionsfreie Neufahrzeuge zuzulassen. Von einem strikten Dieselverbot rückte die Regierung später etwas ab. Um den Autofahrern den Wechsel zu Elektrofahrzeugen schmackhaft zu machen, soll das Fahren mit Diesel- und Benzinantrieben teurer werden. Gleichzeitig wird die jährliche Kfz-Steuer reduziert. „Es soll billiger werden, ein Auto zu besitzen, aber teurer, die Luft zu verschmutzen“, sagte Solberg.
Etliche Städte sagen Adieu zu Diesel
Auf der Ebene der Städte sind die Anstrengungen schon weiter fortgeschritten. Paris, Madrid und Athen wollen bis zum Jahr 2025 sämtliche Dieselfahrzeuge aus ihren Städten verbannen. London, wo die jährliche Luftverschmutzungsgrenze der EU in diesem Jahr schon am 5. Jänner überschritten wurde, will bis 2020 eine große Umweltzone einführen. Schadstoffreiche Fahrzeuge sollen daraus verbannt werden - es sei denn, die Fahrer zahlen eine City-Maut. Bürgermeister Sadiq Khan sagte: „Die Luft in London ist ein Killer.“

APA/AFP/Leon Neal
Luftverschmutzung in London: Bereits im Jänner wurde der Jahresgrenzwert überschritten
In Deutschland diskutieren derzeit ebenfalls einige große Städte mögliche Verbote. Vor allem um das durch seine Kessellage von schlechten Luftwerten betroffene Stuttgart tobt ein Streit. Hier soll bald das Stuttgarter Verwaltungsgericht entscheiden, ob die Autohersteller stärker in die Pflicht zu nehmen sind, um die Luftqualität zu verbessern. Ein Verbot für ältere Dieselautos ab 2018 ist möglich. Auch in anderen Städten wie München ist die Debatte über Dieselverbote im Gange. Zudem bereitet sich Berlin auf einen großen „Dieselgipfel“ Anfang August vor, der Lösungen diskutieren soll. Ein deutschlandweites Verbot sei nicht das Ziel, wie es am Mittwoch auch aus Berlin hieß.
In Österreich kein Thema
Auch in Österreich steht ein landesweites Verbot nicht zur Debatte. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hält es für realistisch, dass bereits ab dem Jahr 2030 keine Neuwagen mehr mit Diesel- oder Benzinmotor verkauft werden, hieß es am Mittwoch. Der Club forderte daher einen Zeitplan für den Ausstieg, wie es andere Staaten vorzeigen. Doch hier dreht sich der Streit vor allem um die passende Besteuerung von Diesel und Benzin. Einer raschen Maßnahme erteilte am Mittwoch Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) eine Absage: Das Thema wolle er nicht mehr einzeln, sondern nur gesamthaft diskutieren, das heißt nur im Rahmen einer Ökologisierung des gesamten Steuer- und Abgabensystems, so Rupprechter im Ö1-Mittagsjournal.
Verbote für ältere Dieselmodelle wurden in Österreichs Städten bisher nur angedacht. In Graz wurde eine dafür notwendige Umweltzone von der Bevölkerung abgelehnt, in Wien setzen sich die Grünen für eine solche Zone ein. Besonders schadstoffreiche Fahrzeuge dürften dann nicht mehr in bestimmte Stadtgebiete einfahren. Die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou hatte im Februar eine Studie in Auftrag gegeben, die untersuchen soll, in welcher Form eine Feinstaubzone eingerichtet werden könnte. Das Ergebnis der Studie soll im Herbst diskutiert werden.
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