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Regisseure rufen zu Schutz des Kinos auf

Der Streaming-Anbieter Netflix hat bei den 70. Filmfestspielen in Cannes für Kontroversen gesorgt. Während beide Netflix-Produktionen bei ihren Premieren mit Buhrufen bedacht wurden, appellierten namhafte europäische Regisseure an die EU, die Internetgrößen in die europäische Filmproduktion einzubinden und Regeln für einen fairen Wettbewerb zu fixieren.

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Zu den Unterzeichnern des entsprechenden Aufrufs gehören unter anderem Michael Haneke und Wim Wenders, die belgischen Dardenne-Brüder und Stephen Frears. Damit melden sich die Filmemacher in der Debatte über zwei Netflix-Filme im Cannes-Wettbewerb zu Wort, die die Gemüter auf dem Filmfestival bewegte. In ihrem Aufruf betonen die Filmemacher, es komme mehr denn je darauf an, die Rechte in Europa und das hohe Niveau der Filmförderung zu garantieren, die es für europäische Werke gebe. Das gelte insbesondere für schwächer aufgestellte Produktionen.

„Das Recht der Künstler, von ihrer Kunst leben zu können, muss bewahrt und gestärkt werden“, heißt es in dem Aufruf: „Die Einbindung der Internetgiganten in die europäische Filmindustrie ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Kinos.“ Dabei müsse Europa die Spielregeln für einen fairen Wettbewerb fixieren. „Die Herausforderungen sind enorm, aber die Chancen sind es ebenfalls: Vereinen wir uns deshalb - Schauspieler, Politiker, Kreative und Bürger -, um eine ehrgeizige neue Kulturpolitik zu entwickeln, die an das digitale Zeitalter angepasst ist und das Werk in den Mittelpunkt stellt.“

Eklat bei Netflix-Premiere

Die erste Netflix-Produktion in der Geschichte des Filmfestivals hatte im Mai 2017 ihre Premiere in Cannes gefeiert - mit einem kleinen Skandal. Der Film „Okja“ des Südkoreaners Bong Joon Ho mit Tilda Swinton und Jake Gyllenhaal in den Hauptrollen wurde bei der Weltpremiere nach fünf Minuten gestoppt - wegen technischer Probleme und nach anhaltenden Zwischenrufen aus dem Publikum.

Kurz darauf wurde das Werk von Anfang an begonnen und konnte - abgesehen von Buhs beim Erscheinen des Netflix-Logos, ungestört projiziert werden. Die Beteiligung von Netflix-Werken am Festival ist umstritten, da die Werke nicht regulär in französischen Kinos laufen.

Der Streaming-Dienst will das Werk Ende Juni auf seiner Plattform veröffentlichen, ohne weltweiten Kinostart. „Okja“ soll den Angaben zufolge lediglich in den USA und Südkorea auf der großen Leinwand zu sehen sein. „Okja“ erzählt von dem Mädchen Mija, das mit dem Riesentier Okja befreundet ist. Als ein mächtiges Unternehmen das Tier entführen will, versucht Mija, es zu beschützen.

Buhrufe auch bei zweiter Premiere

Auch beim zweiten Wettbewerbsbeitrag des Streaming-Anbieters, Noah Baumbachs mit Spannung erwartetem Familienporträt „The Meyerowitz Stories“, gab es von Teilen des Publikums Buhs beim Erscheinen des Netflix-Logos. Der Film selbst wurde indes wohlwollend aufgenommen. Indie-Regisseur Baumbach, seit der Schwarz-Weiß-Komödie „Frances Ha“ ein Star der Szene, inszeniert sein neues Werk als Multipersonenporträt im Stile von Woody Allen. Auch dieser Film wird nur in ausgewählten Kinos zu sehen sein. Baumbach selbst sieht die Streaming-Debatte vor der Presse indes gelassen: „Das einzigartige Erlebnis entfällt auch nicht ohne große Leinwand.“

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