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Kern: Mehrheiten auch ohne ÖVP möglich

Die Parlamentsfraktionen haben sich am Dienstagnachmittag auf einen Termin für die vorgezogene Nationalratswahl verständigt. Gewählt wird am 15. Oktober, hieß es nach einem Treffen der Parteichefs im Parlament. Wie bis dahin im Parlament abgestimmt wird, darüber gibt es aufseiten von SPÖ und ÖVP weiter unterschiedliche Vorstellungen.

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Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) schließt Mehrheiten abseits der ÖVP nicht aus, während ÖVP-Chef Sebastian Kurz bekräftigte, die SPÖ nicht überstimmen zu wollen. „Wir fühlen uns ans Koalitionsabkommen gebunden“, erklärte Kurz. „Ich halte nichts davon, dass man sich gegenseitig überstimmt.“ Was die SPÖ tue, könne er nicht verhindern, räumte er aber ein.

„Zustände, die wir uns nicht wünschen“

Wenn die SPÖ anders agiere, schaue die Situation anders aus. Kurz warnte aber: Bei einem gegenseitigen Überstimmen „können Zustände entstehen, die wir uns nicht wünschen“, verwies er auf die Nationalratssitzung vor der Wahl 2008 mit zahlreichen teuren Beschlüssen im Rahmen eines freien Spiels der Kräfte. Kern verwies darauf, dass es keine übermäßigen Belastungen des Staatshaushalts geben dürfe.

Grafik zu den möglichen Mehrheiten im Nationalrat

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Vier Monate in Stillstand „schlechte Variante“

Überhaupt habe die ÖVP die Koalition einseitig beendet, sagte Kanzler Kern, und „zu verlangen, dass sich das Land vier Monate in Stillstand ergeht, ist eine schlechte Variante“. Man werde in den nächsten Tagen wichtige Initiativen ins Parlament einbringen, etwa die Beschäftigungsaktion 20.000, die Erhöhung der Forschungsprämie, die Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen sowie die Erhöhung der Studienbeihilfe (noch ohne Höhe), kündigte der Kanzler an.

Über Mehrheiten werde man dann im Parlament diskutieren, erklärte Kern. „Selbstverständlich ist die ÖVP unser erster Ansprechpartner, und wir werden das Land nicht in ein Chaos stürzen - aber wichtige Reformprojekte werden wir unterstützen.“ Dass die ÖVP abseits der bereits vereinbarten Regierungsprojekte mit Verweis auf besagte Parlamentsnacht 2008 nichts beschließen möchte, sei ein „vorgeschobenes Argument“, findet Kern.

„Pakt der Verantwortung“

Apropos teure Beschlüsse: SPÖ und ÖVP sollen dem von den NEOS initiierten „Pakt der Verantwortung“ zugestimmt haben. Es gebe mündliche Zusagen von Kern und Kurz, teilte die Oppositionspartei mit. FPÖ, Grüne und Team Stronach werden sich dem Abkommen vorerst nicht anschließen, hieß es weiter. „Ich freue mich, dass die SPÖ- und ÖVP-Spitze dem NEOS-Vorschlag eines Pakts der Verantwortung zugestimmt haben,“ kommentierte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz die Zusagen.

Der Pakt soll festmachen, dass in der Zeit bis zur Nationalratswahl nur Maßnahmen beschlossen werden, die „keine verantwortungslose budgetäre Belastung“ bringen. „Der Wahlkampf darf auf keinen Fall in Form teurer Wahlzuckerl ins Parlament getragen werden und die Parlamentsarbeit behindern“, so Strolz. Die anderen Oppositionsparteien verweigerten vorerst ihre Zustimmung.

Lugar: Gemeinsamkeiten finden

In den nächsten Tagen gehe es darum, für ein freies Spiel der Kräfte im Parlament Gemeinsamkeiten zu finden, meinte Robert Lugar (Team Stronach). Ob auch zusätzliche Themen eingebracht werden, sei noch nicht ausverhandelt. Strolz kritisierte, dass die ÖVP offenbar nicht bereit sei, neue Themen über die bekannten Koalitionspläne hinaus zuzulassen - das sei „schade“. „Die Hintergründe erschließen sich mir nicht ganz“, vermutete Strolz „Taktiken“.

Was die Abstimmungen im Nationalrat angeht, hielt die Koalition zumindest am Dienstag noch: Nicht einmal der eingebrachte Misstrauensantrag der Grünen gegen den in der SPÖ ungeliebten Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) fand bei den Sozialdemokraten Unterstützer. Dass der Misstrauensantrag der FPÖ gegen die gesamte Regierung in der Minderheit blieb, war klar.

Jarolim empört über Brandstetter und Kurz

Auch in einem weiteren Fall blieb die SPÖ pakttreu: Trotz des von Kern angekündigten freien Spiels der Kräfte stimmte die SPÖ einem Grünen-Antrag zur Gleichstellung homosexueller Menschen im Eherecht nicht zu. Es sollte fixiert werden, dass das Thema bis Sommer im Parlament behandelt wird. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim macht die ÖVP verantwortlich und zeigt sich empört: Kurz und Brandstetter waren anders als von ihm erwartet „offenbar nicht Manns genug“ mitzustimmen. Weil der Koalitionspakt bis zur Wahl gelte, habe sich auch die SPÖ enthalten.

Eurofighter-U-Ausschuss soll bis Mitte Juli arbeiten

Voraussichtlich am Mittwoch wird der Neuwahlantrag im Plenum des Nationalrats eingebracht. Formal ist noch zu klären, wann genau der Beschluss fallen soll, eventuell in einer Sondersitzung. Denn der Eurofighter-U-Ausschuss soll bis Mitte Juli arbeiten: Alle Parteien sind sich einig, dass der U-Ausschuss noch bis inklusive 12. Juli Zeugen befragen können soll, berichtete Kern nach der Sitzung. Bis dahin werden noch zusätzliche Sitzungstermine für den Ausschuss eingeschoben, die noch verhandelt werden.

Die Absage von Kurz an den SPÖ-Wunsch, dem zurückgetretenen Reinhold Mitterlehner als Vizekanzler zu folgen, war auch der Grund für das weitere Aufreißen der Gräben zwischen den bisherigen Koalitionspartnern. Das hatte sich am Dienstag bereits in der Früh abgezeichnet, nachdem Kurz im Ministerrat Wolfgang Brandstetter als Neubesetzung bzw. Harald Mahrer als neuen Wirtschaftsminister vorgeschlagen hatte. Kern hatte zum Mittag eingewilligt, allerdings wiederum auf das Spiel der freien Kräfte verwiesen.

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