Deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2016
Die Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die seit Anfang 2017 über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, ist gegenüber dem Vorjahr klar gestiegen. 85.183 erreichten die italienische Küste seit Jahresbeginn, das sind 19,5 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, wie das Innenministerium in Rom am Montag mitteilte.
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Die meisten der in diesem Jahr eingetroffenen Flüchtlinge stammen aus Nigeria, Bangladesch, der Elfenbeinküste und Gambia. Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen unter den in Italien angekommenen Flüchtlingen wurde vom Ministerium mit 9.781 beziffert. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind heuer 85 Prozent aller Flüchtlinge, die über das Meer Europa erreichten, in Italien angekommen. Der Rest der bisher insgesamt 101.210 Flüchtlinge verteilte sich auf Griechenland (9.290), Spanien (6.464) und Zypern (273), wie IOM am Dienstag weiter mitteilte.
Laut IOM ist 2017 das vierte Jahr in Folge, in dem mehr als 2.000 Menschen ihr Leben im Mittelmeer verloren. Diese Zahl wurde den Angaben zufolge seit Jänner allein auf der zentralen Route zwischen Libyen und Italien bereits überschritten. Hilfsorganisationen wiesen darauf hin, dass die Zahl der Toten im Mittelmeer weit höher liegen könnte, da nicht jeder Schiffbruch entdeckt werde.
Neues Rekordhoch erwartet
Von der italienischen Regierung wurde zuletzt die für das Gesamtjahr geschätzte Zahl von Flüchtlingsankünften von 200.000 auf 220.000 erhöht. 2016 wurde der bisherige Höchststand von 181.000 Flüchtlingen registriert, im Jahr zuvor erreichten 170.000 Menschen Italien.
Italien versorgt derzeit rund 180.000 Flüchtlinge in „Hotspots“ und anderen Einrichtungen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde in den vergangenen vier Jahren die Zahl der Flüchtlingsunterkünfte zwar mehr als verfünffacht - es fehlt dennoch weiter an ausreichend Platz, weswegen die Regierung derzeit 20.000 zusätzliche Unterkünfte sucht.
Kasernen, Turnhallen, Schulen
Innenminister Marco Minniti, dem zufolge einige Regionen mehr als andere ihre Pflichten erfüllen, drängt auf eine faire Lastenverteilung der Flüchtlingsversorgung innerhalb Italiens. Ein Plan des Innenministeriums sieht vor, dass jede italienische Gemeinde 2,5 Flüchtlinge pro 1.000 Einwohner versorgen soll. Flüchtlingslager sollen unter anderem in leeren Kasernen, Turnhallen und Schulen eingerichtet werden. Auch in Hotels, auf Campingplätzen und in Feriendörfern sollen Menschen untergebracht werden.
Zunehmender Widerstand in Gemeinden
Bei der Umsetzung des Planes sieht sich die italienische Regierung mit anhaltendem bzw. zunehmenden Widerstand von Regional-, Provinz- und Gemeindevertretern konfrontiert. So hatte vor Kurzem etwa Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi mitgeteilt, dass die italienische Hauptstadt keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen wolle. Nach der Lombardei nahm bisher die Region Latium mit der Hauptstadt Rom und dem süditalienischen Kampanien die meisten Flüchtlinge auf.
Die Regierung erhöhte zuletzt den Druck auf die säumigen Regionen und Gemeinden. Das Innenministerium drohte zudem mit der Aufstellung von Zeltlagern, sollten Gemeinden nicht verstärkt Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung stellen.
„Nicht nur Problem Italiens“
Scharf kritisiert Italiens Regierung die fehlende Unterstützung der EU und von deren Mitgliedsländern. Laut Regierungschef Paolo Gentiloni hat Italien große Aufnahmebereitschaft bewiesen, doch die Integrationskapazitäten des Landes seien nicht unerschöpflich.
Die Rettung und Unterbringung der Flüchtlinge könne „nicht nur ein Problem Italiens“ sein, sagte auch UNO-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Der Sommer habe gerade erst begonnen, sagte Grandi mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen in Schönwetterphasen. „Ohne ein gemeinsames Vorgehen können wir nichts anderes tun, als uns auf weitere Tragödien gefasst zu machen.“
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