Obergrenze gegen Terrorfinanzierung
Mit einer einheitlichen Obergrenze für Barzahlungen möchte die EU die Finanzierung von Terror und anderen Straftaten im Euro-Raum verhindern. Europäische Zentralbank (EZB) und Oesterreichische Nationalbank (OeNB) sind strikt gegen eine solche Maßnahme. Derzeit sind die Bürger am Wort.
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Bis Ende Mai läuft eine Onlinebefragung der EU-Kommission über die mögliche Einführung einer Obergrenze für Barzahlungen. Basis ist ein im Februar 2016 beschlossener Aktionsplan gegen den Terror, im Zuge dessen auch die Einschränkungen von Bargeldzahlungen geprüft werden soll. Laut Angaben der EU-Kommission wurden die letzten Terrorattacken vor allem mit Bargeld finanziert - in welchem Umfang und genau für welche Zwecke das Bargeld dabei eingesetzt wurde, wollte die Kommission gegenüber ORF.at nicht sagen.
Neben Stellungnahmen von Bürgern werden laut Kommissionsprecher auch Inputs und Daten von betroffenen Stellen sowie Behörden und Institutionen gesammelt. Eine erste, informelle Runde unter Behörden und Institutionen gab es laut Kommission bereits, ein erstes Ergebnis der derzeit laufenden Onlinekonsultation soll im Sommer erscheinen. Auch weitere, ausführliche Diskussionen mit Behörden und Institutionen sind laut Angaben noch geplant.
Neun EU-Länder haben bereits Obergrenzen
In einigen EU-Ländern gibt es bereits Obergrenzen für Barzahlungen, vor allem in Ländern, die mit Korruption zu kämpfen haben. Unter den Euro-Ländern gilt in Griechenland eine Grenze von 500 Euro für Zahlungen zwischen Firmen und eine Grenze von 1.500 Euro zwischen Firmen und Kunden, in Portugal liegt die Grenze für Firmen bei 1.000 Euro, in Belgien bei 3.000 Euro. Obergrenzen gibt es außerdem in Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Slowenien und der Slowakei. Welche Obergrenze EU-weit möglich ist, ist derzeit noch offen.

ORF.at/Zita Klimek
Die EZB ist gegen eine Obergrenze für Barzahlungen
Die EU argumentiert, dass eine Vereinheitlichung der Obergrenzen im Euro-Raum der Wirtschaft helfen und Finanztourismus im Namen des Terrors in Länder ohne Obergrenze unterbinden würde. Allerdings sei Bargeld gerade im Bereich von Klein- und Mittelbetrieben (KMUs) das Zahlungsmittel der Wahl, sowohl im direkten Kontakt mit Kunden als auch mit Lieferanten. Diese Bereiche könnten laut EU unter einer Obergrenze auch zu leiden haben, daher sollen sie gezielt zu möglichen Auswirkungen befragt werden.
OeNB hat „keinerlei Interesse“
Die OeNB etwa hat „keinerlei Interesse“ an einer EU-weiten Obergrenze, hieß es auf Nachfrage von ORF.at - auch die EZB hat sich laut Kreisen im Namen ihrer Mitgliedsbanken bereits deutlich gegen eine einheitliche Obergrenze ausgesprochen. Bargeld sei wichtig, gebräuchlich und auf breiter Ebene „sehr akzeptiert“, so die OeNB. Der Kampf gegen Terror und Betrug sei zudem nur ein vorgeschobenes Argument, bestehende Mittel wie die in Österreich geltende Ausweispflicht ab 15.000 Euro Bargeld würden reichen.
Auch das Finanzministerium sehe die EU-Initiative „sehr kritisch“, hieß es gegenüber der APA unter Verweis auf einen Entschließungsantrag zur Beibehaltung des Bargelds, der im Februar 2016 im Nationalrat verabschiedet wurde. Für Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) ist Bargeld ein Stück „gedruckte und gerpägte Freiheit“, die erhalten bleiben muss. Schaffe man das Bargeld ab, würden auch Anonymität und Privatsphäre verloren gehen.
EU erwartet viel Widerstand
Die Debatte ist nicht neu und wurde zuletzt durch die Abschaffung des 500-Euro-Scheins Mitte vergangenen Jahres wieder entfacht. Unter anderem in Österreich wird sie, gerade von Populisten, sehr emotional geführt. Die EU-Kommission ist sich der Emotionalität des Themas bewusst, wie sie auch selbst in einer Risikofolgenabschätzung schreibt. Gerade wegen der emotionalen Besetzung müsse bei der Debatte grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es viel Widerstand gegen eine Obergrenze geben werde, heißt es darin.
Auch die EU erkennt an, dass Bargeld eine unkomplizierte, bewährte und oft die billigste Art ist, Zahlungen gerade im kleinen Bereich abzuwickeln. Bargeld erlaubt dem Benützer zudem ein Maß an Anonymität, das bei der Zahlung mit Kreditkarte oder Überweisung so nicht möglich ist. Doch genau diese Anonymität lockt auch Straftäter an, auch im Bereich Geldwäsche. Nun gelte es, die verschiedenen Interessenlagen abzuwägen, so die EU weiter.
Abschaffung erfordert Neuinvestitionen
Zudem sind eine Einschränkung und damit Umstellung auf andere Zahlungsarten auch mit Investitionen und damit weiteren Kosten verbunden. Laut einem Bericht der Arbeitsgruppe für finanzielle Maßnahmen (Financial Action Task Force, FATF) sind derzeit weltweit geschätzt vier Billionen US-Dollar Bargeld im Umlauf - trotz aller digitalen Zahlungsmöglichkeiten ist Bargeld also ein essenzieller Bestandteil des Wirtschaftskreislaufs.
Allerdings ist der physische Transport von Geld über die Grenzen oder auch via Post laut FATF nicht nur eine der ältesten, sondern weiterhin eine der gebräuchlichsten Arten der Geldwäsche. Gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung im Zahlungsbereich inklusive diverser Kontrollen hat die Attraktivität dieser Art des Geldtransports wieder zugenommen. Eine komplette Abschaffung des Bargelds würde all diese Probleme lösen, so die Kommission in ihrer Risikoabschätzung - der Aufwand wäre aber nicht proportional zum Ergebnis.
Nicht alles ist eindeutig zuordenbar
Die EU ist sich bewusst, dass andere anonyme Möglichkeiten wie Kryptowährungen (Bitcoin) ebenfalls für Straftäter interessant sein könnten - auch in diesem Bereich gibt es offenbar Überlegungen. Bei all dem gibt es allerdings einen Haken: Egal welches Zahlungsmittel eingesetzt wird, das Ziel einer Transaktion müsste eindeutig zuordenbar sein - denn ob nun ein Terrorist oder ein Tourist ein Zimmer bucht, ist für niemanden auf den ersten Blick erkennbar. Dessen ist sich auch die EU bewusst, bisher ohne Lösungsansatz.
Links:
Nadja Igler, ORF.at, aus Brüssel