Geschlossen - wenn es sein muss
Die jüngsten Umfragen haben bei der konservativen Spitze der deutschen Union die Alarmglocken schrillen lassen. Die außergewöhnlich guten roten Werte ließen CDU und CSU bei einem „Versöhnungsgipfel“ Anfang Februar Geschlossenheit demonstrieren. Merkel wurde zumindest zu Kanzlerkandidatin für beide Schwesterparteien gekürt. Der Streit über die Flüchtlingspolitik wurde vorsorglich ausgeklammert.
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Seit die SPD Martin Schulz Ende Jänner als Kanzlerkandidat nominiert hat, hat die Partei einen Höhenflug in den Umfragen. Erstmals überholte die SPD sogar CDU und CSU: Im INSA-Wahltrend für die „Bild“-Zeitung kam die SPD auf 31 Prozent, die Union fiel auf 30 Prozent.
Angesichts des roten Höhenflugs kamen nun CSU-Chef Horst Seehofer und Merkel für zwei Tage in München zusammen, um sich auf einen gemeinsamen Wahlkampf einzuschwören und Geschlossenheit zu demonstrieren. Schon zuvor hatten die Parteien wiederholt zur Harmonie aufgerufen, nur Eintracht bringe den Wahlsieg. Die Schwesterparteien wollten auch einen Schlussstrich unter ihren Dauerstreit über die Flüchtlingspolitik ziehen. Doch das Thema blieb bei den Beratungen gänzlich ausgeklammert - sicherheitshalber. Die Devise lautete einzig: Harmonie.
Feindbild Rot-Rot-Grün
Nach dem Gipfel Anfang Februar erschienen Merkel und Seehofer zur gemeinsamen Pressekonferenz. Die beiden Parteien arbeiteten ein Papier aus, das die Basis für ein gemeinsames Programm sein soll. „Orientierung geben, Zukunft sichern“ heißt es und soll die gemeinsamen Werte widerspiegeln, die vom „christlichen Menschenbild“ bis zur sozialen Marktwirtschaft reichen. Ziel sei es, so Seehofer, stärkste Fraktion im Bundestag zu bleiben und Rot-Rot-Grün zu verhindern.
Merkel wurde schließlich zur Kanzlerkandidatin beider Parteien gekürt. Sie hatte bereits im November ihre vierte Kanzlerkandidatur erklärt, im Dezember wurde sie offiziell gekürt. Seehofer hatte Merkel zunächst aber zappeln lassen, erst am Montag in München wurde sie auch als CSU-Kandidatin gekürt - nun „einhellig“ und „aus Überzeugung“, so Seehofer.
„Wir sind keine Hasen“
Thematisch kamen die beiden Unionschef einander nicht näher. Seehofer besteht weiterhin auf einer Verankerung einer Höchstzahl für Flüchtlinge im Koalitionsvertrag. Ansonsten werde die CSU im Falle eines Wahlsieges nicht mitregieren. „Wir sind doch keine Hasen, die im Feld hin und her hüpfen, je nachdem, wo gerade Regentropfen fallen. Wir machen nicht dieses Spiel jeden Tag und jede Woche, je nach Stimmungen“, hatte Seehofer schon zuvor gesagt.
Man stimme überein, dass sich das Jahr 2015 in puncto Zuwanderung nicht wiederholen solle, hieß es von beiden Seiten. Seehofer erklärte, die CSU-Haltung zur Flüchtlingspolitik in einem eigenen „Bayern-Plan“ festhalten zu wollen. Einen solchen hatte es bereits 2013 gegeben. Dieser soll neben dem gemeinsamen Wahlprogramm mit der CDU stehen. Merkel blieb ebenfalls bei ihrer Sicht auf eine Höchstzahl: „Ich habe nicht die Absicht, die Position zu ändern.“ Jetzt müsse man sich erst einmal damit beschäftigen, die Wahl zu gewinnen. „Damit bin ich erst mal voll ausgefüllt.“
Warnung vor der „linken Republik“
Der Streit über die Flüchtlingspolitik hatte die Union im vergangenen Jahr auf eine harte Probe gestellt. Seehofer hatte Merkel mit einer Verfassungsklage gedroht, sollte der Flüchtlingszuzug nicht eingedämmt werden. Auf dem CSU-Parteitag 2015 brüskierte der CSU-Chef Merkel auf offener Bühne: Er kritisierte sie eine Viertelstunde lang, während sie neben ihm stand. Er bezichtigte sie später einer „Herrschaft des Unrechts“. Merkel schließlich sagte die Teilnahme am CSU-Parteitag 2016 ab.
Auch wenn es inhaltlich an Gemeinsamkeiten mangelt, nun soll alles anders werden. Zeichen der Wiederbelebung sollte ein Geschenk sein, das Seehofer der aus Ostdeutschland stammenden Kanzlerin machte: ein Bild des CSU-Übervaters und einstigen Parteichefs Franz Josef Strauß auf der Westseite der Berliner Mauer. „Sie hat es historisch auch so eingeordnet, wie wir es wollten“, sagte Seehofer.
Für SPD „scheinheilig“
Nach Ansicht der roten Konkurrenz werde der neue Schulterschluss von CDU und CSU nicht von langer Dauer sein. SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, die einstigen Schwesterparteien seien mittlerweile nur noch „entfernte Verwandte“. Er sprach von einer „scheinheiligen Inszenierung“ nach „monatelangen Stänkereien“.
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