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Erstmaliger Einsatz im Kampf

Das US-Militär hat am Donnerstag über Afghanistan seine stärkste nicht nukleare Bombe gezündet. Das berichtete Adam Stump, ein Sprecher des Pentagon, in Washington. Das Ziel des Angriffs in der ostafghanischen Provinz Nangarhar waren Höhlenverstecke von Kämpfern der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).

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Die auch als „Mutter aller Bomben“ bekannte GBU-43, die größte Fliegerbombe im Arsenal der US-Streitkräfte, sei von einem MC-130-Kampfbomber abgeworfen worden. Der Sprengkopf enthalte 8.480 Kilogramm Sprengstoff und entwickle eine nominelle Sprengkraft von elf Tonnen TNT-Äquivalent. Nur Russland verfügt über eine noch größere nicht atomare Bombe.

Zahl der Toten auf über 90 gestiegen

Der Gouverneur von Achin, Esmail Shinwari, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Explosion durch die Bombe sei „die größte gewesen, die ich jemals gesehen habe“. Riesige Flammen seien in der Gegend hochgeschlagen. Nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums wurden mindestens 36 IS-Kämpfer getötet - am Samstag sprachen örtliche Behörden bereits von über 90 Toten. Dem Ministerium zufolge wurden bei dem Angriff im Osten des Landes „strategische“ Verstecke der Islamisten sowie ein tief unter der Erde gelegener Tunnelkomplex zerstört.

Der IS bestreitet jedoch Todesopfer in den eigenen Reihen durch den Abwurf der größten nicht atomaren Bombe des US-Militärs in Afghanistan. Es habe weder Verletzte noch Tote gegeben, teilte die IS-nahe Propagandaagentur Amak in Sozialen Netzwerken mit.

Bombe während des zweiten Irak-Kriegs entwickelt

Es war das erste Mal, dass die GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast Bomb (kurz: MOAB - deshalb auch „Mother of all Bombs“) im Kampf zum Einsatz kam, wie CNN berichtete. Sie wurde während des zweiten Irakkriegs entwickelt. Ihre militärische Bedeutung ist umstritten, sie gilt wegen ihrer schieren Größe und der enormen Druckwelle vor allem als Mittel der psychologischen Kriegsführung.

Karte zeigt Afghanistan

Grafik: APA/ORF.at

In der Region war am vergangenen Wochenende ein US-Soldat im Einsatz gegen die Dschihadisten getötet worden. Die Rebellen verstärkten derzeit ihre Verteidigungslinien mit improvisierten Sprengkörpern, Tunnels und Bunkern, hieß es. „Das ist die richtige Munition, um diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen und den Schwung unserer Offensive gegen den IS zu erhalten“, zitierte das Pentagon den Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, General John Nicholson.

Kurz vor Konferenz in Moskau

Der Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, sagte, es seien Vorkehrungen getroffen worden, zivile Opfer möglichst zu vermeiden. Die Frage, ob US-Präsident Donald Trump den Abwurf persönlich angeordnet hat, wollte er nicht beantworten. Dieser meldete sich später nur mit der Stellungnahme, es sei eine „sehr, sehr erfolgreiche“ Mission gewesen.

Der Abwurf der Bombe geschah einen Tag vor einer internationalen Afghanistan-Konferenz. Am Freitag kommen dabei in Moskau Experten aus elf Staaten zusammen, um über die Bedrohung durch den IS zu beraten. Neben Russland sind auch China, Indien, Pakistan und Ex-Sowjetrepubliken dabei. Vertreter von NATO-Staaten sind nicht beteiligt, also auch nicht die USA.

Strategiewechsel des IS

Der IS tauchte in Afghanistan erst 2015 auf und soll dort nie mehr als 3.000 Kämpfer gehabt haben. Lange Zeit war er nur in den beiden ostafghanischen Provinzen Nangarhar und Kunar präsent. Seit Monaten fliegen US- und afghanische Streitkräfte schwere Luftangriffe auf IS-Stellungen dort. Trotzdem scheint der IS nicht geschlagen. 2016 hat er laut dem Zivilopferbericht der UNO in Afghanistan mehr Menschen getötet als je zuvor.

Das hängt auch damit zusammen, dass der IS einen Strategiewechsel vollzieht: Von Versuchen, Territorium einzunehmen, zu Terroranschlägen. Seit Jahresanfang hat die Terrormiliz so allein in der Hauptstadt Kabul bereits drei große Anschläge für sich reklamiert. Unter anderem ein Selbstmordattentat auf das höchste Gericht des Landes mit 22 Toten im Februar und einen besonders blutigen, siebenstündigen Angriff von fünf Kämpfern auf das größte Militärkrankenhaus des Landes mit mindestens 49 Toten im März.

Afghanistan als mögliches Ausweichziel

Erst am Mittwoch sprengte sich ein Selbstmordattentäter inmitten vieler Ministeriumsangestellter in die Luft, die gerade ihre Büros verlassen hatten. Fünf Menschen starben. Experten sind besorgt, dass auch IS-Kämpfer auf der Flucht aus Syrien und dem Irak in Afghanistan und Zentralasien eine neue Basis suchen könnten. Der IS will auf afghanischem und pakistanischem Staatsgebiet eine neue Provinz etablieren - „IS-Khorasan“.

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