Sparkurs geht weiter
Im griechischen Schuldendrama gibt es einen Hoffnungsschimmer: Griechenland und seine Gläubiger haben sich auf ein Paket neuer Sparmaßnahmen und Reformen geeinigt - zumindest vorläufig. Es soll den Weg für weitere Hilfen frei machen. Für die griechische Bevölkerung bedeutet das aber erneut harte Einschnitte. Während Athens Regierung auf eine Schuldenerleichterung hofft, drängen die Euro-Länder weiterhin auf einen eisernen Sparkurs - laut Kritikern verlängern sie so die Krise.
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„Es gibt weißen Rauch“, verkündete am Dienstag der griechische Finanzminister Efklidis Tsakalotos im griechischen Fernsehen ERT. Nach tagelangen Marathonverhandlungen haben Griechenland und seine Gläubiger - die Europäische Zentralbank (EZB), der Euro-Rettungsschirm ESM, die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) - den Reformstreit um das dritte Hilfspaket beendet und eine „vorläufige Einigung“ verkündet. Griechenland, das auf einem Schuldenberg von mehr als 300 Milliarden Euro Schulden sitzt, kann auf die weitere Auszahlung von Hilfsmilliarden hoffen.
Das Geld hat das Land dringend nötig: Im Juli werden Rückzahlungen von 7,5 Milliarden Euro fällig. Mit der neuerlichen Einigung hofft die Regierung in Athen nicht nur auf weitere Gelder aus dem Hilfsprogramm, sondern vor allem: dass damit der Weg für Gespräche über einen Schuldenerlass geebnet ist. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras steht wegen des Sparkurses unter massivem Druck und verlangt noch diesen Monat ein klares Versprechen, dass das Land Schuldenerleichterungen erhält. Das ist jedoch eine große Streitfrage zwischen der Euro-Gruppe und dem IWF.

AP/Thanassis Stavrakis
Der Druck auf Tsipras wächst - er einigte sich auf ein weiteres Sparpaket
IWF für Schuldenentlastung, Schäuble dagegen
Während die Finanzexperten in Washington auf eine weitere Schuldenentlastung für Griechenland drängen, stemmt sich vor allem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble dagegen. Er hält die bereits gewährten Erleichterungen für ausreichend. Der IWF hat seine Beteiligung am Hilfsprogramm noch nicht bestätigt - es seien spezifische Maßnahmen zur Schuldenentlastung notwendig, damit das Direktorium überhaupt eine finanzielle Teilnahme erwäge, wie IWF-Europadirektor Poul Thomsen am Dienstag erneut betonte.
Experten sehen darin einen gefährlichen Cocktail: Während der IWF nicht daran glaubt, dass Griechenland seine Kredite angesichts einer Schuldenquote von knapp 180 Prozent zurückzahlen kann und über einen Ausstieg aus dem Programm nachdenkt, hat der deutsche Bundestag die Hilfsleistung an die Mitwirkung des IWF geknüpft. Nach langer Depression dürfte Griechenlands Wirtschaft der EU-Kommission zufolge 2017 um rund 2,7 Prozent wachsen. Neuerliche Pleitespekulationen könnten den Aufschwung rasch abwürgen.
Kein Schuldenschnitt vor der Bundestagswahl
Damit Griechenland aus der Schuldenkrise kommt, bliebe - abgesehen vom Schuldenschnitt - nur die Möglichkeit, das BIP stärker wachsen zu lassen. Doch gerade der rabiate Sparzwang verhindert das laut vielen Kritikern der europäischen Griechenland-Politik, weil dadurch weder der Staat noch Unternehmen und Haushalte Geld ausgeben. Und weil die Wirtschaftsaktivität - an deren Größe sich die Schulden bemessen - weiter sinkt.
Im Streit über die Schuldenerleichterungen für Griechenland wächst zusehends auch in der Euro-Gruppe der Druck auf Schäuble, eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Doch vor der Bundestagswahl im September wird er sich wohl keinesfalls auf einen Schuldenschnitt einlassen und an seiner Griechenland-Devise festhalten: eisern weitersparen.
So viel Geld floss bisher nach Griechenland
Seit 2010 ist Griechenland von internationalen Finanzhilfen abhängig. Würde sich Athen das Geld zur Begleichung der Schulden von mehr als 300 Milliarden Euro auf üblichem Weg besorgen - also Staatsanleihen an Investoren ausgeben -, wären die Zinsen derart hoch, dass das Land sofort pleiteginge. Um das zu verhindern, bekam Griechenland seit Beginn der Finanzkrise drei Hilfspakte. Im Gegenzug muss Athen strenge Reformauflagen erfüllen.
Die bisherigen Zahlungen aus diesen Paketen summieren sich auf rund 248 Milliarden Euro. Das Geld floss teils in Form direkter Kredite der Euro-Staaten, teils über die Rettungsschirme EFSF und ESM sowie über den IWF. Im Rahmen des ersten Hilfspakets wurden 73 Milliarden Euro an Griechenland ausbezahlt, davon entfielen 52,9 Milliarden Euro auf die Staaten der Euro-Zone, der IWF stellte 20,1 Milliarden bereit.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/EU-Kommission
Beim zweiten Hilfspaket 2012 wurden Griechenland insgesamt 173,3 Milliarden Euro zugesagt. Das EFSF-Programm lief jedoch nach zweimaliger Verlängerung Ende Juni 2015 aus - die bis dahin nicht ausgezahlten Mittel sind nicht mehr abrufbar. Die EFSF hat bis Ende Februar 2015 130,9 Milliarden Euro an Griechenland überwiesen, der IWF 11,7 Milliarden, insgesamt also 142,6 Milliarden Euro.
Das dritte Hilfspaket
Im August 2015 einigten sich die europäischen Partner nach wochenlangen Verhandlungen auf die Bedingungen für ein drittes Rettungspaket. Es ist auf drei Jahre befristet und endet im August 2018. Die Stabilitätshilfen laufen über den dauerhaften Rettungsschirm ESM und umfassen bis zu 86 Milliarden Euro.
Die Gläubiger verlangten für die Zahlungen bisher tiefe Einschnitte in die Sozialsysteme, höhere Steuern, einen Umbau des Arbeitsmarkts und Privatisierungen. Die Hilfen werden in Raten ausbezahlt, davor wird überprüft, ob Athen seine Zusagen eingehalten hat und auf dem Weg zur Sanierung der Staatsfinanzen wie gewünscht vorankommt. Aus dem dritten Hilfspaket wurden bisher 31,7 Milliarden Euro ausbezahlt.
Zermürbender Kampf
Vor der vorläufigen Einigung am Dienstag führten die Experten der internationalen Kreditgeber eine zweite Überprüfung durch, ob die Spar- und Reformbemühungen Griechenlands ausreichen, um weitere Zahlungen aus dem dritten Hilfspaket zu bewilligen. Die Euro-Staaten, allen voran Deutschland, forderten etwa weitere Pensionskürzungen. Daraus wurde abermals ein zermürbender Kampf in Griechenlands Schuldendrama - sechs Monate dauerten die Verhandlungen.
Noch vor einigen Wochen hatte die linksgeführte Regierung Tsipras eine Übereinkunft „ohne einen Euro mehr“ an Sparmaßnahmen angekündigt - daraus wurde ein neuerliches Sparpaket von rund 3,6 Milliarden Euro.
Kürzungen für Kredite
Die Pensionen sollen ab 2019 neuerlich um bis zu 18 Prozent gekürzt werden - es wäre bereits die 13. Kürzungsrunde seit Krisenbeginn. Im Vergleich zu 2010 sind Griechenlands Pensionen um rund die Hälfte geschrumpft. Außerdem soll es Einsparungen im Gesundheitswesen und die Streichung von Beihilfen beim Heizöl geben sowie eine Senkung des jährlichen Steuerfreibetrags von rund 8.600 Euro auf 5.600 Euro ab 1. Jänner 2020.
Laut Informationen der Deutschen Presseagentur soll es zudem weitere Privatisierungen geben und das Arbeitsrecht gelockert werden, sodass Beschäftigte künftig leichter gekündigt werden können. Um diese neuen harten Sparmaßnahmen auszugleichen, solle ärmeren Familien mit staatlichen Hilfen wie einem Mietzuschuss unter die Arme gegriffen werden.
Tsipras unter Druck
Die „vorläufige Einigung“, die vonseiten der Gläubiger bisher nur allgemein bestätigt wurde, soll bis zur Sitzung der Euro-Gruppe am 22. Mai unter Dach und Fach sein. Davor muss die Regierung Tsipras, die nur eine knappe Mehrheit im Parlament hält, aber erst einmal die neuerlichen Sparbeschlüsse durchbringen, damit die Finanzminister der Euro-Zone der Auszahlung neuer Kredite zustimmen.
Die griechische Regierung muss sich darauf einstellen, dass es im Parlament und außerhalb massiven Widerstand gegen die neuen Sparmaßnahmen geben wird. Die größte Oppositionspartei, die bürgerliche Nea Dimokratia, erklärte am Dienstag, sie werde sich im Parlament gegen die Kürzungen von Pensionen und Steuervorteilen stellen. Die Gewerkschaften hatten schon im Vorfeld einen neuen Generalstreik für den 17. Mai, den Tag der Abstimmung, angekündigt.
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