Themenüberblick

Kritik an Merkel aus den eigenen Reihen

Das anhaltende Umfragehoch der SPD bereitet der Union der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mehr und mehr Sorgen. Sowohl in ihrer CDU als auch in der bayrischen Schwesterpartei CSU wird die Forderung nach einer härteren Gangart gegenüber SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz laut. Merkel solle endlich in den Wahlkampf starten, heißt es.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Wenn zum ersten Mal seit zehn Jahren die SPD die Union überholt, kannst du ja nicht sagen, das ist ein Zufallsstolperer“: Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sprach einigen in der Union damit wohl aus der Seele. Die Aufholjagd der SPD seit Beginn der Kandidatur von Schulz kam überraschend.

„Wird nicht reichen“

„Alle, die gesagt haben, es sei ein Strohfeuer, sind ein Stück widerlegt“, sagte Söder laut „Süddeutscher Zeitung“ am Rande eines Parteitreffens. „Ich glaube, es wird nicht reichen zu sagen, was man in der Vergangenheit gut gemacht hat.“ Merkel solle zusätzliche „Motivationsarbeit für die Basis“ leisten. Statt der SPD hinterherzurennen, müsse man „eigene bürgerliche Konzepte präsentieren“, so Söder, der gerne Steuersenkungen „schneller als geplant doch noch einmal diskutieren“ will.

Mehr Aktion verlangte auch CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe: Er forderte seine Partei auf, sofort in den Wahlkampf zu starten und sich Schulz zu stellen. „Wir müssen seinen Linkskurs und seine Faktenschwäche offenlegen“, sagte Gröhe der „Bild“-Zeitung. „Keine Ahnung ist schließlich noch keine starke Meinung.“ Auch der deutsche Parteienforscher Oskar Niedermayer riet Merkel, sich nicht weiter zurückzuhalten. „Ich denke, dass der Wahlkampf spätestens mit der Nominierung von Martin Schulz eröffnet war. Und dass Frau Merkel jetzt langsam durchaus darauf einsteigen sollte“, sagte Niedermayer der Deutschen Presse-Agentur.

Höhepunkt für SPD erreicht?

Die SPD liegt in Umfragen gleichauf mit der Kanzlerinpartei oder bekommt sogar mehr Zustimmung. Der Höhepunkt könnte damit bereits erreicht sein. In der jüngsten Erhebung des EMNID-Instituts für die „Bild am Sonntag“ erreicht die SPD 32 Prozent und liegt damit gleichauf mit der Union. Erstmals seit Schulz’ Kandidatur fiel die SPD wieder einen Prozentpunkt zurück. Drittstärkste Partei bleibt die AfD mit neun Prozent. Danach kommen die Linke (acht Prozent). Die Grünen und die FDP erreichen je sieben Prozent.

Eindeutiger ist das Ergebnis bei direktem Vergleich zwischen Merkel und Schulz. Laut der jüngsten Onlinebefragung des Meinungsforschungsinstituts Civey für den „Spiegel“ (Onlineausgabe) lag der SPD-Kandidat mit 43,5 Prozent klar vorne. Merkel erreichte nur 37,9 Prozent. Schulz selbst erwartet ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Wahl im September. „Über 20 Prozent der Wähler entscheiden sich erst in den letzten zehn Tagen, zwei bis drei Prozent erst unmittelbar am Wahltag“, sagte Schulz. „Möglicherweise kommt es am Ende genau auf diese zwei, drei Prozent an.“

CDU baut auf Stabilität

Die CDU baut hingegen auf Merkels Amtsbonus, wie am Wochenende am Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern deutlich wurde. Merkel wurde als Spitzenkandidatin der Nordost-CDU für die Wahl aufgestellt und erhielt dabei 95 Prozent der Stimmen. „Es ist eine Ehre, Deutschland zu dienen“, sagte Merkel. „Als wir an die Macht kamen, da war Deutschland der kranke Mann Europas, heute sind wir der Stabilitätsanker.“

Das dominante Wahlkampfthema scheint sieben Monate vor der Wahl schon gefunden - und ist ein klassisches Lagerthema: die umstrittenen Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010. Schulz will die einschneidenden Maßnahmen der damaligen rot-grünen deutschen Regierung teilweise zurückdrehen.

Merkel und das Erbe Schröders

Das von SPD-Kanzler Gerhard Schröder gegen großen Widerstand in den eigenen Reihen durchgesetzte Gesetzespaket führte zu einer Abspaltung von Teilen der Partei und letztlich auch zum Ende von Schröders von 1998 bis 2006 währender Amtszeit. Infolge der heftigen Debatte über die Reformen gab es Neuwahlen, aus denen Merkel als Siegerin hervorging.

Schulz will nun eine „Korrektur“: „Alles hat seine Zeit, hat schon der Prediger Salomon gesagt.“ 2003 habe es in Deutschland fast fünf Millionen Arbeitslose gegeben, heute gebe es Rekordbeschäftigung und Fachkräftemangel. „Die Arbeitsmarktpolitik muss immer an die aktuelle Situation angepasst werden“, so Schulz.

Merkel lehnt Änderungen klar ab und hebt die Bedeutung der Agenda 2010 für die wirtschaftliche Entwicklung hervor. „Aber die Sozialdemokraten mögen sich bis heute zu dieser Erfolgsgeschichte nicht bekennen“, sagte Merkel. „Man hat manchmal den Eindruck, sie schämen sich sogar dafür“, so Merkel am Landesparteitag. Härtere Worte ließ sie am Samstag andere sagen. Kräftiges Austeilen sei nicht Merkels Art, sagte der deutsche Politikwissenschaftler Martin Koschkar der dpa. Doch mit dem näher rückenden Wahltag werde auch sie andere Töne anschlagen.

Links: