Warnungen und Kritik von Opposition
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Dienstag im Nationalrat jene Verschärfungen in Sachen Sicherheit, Überwachung und Fremdenrecht verteidigt, die sich die Bundesregierung für den Rest der Legislaturperiode vorgenommen hat. Während er - sekundiert von der SPÖ - von einem „Meilenstein in eine sichere Zukunft Österreichs“ sprach, kamen von der Opposition Warnungen und Kritik.
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Anlass war eine Aktuelle Stunde, in der es auf ÖVP-Initiative um „Sicherheit in Österreich und Europa vor dem Hintergrund von Migrationskrise und Terrorbedrohungen“ ging. ÖVP-Generalsekretär Werner Amon gratulierte Sobotka zu Beginn, dass er sich mit seinem Paket - von der „Gefährder“-Fußfessel über die Erfassung von Prepaid-Handywertkarten und die elektronische Kennzeichenerfassung bis zur Vorratsdatenspeicherung - bei den Regierungsverhandlungen durchgesetzt habe.
Der Innenminister schlug den Bogen vom Terrorismus aus vermeintlich religiösen Motiven zur Migration und von dort zur Radikalisierung junger Menschen in Österreich. Die Zuwanderung brauche deutliche Grenzen, um das Sozial- und Gesellschaftssystem nicht zu überfordern. Es gehe darum, „den Landsleuten jenes Sicherheitsgefühl zu geben, das sie verdienen“. Sorgen und Ängste dürfe man nicht nur ernst nehmen, man müsse sie auch ausräumen, meinte Sobotka. SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl pflichtete dem bei. Man müsse heutigen Bedrohungsszenarien Rechnung tragen, er freue sich auf die parlamentarische Debatte.
FPÖ fordert einmal mehr „Grenzen dicht“
Seitens der Opposition zeigte sich Walter Rosenkranz (FPÖ) von diesen Ankündigungen unbeeindruckt, habe es vom Vollverschleierungsverbot bis zur Fußfessel doch längst Anträge seiner Fraktion für solche Verschärfungen gegeben, während die Regierung auf „Grenzen auf, Augen zu“ gesetzt habe. Seine Forderung: „Nullzuwanderung, null illegale Massenzuwanderung, und das geht nur mit ‚Grenzen dicht‘.“ Ähnlich sah das Robert Lugar (Team Stronach). Sicherheit sei Regierungspflicht, meinte er, bisher habe diese aber das Gegenteil verursacht.
Pilz: Sobotka „Gefährder von Freiheit und Offenheit“
Diametral anders fiel die Kritik von Grünen und NEOS aus. Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz ortete Sobotka an der Spitze der „Gefährder von Freiheit und Offenheit“ der Gesellschaft. „Die FPÖ hat die ÖVP gezwungen zu diesem Sicherheitspaket“, sagte er, „die ÖVP die SPÖ. Und ein sozialdemokratischer Bundeskanzler stellt sich her, um uns das zu verkaufen.“
Ratlos zeigte er sich darüber, welche abstrakten „Gefährder“ denn nun eine Fußfessel bekommen sollten. Wenn die Meinungsdelikte salafistischer Hassprediger gemeint seien, müsse man wohl auch an Hassposter auf FPÖ-Websites und (rechtsextreme, Anm.) Identitäre denken, meinte Pilz.
Niko Alm von NEOS verwies auf die Diskrepanz zwischen subjektiver und tatsächlicher Sicherheit. Sobotka habe die Begriffe Migration und Sicherheit vermengt, kritisierte er. Sicherheitsmaßnahmen müssten stets ausgewogen sein, denn „sonst hat der Terror gewonnen“.
Verfassungsjuristen orten Probleme bei Fußfessel
Aus der Sicht von Verfassungsjuristen ist der Plan, „Gefährder“ zur Terrorprävention mit Fußfesseln auszustatten, nicht so leicht umzusetzen: Bernd-Christian Funk hat „Zweifel, ob eine solche Maßnahme überhaupt in einer verfassungskonformen Weise durchgeführt werden kann“. Theo Öhlinger sieht das Vorhaben „wenn überhaupt, nur an der Grenze des verfassungsrechtlich gerade noch Zulässigen“.
Bei Personen, die einer terroristischen Straftat verdächtigt werden, etwa „Rückkehrern“, wird im Regelfall Untersuchungshaft verhängt. „In Fällen, in denen die Gefährdung nur abstrakt ist und die Untersuchungshaft unverhältnismäßig wäre, wird die elektronische Fußfessel als gelinderes Mittel angestrebt und durch die Gerichte entschieden“, heißt es im neuen Regierungsprogramm.
„Eingriff in die persönliche Freiheit“
Verfassungsexperte Funk ortet gleich mehrere rechtliche Probleme. Weil die Fußfessel wohl mit einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit verbunden sei, handle es sich um einen „Eingriff in die persönliche Freiheit“, und das sei „ein grundrechtliches Problem“, erläuterte Funk. Eine Fußfessel ohne gerichtliche Verurteilung „ist vergleichbar einer Präventivhaft“, betonte der Jurist außerdem.
Eine richterliche Verfügung genüge nicht. Es brauchte eine genaue Definition, unter welchen Bedingungen jemand ein „Gefährder“ sei und welche Verfahren angewendet würden, um das auch immer wieder zu überprüfen, meinte Funk. Allerdings hat der Jurist „Zweifel, ob eine solche Maßnahme überhaupt in einer verfassungskonformen Weise durchgeführt werden kann“. Abgesehen davon bezweifelt Funk auch, dass die Maßnahme für den gewünschten Zweck geeignet ist.
Auch Verfassungsexperte Öhlinger hält es für „unverzichtbar“, dass man genau definiert, wer ein „Gefährder“ ist und welche die Gründe sind, um eine Fußfessel zu verhängen. Außerdem müsse es eine richterliche Anordnung geben. Er könne sich zwar vorstellen, dass eine solche Regelung „gerade noch hält“, meinte Öhlinger, wirklich definieren könne diese Grenze letztlich aber nur der Verfassungsgerichtshof.
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