Zeig her deinen Filz
Rauchen, fluchen, die eigenen Geschlechtsteile zeigen: Auf Instagram werden mehr und mehr Accounts von Puppen „betrieben“. Die Stoffpuppen-Community zelebriert alles, was im US-Alltag und in Sozialen Netzwerken verpönt ist - und persifliert im Miniaturformat auch gleich den Größenwahn von Rappern wie Kanye West.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Craig ist 21 Jahre alt. Er schreibt seinen Namen „Kreeg“, weil es cooler aussieht, und gibt auf Sozialen Netzwerken damit an, dass er davon lebt, Autos zu knacken. Auf seinen Instagram-Fotos posiert Kreeg gern mit Joints, im Bett neben seinen brandneuen Sneakers oder mit seiner Hip-Hop-Gang, den Rich Broke Dudez. Ab und zu, wenn ihm fad ist, lässt er auch die Hosen runter und schickt obszöne Schnappschüsse an „Ladies“, auf die er steht.
Und wahrscheinlich wäre er nur einer von Tausenden Möchtegern-Gangsterrappern im Netz, wenn es da nicht eine Besonderheit gäbe: Kreeg ist gerade einmal einen halben Meter groß und aus Plüsch genäht. Er ist eine Handpuppe, deren Alltagserlebnisse von Kenny Figueroa, einem 18-jährigen Kundendienstmitarbeiter aus Texas gepostet werden.
Hashtag „#PuppetWave“
Und Kreeg ist nicht allein. In Sozialen Medien hat sich in den letzten Monaten unter dem Hashtag „#PuppetWave“ eine regelrechte Handpuppenwelle entwickelt. Auslöser könnte der Versuch der beliebten Kindersendung „Sesamstraße“ sein, mehr und mehr „politisch korrekte“ Figuren in die Show zu integrieren. Im April 2017 holte die US-amerikanische „Sesamstraße“ Julia in die Sendung, ein Puppenmädchen mit Autismus.
Die muppetähnlichen Handpuppen auf Instagram und Twitter benehmen sich dagegen alles andere als politisch korrekt. Eine Puppe namens Joselito postet ein Foto, auf dem sie einer echten Stripperin den Po versohlt, andere, wie Kreeg, halten regelmäßig brennende Zigaretten in den plüschigen Fingern. Für die braven Kollegen von der „Sesamstraße“ haben sie nur Spott übrig: „Elmo? Von dem hab ich seit Jahren nichts gehört ...“, postet Kreeg, der seine übernächtigen Augen hinter einer schicken Pilotenbrille verbirgt.
„Make Puppets Great Again“
Andere Plüschfiguren schlagen sich miteinander, manche sterben auch, und wieder andere Puppen posten Bilder von ihrer Beerdigung. Es gibt ganze Puppenfamilien, mit Eltern, Großeltern, Cousinen und Cousins. Wobei: Ein Großteil der plüschigen Protagonisten ist jung, männlich und nerdig, wie vermutlich auch die Betreiber der Accounts - doch genau weiß man es nicht.
Politisch halten sich die Puppen übrigens eher zurück, nur milder Spott gegen US-Präsident Donald Trump ist an der Tagesordnung: „Make Puppets Great Again“ („Mach die Puppen wieder groß“) war kürzlich auf einer Puppenkappe zu lesen - als Referenz an Trumps Wahlkampfslogan.
„2.000 Dollar für Kreegs Ausstattung“
Als die britische Wochenzeitung „The New Statesman“ nachhakte und Figueroa, den Poster hinter Kreeg anmailte, gab dieser den Wunsch nach Internetberühmtheit als Grund für sein Projekt an. Um dieses Ziel zu erreichen, scheut Figueroa auch keine Kosten: „Ich glaube, ich habe wohl mindestens schon 2.000 Dollar für Kreegs Ausstattung ausgegeben“, wird der 18-Jährige zitiert, der für Kreeg vor allem in den umliegenden Second-Hand-Geschäften einkauft.
Doch unter seiner Kleidung hat Kreeg auch einen Körper. Und den zeigt er bzw. sein Schöpfer Figueroa gerne her. Kreegs Geschlechtsteil habe er selbst aus Filz gebastelt, erzählt Figueroa gegenüber dem „Statesman“: Zuerst habe er einen Schnappschuss von sich selbst mit offener Hose gemacht, dann für Kreeg eine entsprechende Perspektive nachgebastelt und das Foto an ihm bekannte Frauen geschickt. Echte Penisbilder an Frauen zu senden finde er eklig. Wenn eine Puppe es tue, sei es hingegen lustig.
Puppen als böse Zwillinge
Die Idee mit dem obszönen Foto stammt allerdings nicht von Kreegs Schöpfer selbst. Auch eine der ersten muppetähnlichen Figuren, die in Sozialen Medien unterwegs waren, eine Afropuppe namens Lux, entblößte sich bereits vor der YouTuberin @duaperrie. Die antwortete prompt mit einem Tweet, der sich mit 60.000 Retweets wie ein Lauffeuer im Netz verbreitete und Lux berühmt machte.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Plüschpuppen im Netz auch als „Evil Twins“, also als böse Zwillinge ihrer Besitzer herhalten, an deren Stelle sie alles tun, was echte Menschen im korrekten Amerika nicht mehr dürfen. Rauchen zum Beispiel, fluchen und unumwunden obszön sein.
Links: