Kein Bekenntnis zur Beistandspflicht
US-Präsident Donald Trump ist bei seinem ersten NATO-Treffen auf Konfrontationskurs zu den europäischen Partnerländern gegangen. „Die NATO-Mitglieder müssen endlich ihren gerechten Anteil beitragen und ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllen“, sagte Trump am Donnerstag in Brüssel.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„23 der 28 Mitgliedsstaaten zahlen immer noch nicht, was sie für ihre Verteidigung bezahlen sollten. Das ist nicht fair gegenüber dem Volk und den Steuerzahlern in den USA“, sagte er am Donnerstag bei einer Zeremonie vor dem neuen Hauptquartier der NATO. Viele der Länder hätten wegen mangelnder Zahlungen in den vergangenen Jahren „riesige Schulden“ angehäuft. Selbst Ausgaben in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, also des aktuellen NATO-Ziels, reichten nicht aus, um die Löcher zu stopfen und die Streitkräften zu modernisieren.
Fokus auf Terrorismus und Migration
„Wir müssen diese vielen verlorenen Jahre wettmachen. Zwei Prozent sind das karge Minimum, um den sehr realen und sehr scheußlichen Bedrohungen von heute entgegenzutreten“, sagte Trump, der für seine Rede nur spärlichen Beifall von den übrigen Staats- und Regierungschefs erhielt. „Die NATO der Zukunft muss sich stark auf Terrorismus und Einwanderung konzentrieren“, sagte er, ohne den Bezug zur Einwanderung zu erklären.

APA/AFP/Emmanuel Dunand
Trump las den Bündnispartnern in Brüssel die Leviten
„Das gilt auch für Bedrohungen durch Russland an unseren östlichen und südlichen Grenzen.“ Es war das einzige Mal, dass er Russland in seiner Rede erwähnte. In den USA steht Trump unter Druck, weil sein Wahlkampfteam möglicherweise ungebührliche Kontakte zur Führung in Moskau pflegte.
Lob für saudischen König
In weiten Teilen von Trumps Rede ging es nicht um die NATO, sondern um den Anschlag von Manchester - und Trumps erste Auslandsreise, die ihn zuletzt unter anderem nach Saudi-Arabien geführt hatte. Besonders der saudische König Salman erntete großes Lob vom US-Präsidenten. Er sei ein weiser Mann, der wolle, dass sich die Dinge rasch besserten, sagte Trump über den Herrscher, dessen Königshaus eine sehr konservative Auslegung des Islam durchsetzt und das immer wieder für schwere Menschenrechtsverletzungen am Pranger steht.
NATO-Zentrale übergeben, aber nicht bezugsfertig
Trumps Rede fand bei der feierlichen Übergabe des neuen NATO-Hauptquartiers in der belgischen Hauptstadt statt. Neben den Staats- und Regierungschefs der 28 NATO-Staaten war auch der belgische König Philippe bei der Zeremonie anwesend.
Analyse zu Trumps Auftritt in Brüssel
ORF-Korrespondent Peter Fritz über den Besuch von US-Präsident Trump in Brüssel, wo er EU-Spitzen und NATO-Vertreter traf.
Bezugsfertig ist das neue Gebäude mit der Glasfassade aber noch nicht. Probleme mit der Computertechnik verzögern den Umzug aus dem alten Hauptquartier auf der anderen Straßenseite auf bisher ungewisse Zeit. Die Kosten für das Projekt wurden zuletzt auf rund 1,12 Milliarden Euro beziffert. Für Trump spielten die Kosten offenbar keine Rolle: „Ich habe niemals gefragt, nicht einmal, was das neue NATO-Hauptquartier kostet. Ich weigere mich, das zu tun“ sagte er. „Aber es ist wunderschön.“
Für Aufregung sorgte unterdessen ein Video von Trumps Rundgang durch das Gebäude. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie der US-Präsident den montenegrinischen Premierminister Dusko Markovic brüsk zur Seite zog, sich vordrängelte und sich in herrischer Pose neben NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg aufbaute.
USA bleiben vage zu Artikel 5
Weiter warten heißt es für die NATO auf ein klares Bekenntnis der USA zu Artikel 5 der NATO-Charta, der Beistandspflicht der Mitgliedsstaaten. Das dürfte vor allem die osteuropäischen NATO-Mitglieder verunsichern, die mit Moskau Probleme haben. Trump weihte gegenüber dem Eingang der NATO-Zentrale ein Monument aus Trümmerteilen des Nordturms des World Trade Centers ein, der bei den Anschlägen vom 11. September 2001 zerstört worden war. NATO-Generalsekretär Stoltenberg erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass die Allianz nur einen Tag nach den Anschlägen zum ersten und einzigen Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall festgestellt hatte. Ein klares Bekenntnis zur Beistandspflicht ließ sich der US-Präsident aber nicht entlocken.
Treffen mit EU-Spitze und Macron
Bereits Donnerstagvormittag war Trump mit den Spitzen der EU zusammengetroffen. Nach einem Treffen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk verzichtete Trump auf ein offizielles Statement. Anders Tusk, der sagte, in vielen Bereichen sei man sich einig gewesen, wie im Kampf gegen den Terror. Es gebe allerdings auch offene Bereiche, wie den Klimawandel und den Bereich Handel. Auch bei der Position gegenüber Russland sei man wohl nicht „zu 100 Prozent“ einer Meinung. Seine Botschaft an Trump sei, dass Werte und Prinzipien zuerst kommen sollten, nicht Interessen, so Tusk.

APA/AP/Stephanie Lecocq
Trump, Tusk, Juncker: Bei der Position gegenüber Russland ist man wohl nicht „zu 100 Prozent“ einer Meinung
Zudem kam Trump in Brüssel erstmals mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammen. Macron äußerte sich nach dem Treffen zuversichtlich über die Zusammenarbeit mit Trump, Themen gebe es genug: „Der Kampf gegen Terrorismus, die Wirtschaft, Klima und Energie.“ Trump gratulierte Macron zum Sieg bei den Präsidentschaftswahlen: „Auf der ganzen Welt sprechen sie darüber“, sagte Trump. „Glückwunsch. Großartige Arbeit.“
Berichte: Trump schimpft auf „sehr böse“ Deutsche
Aufregung herrscht unterdessen über Aussagen Trumps zum deutschen Handelsbilanzüberschuss. Der „Spiegel“ zitierte Teilnehmer, die Trump mit den Worten wiedergaben: „Die Deutschen sind böse, sehr böse.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte ein ähnliches Zitat. Allerdings gab es offiziell keine Bestätigung. An dem Treffen hatten zunächst nur EU-Ratspräsident Tusk und EU-Kommissionspräsident Juncker teilgenommen, später wurde die Runde erweitert. Die Sprecher beider Präsidenten sagten, ihnen sei dieses Zitat des US-Präsidenten nicht bekannt.
Der „Spiegel“ zitierte Trump weiter laut Teilnehmern mit den Worten: „Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Fürchterlich. Wir werden das stoppen.“ Ähnliche Aussagen hatte Trump bereits früher öffentlich gemacht, allerdings in weniger drastischen Worten. Bei dem Treffen soll Juncker die Deutschen gegen Trumps Schelte verteidigt haben. Freier Handel nutze allen, soll der Kommissionschef gesagt haben. Juncker habe sich um einen freundlichen Ton bemüht, sei in der Sache aber hart geblieben, hieß es.
Links: