Die Agenda von Assmann und Aufreiter
Sieben ausländische Museumsdirektoren sind im Dezember 2015 mit der Leitung wichtiger italienischer Museen betraut worden, darunter sind auch zwei Österreicher: Peter Assmann in Mantua und Peter Aufreiter in Urbino. Nach dem ersten Jahr ziehen die beiden Zwischenbilanz.
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Gegenwind aus dem italienischen Blätterwald ist vor allem für Aufreiter, den Direktor der Nationalgalerie der Marken in Urbino, spürbar. Aufreiter steht unter medialem Beschuss vonseiten des bekannt unbequemen Kunstkritikers Vittorio Sgarbi. Dabei geht es um eine Frau, die „Muta“. Der aus Urbino stammende Künstler Raffael hat sie 1507 gemalt, heute gehört sie zur Sammlung des Palazzo Ducale. Zu einer Raffael-Ausstellung reiste die „Muta“ in das Moskauer Puschkin-Museum.

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Peter Assmann
Mit Erlaubnis von Aufreiter, nicht aber zum Wohlgefallen von Sgarbi. Die italienische Nachrichtenagentur ANSA stilisierte die Meinungsverschiedenheit zum „Duell Aufreiter - Sgarbi“, bei dem es auch um eine Präsentation in Wien ging, die Aufreiter gemeinsam mit Assmann durchführte. „Alles hat damit begonnen, dass Sgarbi eine Ausstellung im Palazzo Ducale machen wollte, obwohl er in dessen wissenschaftlichem Beirat ist“, kontert Aufreiter, „inhaltlich kann man ja kritisieren, was man will, aber es sollte nicht persönlich werden.“
Die Märtyrer von Belfiore
„Meine Schwierigkeiten mit den Italienern legten sich sofort, als sie mich kennengelernt haben“, resümiert Assmann in Mantua. Dabei widmete sich der ehemalige Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen in seinem ersten Mantovaner Jahr auch sensiblen Themen, wie den „Märtyrern von Belfiore“, einer Gruppe junger Leute, die der Feldmarschall Radetzky wegen Hochverrat zum Tod am Galgen verurteilte. „Diese italienischen Patrioten waren bei mir im Palazzo eingekerkert“, erzählt Assmann, „die Kerker habe ich jetzt geöffnet, dabei agiere ich nicht als Österreicher, sondern als Historiker.“

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Der Palazzo Ducale in Mantua
Für den 1963 in Zams geborenen Tiroler Assmann ist naturgemäß auch Andreas Hofer ein Thema. In einem Pulverlager aus dem 19. Jahrhundert werden heute in Mantua zwei Gedenksteine für Hofer aufbewahrt. „Mantua gehört zu Hofer, die Bürger von Mantua haben gesammelt, um ihn freizulassen, doch es wurde ihnen nicht gestattet, vielmehr ließ Napoleon Hofer ganz bewusst hier erschießen“, betont Assmann, der vor allem auch Tiroler in sein Museum bringen will, „in der Landeshymne lautet das zweite Wort immerhin Mantua.“
Neue Räume sichtbar machen
Zwei Objekte, die aus dem Palazzo Ducale in Mantua stammen, konnte Assmann im internationalen Kunsthandel wieder zurückkaufen, ein Gemälde von Bonsignori und eine der Prunkwaffen der Palastwache der Gonzaga-Herzöge. Ausstellungen organisierte Assmann gemeinsam mit Sponsoren und Partnern. „Bis Mai hatte ich überhaupt kein Budget, ich wusste nicht, wie ich finanziell dastehe“, erinnert sich Assmann und er erklärt sein Konzept: „Meine Grundidee besteht darin, immer wieder neue Räume des Palazzo über Ausstellungen sichtbar zu machen.“
Eine Albrecht-Dürer-Ausstellung organisierte er dank seiner guten Beziehungen zur Albertina und zum Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste in kurzer Zeit. Drückend ist der Personalmangel. „Meine Sekretärin macht daheim unentgeltlich die Social-Media-Arbeit für den Palazzo.“
Das Haus der Brautleute
Inzwischen hat Kulturminister Dario Franceschini ein Budget von 12 Millionen Euro für Assmanns Bespielung des Palazzo Ducale in den kommenden drei Jahren freigegeben. Restaurierungsarbeiten, ein Artists-in-Residence-Programm und Ausstellungen sind zu organisieren. Die Steigerung der Besucherzahlen von beträchtlichen 50 Prozent im Jahr 2016 ist auf die Wiedereröffnung des „Hauses der Brautleute“ zurückzuführen.
„Wir haben hier in Mantua mehr Besucher als die Brera in Mailand und auch mehr als die Galleria dell’Accademia in Venedig.“ Egal ob Aus- oder Inländer, es geht in den Direktionsposten um das positive Tun und nicht darum, so wenig zu tun, dass man niemandem wehtut. „Wir müssen versuchen mit dem Personal, das über die Gewerkschaft unendliche Macht hat, klarzukommen.“
Seiner Passion der Flüchtlingshilfe kam Assmann in Mantua mit dem Festival Temi d’infanzia nach, welches auf Kooperation mit Flüchtlingen setzt. Als nächstes Projekt steht das Essen am Programm, Mantua ist 2017 Europäische Hauptstadt der Enogastronomie. Für 2018 hat Assmann eine Kooperation mit dem Louvre auf Schiene gebracht, es geht um eine Ausstellung der Zeichnungen des für Mantua prägenden Künstlers Giulio Romano.
Aufreiter im Herzogspalast von Urbino
„2016 war ein schlimmes Jahr für Italien“, meint Aufreiter in Urbino, „trotz der Erdbeben, die einen Besuchereinbruch ab August auslösten, konnte ich das Jahr mit vier Prozent mehr Besuchern abschließen, die Einnahmen stiegen sogar um 40 Prozent, weil ich die Ticketpreise auf 6,50 Euro angehoben habe.“ Momentan fehlt in Urbino noch das versprochene Personal, auf 30 neue Mitarbeiter wartet Aufreiter seit seinem Amtsantritt. Er muss auch den Museumsverbund der Marken mitverwalten.

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Der Arkadenhof des Palazzo Ducale von Urbino
„Ich habe Budget und Autonomie, aber der Museumsverbund bindet Kräfte. Das starre System hier muss aufgebrochen werden, aber ich habe die Mittel dazu und werde das auch machen.“ Ordner mit Listen voller Ideen stehen in Aufreiters Direktorenbüro, wo der 1974 in Linz geborene Kulturmanager gerne für insgesamt zweimal vier Jahre bleiben würde. Peter Aufreiters Frau stammt aus Urbino. Er lernte sie bei seinem Erasmus-Aufenthalt in der Hauptstadt der Marken kennen. „Meine Familie hat sich gut eingelebt, meine Kinder gehen hier in die Schule.“
Heimweh nach dem Belvedere
Aufreiter war Mitarbeiter im Belvedere in Wien, als er an der Ausschreibung für die Museumsdirektion in Urbino teilnahm. „Am Belvedere vermisse ich die gute Organisation und das exzellent funktionierende Team.“ An die 200.000 Besucher verbuchte Aufreiter 2016 in seinem Herzogspalast, wo er mit seiner Familie in einer Dienstwohnung wohnt. Der Auftrag des italienischen Kulturministers lautet, Besucherzahlen und Einnahmen in den Vordergrund zu stellen, nicht nur den Schutz der Kulturgüter, wie zu oft in Italien. Die Ausstellung „Spiele und Spielzeug von der Renaissance bis zum Barock“ hat Aufreiter vom Kunsthistorischen Museum in Amras übernommen und erweitert. Sie läuft noch bis 5. Februar.
Christina Höfferer, für ORF.at
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