BIP wächst um 0,5 Prozent
Die Euro-Zone hat die weltgrößte Volkswirtschaft USA zu Jahresbeginn beim Wachstum abgehängt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Jänner bis März um 0,5 Prozent zum Vorquartal zu - mehr als doppelt so stark wie in den USA. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten ersten Schätzung des Statistikamts Eurostat hervor.
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Ökonomen hatten mit diesem Ergebnis gerechnet, nachdem es im Schlussquartal 2016 ebenfalls ein Plus von revidiert 0,5 (bisher: 0,4) Prozent gegeben hatte. Die US-Wirtschaft erwischte dagegen einen eher schwachen Start ins Jahr 2017. Mit Amtsantritt von Präsident Donald Trump verzeichnet sie das schwächste Wachstum seit drei Jahren.
Experte: „Es ist doch erstaunlich“
„Es ist doch erstaunlich, wie stark sich die Euro-Zone zeigt“, sagte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. „Lange Zeit galt die Währungsunion als kranker Mann, doch davon kann derzeit keine Rede sein.“ Der niedrige Euro-Kurs kurbelt die Exporte an, die zudem von der besseren Weltkonjunktur profitieren. Auch der private Konsum dürfte das Wachstum stützen, obwohl die Kaufkraft unter der höheren Inflation leidet. Dafür ist die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Monaten merklich gesunken.
Spanien vorn, Frankreich unter Schnitt
Zu den am schnellsten wachsenden Euro-Ländern gehört Spanien. Hier nahm das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um 0,8 Prozent zu. Dagegen schaffte die französische Wirtschaft nur ein Plus von 0,3 Prozent. „Kommt es am Sonntag zu einem Wahlsieg von Emmanuel Macron, wachsen die Chancen auf Reformen“, so Gitzel.

Grafik: ORF.at; Quelle: Eurostat
„Gezielte Liberalisierungsschritte auf dem Arbeitsmarkt könnten am Ende große Wirkung zeigen und für neue Dynamik der zuletzt lahmen französischen Volkswirtschaft sorgen.“ Eine erste Schätzung für Deutschland wird erst kommende Woche veröffentlicht. Ökonomen sagen hier ein Wachstum von etwa 0,5 Prozent voraus.
EZB könnte Prognose anheben
Nach dem guten Jahresauftakt könnte die Europäische Zentralbank (EZB) nach Einschätzung einiger Volkswirte ihre Wachstumsprognose von derzeit 1,8 Prozent für die Euro-Zone im Gesamtjahr 2017 nach oben korrigieren. Im Vergleich dazu wächst das BIP der USA mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 0,7 Prozent.
„Doch das bedeutet nicht, dass die EZB bald aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik aussteigt“, sagte Commerzbank-Experte Christoph Weil. „Zum einen gehen wir davon aus, dass das höhere Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig ist, denn in der zweiten Jahreshälfte dürften insbesondere die Impulse von der Weltwirtschaft wieder etwas nachlassen“, so Weil. Zum anderen sei die Kerninflation - also die Verbraucherpreise ohne Energie, Nahrungs-und Genussmittel - nach wie vor schwach.
Leitzins: Fed versus EZB
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hebt ihren Leitzins kontinuierlich an - zuletzt im März um 0,25 Prozent. Das war die dritte Erhöhung nach Dezember 2015 und Dezember 2016. Allgemein wird damit gerechnet, dass die Fed die US-Geldpolitik in den nächsten Monaten weiter moderat straffen wird. Am Mittwoch beließ die Fed ihren Leitzins unverändert in einem Zielkorridor von 0,75 bis 1,0 Prozent. Die Währungshüter machten zugleich deutlich, dass sie die Wachstumsschwäche zu Jahresbeginn für einen Ausrutscher halten.
Die EZB hält ihren Leitzins seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent, um für günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen. Nachdem die Inflation in der Euro-Zone im Februar den höchsten Stand seit vier Jahren erreicht hatte, war die EZB unter Druck geraten, von ihrer Politik abzurücken. Im März ließen günstige Verbraucherpreise die Teuerungsrate aber wieder sinken.
Draghi verteidigt Geldpolitik
EZB-Präsident Mario Draghi sagte, dass die Inflation sich erst langfristig als stabil erweisen müsse. Der Inflationsdruck sei „weiterhin verhalten“ und müsse einen überzeugenden Aufwärtstrend erst noch zeigen. Aus Sicht von Experten wird die EZB ihr Inflationsziel noch mehrere Jahre nicht erreichen.
Die Notenbank werde sich erst 2021 mit 1,8 Prozent wieder langsam ihrem Ziel einer Teuerung von knapp unter zwei Prozent annähern, wie die Euro-Wächter am Freitag mitteilten. Dieses Niveau strebt sie als Optimalwert für die Wirtschaftsentwicklung an. Denn damit ist aus Sicht der Notenbank ein ausreichender Abstand zu einer gefährlichen Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, sinkenden Löhnen und rückläufigen Investitionen garantiert.
Staatsanleihenkäufe werden fortgesetzt
Die Euro-Wächter erwerben zudem im großen Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Banken sollen dazu angeregt werden, mehr Kredite an Unternehmen und Haushalte zu vergeben statt in diese Papiere zu investieren. Das stützt die Konjunktur und sorgt für mehr Preisauftrieb im Währungsraum. Die Währungshüter wollen die in Deutschland umstrittenen Käufe noch bis Ende 2017 fortsetzen. Das Gesamtprogramm soll dann ein Volumen von 2,28 Billionen Euro erreichen.
Die für die Euro-Zone wichtige Geldmenge M3 nahm im März um 5,3 Prozent zu. Experten hatten lediglich 4,7 Prozent erwartet. Zur Geldmenge M3 zählen unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen mit bis zu zwei Jahren Laufzeit. Eine sehr stark wachsende Geldmenge signalisiert Volkswirten zufolge eine potenzielle Inflationsgefahr.
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