Folgen und Voraussetzungen unsicher
Die Koalition hat sich auf einen Gesetzesvorschlag zum Beschäftigungsbonus geeinigt - inklusive Einschränkungen, die den Zuzug von EU-Ausländern auf den Arbeitsmarkt einschränken sollen. Laut Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts lässt sich ein solches Vorgehen mit EU-Recht vereinbaren. Doch die Einschätzung stößt auch auf Widerspruch.
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Die „Idee, dass die heimischen Arbeitskräfte geschützt werden, widerspricht diametral dem Binnenmarktgedanken und ist daher unionsrechtswidrig“, sagte der Linzer Europarechtler Franz Leidenmühler am Montag gegenüber Ö1. Ein solcher Eingriff in die Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU „wird vom EuGH sicher nicht akzeptiert werden“, so der Jurist - Audio dazu in oe1.ORF.at.
Anders sieht das Leidenmühlers Kollege Walter Obwexer. Für den Innsbrucker Europarechtsexperten können die Regierungspläne durchaus mit dem EU-Recht vereinbar sein. Obwexer verwies am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal auf Luxemburg, das bereits „ähnliche Regelungen“ eingeführt hat. Der EuGH habe damals festgestellt, dass Mitgliedsstaaten aus „Beschäftigungs-, Arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gründen“ Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit vornehmen dürften, so Obwexer - Audio dazu in oe1.ORF.at.
Kern warnt vor Lohndumping
Unbeantwortet ist neben der rechtlichen auch die - ganz grundsätzliche – Frage, ob ein allgemeiner Jobbonus tatsächlich den Druck auf den heimischen Arbeitsmarkt erhöhen würde. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) argumentiert damit, dass die Arbeitslosigkeit wegen des Zuzugs von EU-Ausländern auf den Arbeitsmarkt steige - und er das nicht „weiter fördern“ wolle. Kern verweist regelmäßig auf Entsendungen aus anderen EU-Staaten und die damit einhergehende Gefahr des Lohndumpings.
Konkrete Berechnungen fehlen
Konkrete Zahlen oder Berechnungen, wie sich ein uneingeschränkter Beschäftigungsbonus auf den Arbeitsmarkt auswirken würde, fehlen allerdings. Einzig ein allgemeiner Trend lässt sich für die vergangenen Jahren feststellen. Die Zahl der Erwerbstätigen aus dem EU-Ausland stieg zuletzt deutlich stärker als jene der inländischen Erwerbstätigen. Für 2014 verzeichnete die Statistik Austria rund 307.800 Erwerbstätige aus dem EU-Ausland. 2016 erhöhte sich die Zahl um über 55.000 auf 357.300. Der Zuwachs bei den österreichischen Erwerbstätigen betrug im gleichen Zeitraum nur rund 32.000.
Diese Zahlen enthalten allerdings auch alle Selbstständigen. Und es lässt sich daraus nicht ablesen, wie viele der EU-Ausländer bereits zuvor in Österreich - und vielleicht auch beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet - waren. Das AMS vermittelte im vergangenen Jahr jedenfalls rund 585.400 Menschen. Davon waren nicht ganz drei Viertel Inländer. Von den Ausländern hatte etwas mehr als die Hälfte einen EU-Pass.
Entsendung nicht gleich Arbeitnehmer
Im Hinblick auf Arbeiter, die aus dem EU-Ausland entsendet werden, sprach Kern zuletzt von 180.000 Entsendungen für das Jahr 2016. Offizielle Zahlen liegen für das vergangene Jahr noch nicht vor. 2015 registrierte die zuständige Stelle im Finanzministerium aber 133.679 Entsendungen aus dem EU-Ausland. Allerdings ist das nicht mit der tatsächlichen Zahl der entsendeten Arbeitskräfte gleichzusetzen. Denn ein Arbeitnehmer kann auch mehrmals im Jahr entsendet werden. Die „Anzahl der Personen ist deutlich geringer“, schreibt das AMS in einem Bericht zu dem Thema.
Wirtschaft befürchtet Einschränkungen
Für Rainer Eppel, Arbeitsmarktexperte des WIFO, ist die Beschränkung auf heimische Arbeitskräfte eine gerechtfertigte Maßnahme: „Ich kann besser sicherstellen, dass gezielt Jobchancen von Arbeitslosen verbessert werden“, so Eppel gegenüber Ö1. Zugleich gab der Wirtschaftsforscher aber zu bedenken, dass höhere Auflagen am Ende dazu führen könnten, dass Unternehmen weniger Mitarbeiter einstellen.
Eine ähnliche Sorge äußerte am Sonntag bereits die Wirtschaftskammer Österreich (WKO). „Aus Sicht der Wirtschaft können wir nur davon abraten, Beschäftigungsimpulsen den Schwung zu nehmen, indem wir sie immer weiter stutzen“, so WKÖ-Experte Martin Gleitsmann in einer Aussendung.
Laut Gleitsmann gibt es überdies bereits ein sehr ähnliches Förderinstrument, die Eingliederungsbeihilfe für beim AMS gemeldete Arbeitslose. Beim AMS hielt man sich am Montag mit einer Einschätzung zurück. „Wir begrüßen die Senkung der Lohnnebenkosten und alle Maßnahmen, die dazu beitragen, Jobsuchende rasch wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, hieß es auf Nachfrage von ORF.at.
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