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„Das analoge Erlebnis ist mein Thema“

„Das heißt, ich bin jetzt dran“: Martin Kusej übernimmt mit der Saison 2019/2020 das Wiener Burgtheater von Direktorin Karin Bergmann. Der 56-Jährige ist Intendant des Münchner Residenztheaters und galt bereits vor zehn Jahren als Topkandidat auf die Burg-Direktion, zog jedoch gegen Matthias Hartmann den Kürzeren.

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„Ich freue mich, dass der wichtigste Regisseur des Landes das wichtigste Theater des Landes übernehmen wird“, sagte Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ). „Es fühlt sich richtig an, es fühlt sich gut an.“ Kusej erklärte, er habe sich nicht um den Posten beworben - er sei gefragt worden: „Ich fand die Tatsache, dass man mich eingeladen hat, doch eine Art von Werbung und ein klares Statement.“ Am Residenztheater in München, wo er noch bis 2021 als Intendant unter Vertrag ist, habe er eine Ausstiegsklausel.

Martin Kusej

APA/Hans Punz

Martin Kusej „ist dran“: Ab 2019 ist er Direktor des Wiener Burgtheaters

Dennoch sei es für ihn nicht leicht, vom Münchner Residenztheater wegzugehen, das er wieder in die vordersten Positionen des deutschsprachigen Raumes gebracht habe: „Es ist vielleicht sogar eine blöde Entscheidung, dort wegzugehen. Das sind paradiesische Zustände in München.“ Aber wie im Sport gelte es, neue Herausforderungen zu suchen, wenn man weit gekommen sei. Seine Bestellung als Burgtheater-Direktor sei für ihn etwas Besonderes: „Ich kann nicht anders, ich bin halt Österreicher. Und deshalb ist es ein besonderer Job, dass ich jetzt Burgtheater-Direktor werde“, so Kusej: „Ich bin auch stolz darauf, hier als Kärntner Slowene zu stehen - denn das hat sich daheim bei uns niemand gedacht.“

Bekenntnis zu „Schauspieler- und Ensembletheater“

In seinem ersten Statement als designierter Direktor skizzierte Kusej seine Pläne für das Haus - auch wenn er natürlich noch keinen Spielplan präsentieren oder Namen von Ensemblemitgliedern nennen könne: „Ich will Vollgas geben.“ Er stehe für „Veränderung, Irritation und Aufregung“ und bekenne sich „klar zu Schauspieler- und Ensembletheater“, so Kusej - „das analoge Erlebnis ist mein Thema“.

Martin Kusej wird Burgtheater-Direktor

„Ich stehe für Veränderung, Irritation und Aufregung. Und vor allem soll es immer etwas Neues sein“, sagte der designierte Burgtheater-Direktor in der Pressekonferenz.

Er selbst werde als Direktor auch inszenieren und habe vor, eine Produktion im Jahr selbst auf die Bühne zu bringen. Ob er dafür ein extra Regiegehalt bekommen werde, wisse er nicht: Sein Vertrag mit allen Details stehe noch aus. „Sie können davon ausgehen, dass ich nicht so bekloppt bin, mich hier zu bereichern nach dem, was hier passiert ist.“ Ob er weiterhin Opern inszenieren werde, könne er derzeit nicht sagen: „Ich habe eine Opernkrise. Deshalb schaue ich mir genau an, wo es Sinn und Spaß macht.“

„Zeit, wieder politisch zu werden“

Er gebe „als erster Regisseur“ des Hauses die Ästhetik vor, sehe sich aber als „Ermöglicher“, der rundherum andere „Theatersprachen“ zulassen werde. „Es ist in der Tat Zeit, wieder politisch zu werden“, sagte Kusej. „Wir erleben gerade einen weltweiten Siegeszug von Dummheit und Ignoranz.“ Das Theater könne als Ort des Nachdenkens und der Seelenbildung ein Gegenpol dazu sein.

Wichtig sei ihm nicht zuletzt deshalb Kinder- und Jugendtheaterarbeit. Man sei mit einem absehbaren Schwund an jungen Zuschauern, konfrontiert, so Kusej. Das alte System mit „ich hab das Dienstag-Abo und übergeb das an meine Kinder- und Kindeskinder, das funktioniert schon gar nicht mehr“.

Martin Kusej

ORF

Das Burgtheater müsse sich in mehreren Hinsichten öffnen, so Kusej

„Kulturelle Toleranz“ müsse man wichtig nehmen, das Burgtheater müsse sich auch der multikulturellen Realität stellen, internationaler werden und sich für andere Sprachen öffnen. Er meine damit aber „gar nicht, dass man Immigranten oder Gastarbeitertheater macht“, so Kusej. Er könne sich vorstellen, dass Vorstellungen in anderen Sprachen gezeigt würden: „Da steht nichts dagegen.“

Königstorfer als kaufmännischer Direktor verlängert

Gleichzeitig mit der Verpflichtung Kusejs wurde der Vertrag von Thomas Königstorfer als kaufmännischer Geschäftsführer der größten deutschsprachigen Sprechbühne ab 2018 verlängert. Der 50-Jährige setzte sich bei der Ausschreibung unter sechs Bewerbern durch. Drozda bedankte sich bei ihm sowie bei Bergmann für die Arbeit der letzten Jahre. Mit einem Spar- und Aktionsplan sei es gelungen, das Haus wieder solider aufzustellen. Bergmann habe das Haus mit sehr guter, ruhiger und professioneller Hand geführt.

Grafik zeigt die Burgtheater-Direktionen seit 1945

Grafik/Fotos: APA/ORF.at; Quelle: APA

Nach der Ausschreibung für ihre Nachfolge seien elf Personen in die Auswahl gekommen, darunter sieben Männer und vier Frauen. „Ich sage absichtlich nicht Bewerber und Bewerberinnen“, so Drozda, schließlich sei es bei einem derartigen Job durchaus üblich, dass man auch potenzielle Kandidaten ansprechen müsse. Zuletzt im Gespräch waren neben Kusej noch der ehemalige Schauspielhaus-Wien-Leiter Andreas Beck (derzeit Direktor in Basel) sowie auch der deutsche Regisseur Thomas Ostermeier.

Kusej galt schon seit Jahren als Favorit für den Posten. Nicht nur dass seine Inszenierungen im Burgtheater zu jenen zählen, die bei Publikum und Presse gleichermaßen als große Erfolge gefeiert wurden, er genießt auch im Ensemble den nötigen Rückhalt.

Im Groll nach München

Dass er 2007, als die Direktion ausgeschrieben und ab 2009 an Hartmann vergeben wurde, nicht zum Zug kam, hatte Kusej als „kulturpolitischen Eklat“ bezeichnet. Er bescheinigte Österreich eine „unfassbare Perspektivenlosigkeit, was die Kulturpolitik betrifft“ und „wollte in Wien gar nichts werden, schon gar nicht Burgtheater-Direktor“. Mit der Spielzeit 2011/2012 wechselte er stattdessen nach München ans Residenztheater.

Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Christian Kircher, Bundesminister Thomas Drozda und Burgtheater-Direktor Martin Kusej

ORF

Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Christian Kircher, Minister Drozda und der designierte Burgtheater-Direktor Kusej

Nach Hartmanns Entlassung 2014 wegen finanzieller Ungereimtheiten war Kusejs Name erneut der erste, den die Medien als potenziellen Nachfolger reihten - dieses Mal winkte er jedoch ab, erst wenn der Schuldenberg abgebaut sei, würde er hinhören, wenn jemand rufe. 2015 verlängerte er seinen Vertrag in München um weitere fünf Jahre. Nun scheinen sich die Bedingungen aber geändert zu haben - und der Ruf aus Österreich ist angekommen.

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