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Fünf Monate Amtszeit

Nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) werden seine Posten am Mittwoch neu besetzt. Justizminister Wolfgang Brandstetter übernimmt zusätzlich das Vizekanzleramt, Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) das Wirtschaftsministerium. Sein bisheriges Amt wird eingespart.

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Nach den Streitereien der vergangenen Tage ging nun alles schnell. Gleich am Vormittag hatten Brandstetter und Mahrer ihren Termin bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg. Der Staatschef gelobte die beiden Politiker in ihren neuen Regierungsämtern an. Von der Regierung forderte Van der Bellen dabei für die kommenden Monate ein „gerüttelt Maß an Staatsverantwortung“.

„Vermittler zwischen den Fronten“

Als Vizekanzler wird Brandstetter in den kommenden fünf Monaten bis zur Wahl am 15. Oktober gemeinsam mit Kanzler Christian Kern (SPÖ) eine Regierung mit Ablaufdatum führen. Seine Parteiunabhängigkeit sieht der Jurist dabei als Vorteil. Er werde ein „Vermittler zwischen den Fronten“ sein, sagte Brandstetter im Ö1-Morgenjournal. „Das wird eine Pendelmission und kein Spaziergang“ - Audio dazu in oe1.ORF.at.

Recht unverblümt stellte Brandstetter fest, dass er selbst kaum Entscheidungsgewalt habe. „In letzter Konsequenz“ müssten die Entscheidungen „mit Rückendeckung der beiden Parteiobmänner, dem designierten Parteiobmann Sebastian Kurz und dem Bundeskanzler“, entschieden werden, sagte der Justizminister.

Platzhalter für Kurz?

Sei es völlig falsch, ihn als Platzhalter von Kurz zu sehen, wurde Brandstetter gefragt. „Das kann man durchaus so sehen“, so seine Antwort. Jetzt gehe es darum umzusetzen, „was noch umzusetzen ist“ - und nicht um ein Wunschkonzert, so der Justizminister weiter. Die Regierung müsse versuchen, „im Sinne einer Abwicklung das noch zu erledigen, was zu erledigen ist“.

Brandstetter: Parteiunabhängigkeit als Vorteil

Die Regierung sei gescheitert, weil das Vertrauen gefehlt habe, sagte Brandstetter in der ZIB2. Seine Parteiunabhängigkeit sieht er als Vorteil.

Am Dienstagabend in der ZIB2 hatte Brandstetter die Umsetzung einiger bereits auf Schiene befindlicher Projekte als die Voraussetzung genannt, unter der er das Angebot Kurz’ angenommen habe. Und er gab sich optimistisch, dass das auch gelingen werde: Einige Vorhaben ließen sich ganz schnell und einfach realisieren, „ratzfatz“, so Brandstetter in der ZIB2. Jetzt, wo es eine Neuwahl gebe, werde „die Vernunft wieder einkehren“.

Nächtlicher Gesinnungswandel

Ähnlich erklärte der Justizminister, der noch zu Wochenbeginn das Amt von sich gewiesen hatte, seinen Gesinnungswandel bereits am Dienstagvormittag im Parlament: Kurz habe ihn gefragt, ob er mithelfen wolle, die Regierungsvorhaben als Vizekanzler auf den Weg zu bringen. „Da habe ich gesagt: Ja, wenn es wirklich darum geht, Projekte auf den Weg zu bringen.“ Persönliche Ambitionen auf andere Ämter wies Brandstetter zurück.

Wolfgang Brandstetter

ORF

Brandstetter erklärte im Parlament, warum er nun doch den Vizekanzler macht

Kurz hatte die Wahl Brandstetters damit begründet, dass dieser nie in Koalitionsstreitereien involviert gewesen sei. Die SPÖ wünschte sich zwar bis zuletzt, dass der ÖVP-Chef selbst den Posten übernehme. Am Ende akzeptierte der Koalitionspartner aber Brandstetter. Kanzler Kern kündigte jedoch im Gegenzug an, bis zur Neuwahl auch abseits der Regierung nach Mehrheiten im Parlament zu suchen: de facto ein freies Spiel der Kräfte.

Verweis auf Kurz’ vollen Terminplan

Brandstetter zeigte Dienstagabend Verständnis für Kurz’ Entscheidung, nicht selbst an die Regierungsspitze aufzurücken. Er könne gut nachvollziehen, dass Kurz „das nicht machen kann“, schon allein wegen dessen zahlreicher Termine als Außenminister, sagte Brandstetter in der ZIB2.

Für den Politikwissenschaftler Peter Filzmaier stehen hinter der Weigerung Kurz’ allerdings auch wahltaktische Gründe. Das Nebeneinander an der Regierungsspitze „schafft Bilder“, sagte der Politologe in der ZIB2. Da sei einer der Kanzler und einer der Vize. Einen solchen Stempel aufgedrückt zu bekommen sei im Wahlkampf eher eine ungünstige Voraussetzung.

Regierungskoordinator als Wirtschaftsminister

Weitaus weniger umstritten gestaltete sich die Nachbesetzung des Wirtschaftsministers. Mahrer war bereits bisher Wirtschaftsstaatssekretär - in seiner Rolle als Regierungskoordinator ist er auch mit den koalitionären Fallstricken vertraut. In der ÖVP war Mahrer überdies als „Spiegel“ der jeweiligen Bildungsministerin tätig. Ihm eilt dabei der Ruf voraus, pragmatisch und offen an das Bildungsthema heranzugehen.

Mit der damaligen Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) vereinbarte er die Grundzüge der allerdings nach wie vor erst rudimentär umgesetzten Bildungsreform. Mit ihrer Nachfolgerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) zurrte er zuletzt das Schulautonomiepaket fest. Trotz bevorstehender Einigung mit der Lehrergewerkschaft steht dessen Verabschiedung allerdings noch in den Sternen.

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