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Regionalkreis-, Landes- und Bundeslisten: Wer als Kandidatin oder Kandidat in den österreichischen Nationalrat einziehen will, kann dazu unterschiedliche Wege wählen. Laut der Nationalratswahlordnung werden die gültigen Stimmen in einem dreistufigen Verfahren auf die insgesamt 183 Mandate verteilt.

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Den Anfang machen dabei die insgesamt 39 Wahlkreise. Die Zahl der Mandate pro Wahlkreis entspricht dabei dem Anteil der dortigen Einwohner an der Gesamtbevölkerung Österreichs. Je mehr Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft in einem Regionalwahlkreis gemeldet sind, desto mehr Mandate werden dort verteilt: Im dünn besiedelten Wahlkreis Osttirol zum Beispiel nur eines, im einwohnerstärksten Wahlkreis Graz und Umgebung neun.

Faktor Wahlzahl

Wie viele Stimmen für ein Mandat nötig sind, lässt sich aber erst nach der Wahl sagen. Entscheidend ist die Wahlzahl, die sich aus den pro Bundesland abgegeben gültigen Stimmen ergibt. Sie werden durch die Zahl der in dem jeweiligen Bundesland zu vergebenen Mandate dividiert. Das ergibt dann die Anzahl an Stimmen, die für ein Direktmandat in einem Wahlkreis nötig sind. Und es macht verständlich, warum kleine Parteien hier kaum zum Zug kommen.

Bei der Nationalratswahl 2013 betrug die Wahlzahl in Tirol zum Beispiel 23.664 Stimmen. Im Wahlkreis Unterland kam die ÖVP mit 26.833 Stimmen als einzige Partei über diese Grenze. Somit bekam die Person, die auf der ÖVP-Regionalkreiswahlliste erstgereiht war, ein Mandat. Die Kandidaten auf den Regionallisten der anderen Parteien gingen leer aus - obwohl dem Wahlkreis Unterland aufgrund der Bevölkerungsanzahl eigentlich vier Mandate zugeordnet sind.

Aufteilung des Rests

Auf diese Weise können also nicht alle Sitze im Parlament verteilt werden. Es bleibt ein bedeutender Rest. Hier kommt das zweite Ermittlungsverfahren, wie es in der Wahlordnung heißt, ins Spiel. Die Stimmen, die eine Partei landesweit bekommen hat, werden ebenfalls durch die Wahlzahl dividiert. Kommt eine Partei auf mehr Mandate, als sie zuvor Direktmandate in allen Wahlkreisen des Landes bekommen hat, erhält sie nun Landesmandate. Diesmal kommen die Kandidatinnen und Kandidaten zum Zug, die auf den Landeslisten stehen.

Aber auch nach dieser Runde bleiben Mandate übrig. Sie werden im dritten Ermittlungsverfahren auf Bundesebene verteilt. Hier hat sich die Republik allerdings für ein etwas anderes Berechnungssystem entschieden, benannt nach dem belgischen Juristen Victor D’Hondt: Die bundesweiten Ergebnisse der Parteien, die entweder mindestens ein Direktmandat oder österreichweit zumindest vier Prozent aller Stimmen bekommen haben, werden nebeneinander geschrieben und zuerst durch zwei, dann durch drei, dann durch vier usw. dividiert.

Anschließend werden die Ergebnisse der Größe nach gereiht, bis so viele Zahlen untereinander stehen, wie insgesamt Mandate zu vergeben sind - bei Nationalratswahlen also 183. Die kleinste dieser Zahlen ist die Wahlzahl. Durch sie werden die Stimmen für jede Partei geteilt, was erneut eine Mandatszahl ergibt. Diese wird mit den in den ersten beiden Ermittlungsverfahren erhaltenen Sitzen verglichen - und die Differenz mit den Kandidatinnen und Kandidaten auf der Bundesliste aufgefüllt.

Sonderfall Überhang

Hat eine Partei in den Wahlkreisen und auf Landesebene bereits mehr Mandate erhalten, als ihr nach dem D’Hondtschen Verfahren zustehen würde, darf sie diese dennoch behalten. Man spricht dann von Überhangmandaten. Bei der Verteilung der Restmandate wird sie nicht mehr berücksichtigt. Doch auch jedes Mandat, das sie „zu viel“ hat, wird von den unter den anderen Parteien aufzuteilenden Mandaten abgezogen.

Eine Partei, die so den Mitbewerbern Sitze „wegnehmen“ kann, wird sich über Überhangmandate freuen. Bei ihren Kandidatinnen und Kandidaten, die allein über die Bundesliste auf einen Einzug in den Nationalrat gehofft hätten, würde sich die Freude aber wohl in Grenzen halten. Die Bundesliste wäre in diesem Fall schlicht umsonst. Tatsächlich war die Möglichkeit bisher aber ohnehin nur eine theoretische. Überhangmandate hat bei Nationalratswahlen in Österreich noch keine Partei erlangt.

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