Ein Kärntner als neuer Burg-Herr
So schließt sich der Kreis: Als Martin Kusej, der einst als aussichtsreichster Nachfolger von Klaus Bachler als Burgtheater-Direktor galt, das Nachsehen gegenüber Matthias Hartmann hatte, bezeichnete er die Vorgehensweise des damaligen Kunststaatssekretärs Franz Morak (ÖVP) als „kulturpolitischen Eklat“. Zehn Jahre später hat er es geschafft: 2019 tritt er die Nachfolge von Karin Bergmann an.
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„Theatermacher der Extreme“, „Theatervisionär“, „Publikumsschocker“ - die Titel, die dem 1961 in Kärnten geborenen Regisseur im Laufe seiner Karriere von den Kritikern verliehen wurden sind zahlreich. Mitte der 1980er Jahre schloss Kusej sein Studium an der Grazer Hochschule für Musik und darstellende Kunst mit einer Diplomarbeit über Robert Wilson und einer Inszenierung namens „Ultramarin“ ab. Die weiten Bühnenräume des texanischen Individualisten hatten es dem jungen Kärntner Talent besonders angetan.

Robert Fischer
Schon mehrmals galt Kusej als Favorit für die Burgtheater-Direktion
Theatertraumpaar Kusej/Zehetgruber
Bis heute entwickelt er seine Inszenierungen auf der Basis eines Raumbildes, das immer von seinem Freund und Bühnenbildner Martin Zehetgruber stammt. Mit diesem hat er auch seine Lehrjahre in der Off-Szene absolviert. „My friend Martin“ nannte sich das kongeniale Doppel. „Kusej und Zehetgruber funktionieren wie ein Räderwerk, bei dem ein Zacken in den anderen greift“, schreibt Georg Diez im Buch „Gegenheimat“ aus der Edition Burgtheater über die beiden. Schon bald hatte das institutionalisierte Theater ein Auge auf Kusej geworfen, der mit seinen gewichtigen Raumkathedralen einen möglichst reichhaltig ausgestatteten und perfekt funktionierenden Theaterapparat gut brauchen konnte.

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Stets an Kusejs Seite: Bühnenbildner Martin Zehetgruber
Zu seinen frühen Inszenierungen zählen etwa: Heiner Müllers „Verkommenes Ufer/Medeamaterial/Landschaft mit Argonauten“ am Experimentellen Theater EG Glej Ljubljana (1987), Horvaths „Glaube, Liebe, Hoffnung“ am Slowenischen Nationaltheater (1990), Grillparzers „Der Traum ein Leben“ am Schauspielhaus Graz (1992) und Schillers „Kabale und Liebe“ am Stadttheater Klagenfurt (1993).
Stuttgart als Schicksalsort
In der Folge wurde Stuttgart zu einem schicksalhaften Ort für Kusej. Friedrich Schirmer, designierter Intendant des Staatstheaters Stuttgart, vertraute ihm 1993 mit Grabbes „Herzog Theodor von Gotland“ die Eröffnungspremiere an. Die Inszenierung stieß zwar beim Stuttgarter Publikum auf wenig Gegenliebe, doch Schirmer hielt an seiner Entdeckung fest und ermöglichte Kusej eine kontinuierliche Arbeit.
Auch Kusejs Karriere als Opernregisseur begann in Stuttgart. Damals lud ihn Klaus Zehetlein ein, Purcells „King Arthur“ (1996) zu inszenieren. Seither war das Doppel Kusej/Zehetgruber an mehreren deutschen Häusern zu Gast. Einen ihrer größten Erfolge landeten die beiden mit Horvaths „Geschichten aus dem Wienerwald“ 1998 in Hamburger Thaliatheater, die 2000 auch zu den Wiener Festwochen eingeladen waren.
Schauspieldirektor in Salzburg
Am Burgtheater inszenierte Kusej viel beachtet Grillparzers „Weh dem, der lügt!“ (1999), Schönherrs „Glaube und Heimat“ (2001) und Horvaths „Glaube Liebe Hoffnung“ (2002). Ein 2004 in Bayreuth geplanter „Parsifal“ ist jedoch geplatzt. Von 2005 bis 2006 war der Regisseur Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele, wo er Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ und in Kooperation mit dem Burgtheater Johann Nepomuk Nestroys Posse „Höllenangst“ zeigte.
Mit Nikolaus Harnoncourt verzeichnete er große Erfolge mit den gemeinsamen Salzburger-Festspiel-Produktionen des „Don Giovanni“ und des „Titus“, die Zürcher „Zauberflöte“ jedoch wurde mit Buhrufen vom Publikum bedacht. Dreimal (2000, 2005 und 2009) wurde er für den Nestroy-Theaterpreis als bester Regisseur nominiert. 2009 erhielt er für seine Inszenierung von Karl Schönherrs Stück „Der Weibsteufel“ am Akademietheater Wien die Auszeichnung.

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„Der Weibsteufel“ mit Nicolas Ofczarek und Birgit Minichmayr wurde 2009 mit dem Nestroy prämiert
Scharfe Kritik an Österreichs Kulturpolitik
Kusej, der bei der Neubesetzung des Burgtheaters nach der Ära Bachler als Favorit galt, dann aber nicht zum Zug kam, fand für die österreichische Kulturpolitik gern harte Worte. In einem Gespräch mit der „Kleinen Zeitung“ 2009 sagte Kusej, er beobachte „seit Jahren einen eklatanten Mangel an klaren Konzepten für die großen Aushängeschilder wie Staatsoper, Burgtheater, Salzburger Festspiele, Wiener Festwochen und ihre Rolle im 21. Jahrhundert. Alles wurde neu besetzt - überall Pfusch und Mittelmaß.“
Dass er Österreich mit einem „Bann“ belege, wies Kusej aber zurück: „Vergessen Sie es, das ist kein Bann. Die Gründe habe ich dargelegt - und das hat mit dem ‚Burgchef‘ aber schon gar nichts zu tun.“ Kusej „wollte in Wien gar nichts werden, schon gar nicht Burgtheaterdirektor“.
Keine vollständige Abkehr von Wien
Ganz aus Wien wegzudenken war Kusej in den vergangenen Jahren dennoch nicht: Gemeinsam mit Harnoncourt brachte er 2008 etwa Igor Strawinskis „The Rake’s Progress“ im Theater an der Wien zur Aufführung.
Seine Intendanz in München eröffnete Kusej mit kräftiger heimischer Unterstützung: Unter den mehr als 50 Ensemblemitgliedern befanden sich mit Birgit Minichmayr, Nicholas Ofczarek, Markus Hering, Andrea Wenzl, Tobias Moretti, Norman Hacker, Werner Wölbern, Paul Wolff-Plottegg und August Zirner auch zahlreiche Österreicher bzw. aus österreichischen Theatern bekannte Darsteller. Eröffnet wurde die erste Spielzeit mit Schnitzlers „Das weite Land“. Zu den Höhepunkten gehörte unter anderem seine „Faust“-Deutung im Jahr 2014.

Residenztheater/Hans Jörg Michel
Mit „Das Weite Land“ eröffnete Kusej das Residenztheater
2016 abgewinkt
Als Hartmann schließlich 2014 aus dem Burgtheater entlassen wurde, kursierte sogleich Kusejs Name in den Feuilletons. Der winkte jedoch ab: „Mein Vertrag hier geht bis zum 31. August 2016, und ich sehe keinen Grund, diese erfolgreiche und aufregende Arbeit vorzeitig zu beenden“, sagte er damals. „Ich kenne das Burgtheater enorm gut und wünsche ihm, dass es sich in Ruhe und Frieden und kreativ wiederfinden und den gigantischen Schuldenberg abbauen kann“, so Kusej damals gegenüber Medien: „Wenn der abgebaut ist, dann höre ich auch wieder hin, wenn jemand ruft.“
Nun hörte Kusej offensichtlich auf die Rufe. Er hatte 2015 zwar seinen Vertrag am Residenztheater bis 2021 verlängert. „Ich bin hier auf keinen Fall fertig“, wurde der Intendant zitiert. Nun wird es doch ein vorzeitiger Abgang: Sein Vertrag am Burgtheater läuft ab Herbst 2019.
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