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„Höchste Eisenbahn“

Hasspostings und anonymes Mobbing im Internet, Hetze und religiöse Eiferer - um aktuelle Bezüge zum mittlerweile 60 Jahre alten Bühnenklassiker „Hexenjagd“ von Arthur Miller herzustellen, muss man keinen weiten Umweg gehen. Für Regisseur Martin Kusej, der nach acht Jahren erstmals wieder in Wien inszeniert, ist es das Stück der Stunde.

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„Arthur Miller sagte selber, dass das ein Stück ist, das immer gespielt wird, wenn eine schlimme Zeit, eine Tyrannei gerade vorbei war, man noch eine Erinnerung daran hat oder wenn etwas am Horizont wieder auftaucht“, so der Kärntner im Interview mit „kultur.montag“. Das sei nun der Fall, nicht nur in Österreich, sondern in Europa und der ganzen Welt, es sei „höchste Eisenbahn“, auf die gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu reagieren.

Miller verfasste „Hexenjagd“ Anfang der 1950er Jahre. Die Geschichte basiert auf einem authentischen Fall aus dem Jahr 1692. Mit dem Stück schrieb Miller in der McCarthy-Ära gegen die Verfolgung von vermeintlichen Kommunisten in den USA an, aber auch gegen Massenwahn, bigotte Moral und religiösen Wahn.

Szene aus Arthur Millers "Hexenjagd"

Burgtheater/Georg Soulek

Martin Zehetgrubers düsteres Bühnenbild unterstreicht die beklemmende Atmosphäre, die Kusej zeigen will

Religiöser Terror und politische Manipulationen

Vor allem Letzteres ist für Kusej auch heute wieder ein zentrales Motiv, nicht nur durch Terrorattentate durch Islamisten, wie er im Interview erklärt. Er wolle Religionen nicht „per se“ attackieren - schlimm sei aber, „was damit gemacht wird, wenn religiöse Gefühle politisch-manipulativ benutzt werden“. Im Interview mit dem „profil“ nennt er als Beispiel dafür auch Norbert Hofers (FPÖ) Präsidentschaftswahlkampagne. Der Slogan „So wahr mir Gott helfe“ sei für ihn „Terror im Namen Gottes“ und „Propaganda der übelsten Sorte“.

Die FPÖ sei keine Partei der Toleranz und der Liberalität. „Sie wird totalitär sein und sich an allen rächen, die vorher die Klappe aufgemacht haben.“ Aber auch die SPÖ kritisiert der Burgtheater-Regisseur im „profil“-Interview: „Ich halte dieses defensive Taktieren und Abwarten nicht aus – gipfelnd in der Frage, ob man aus machtpolitischen Gründen eine Koalition mit der FPÖ eingehen könnte. Es müsste längst klar sein, dass diese Strategie nur zu Frustration, Depression und schließlich zum Verlust der Wähler führt.“

Martin Kusej

Robert Fischer

Martin Kusej, unter Klaus Bachler quasi Hausregisseur an der Burg, ist zurück in Wien

Kusej sieht es als eine Aufgabe des Theaters, Haltung zu zeigen, auch in dem Bewusstsein, dass das Theater ein sehr abgeschlossener Bereich sei. „Ich habe wirklich Angst davor, dass man irgendwann lieber den Mund halten muss, aus Angst vor Repressalien.“ Diese, und seine grundsätzliche Angst, in einem System beschuldigt zu werden, ohne zu wissen warum, will er in seiner „Hexenjagd“ schonungslos herausarbeiten.

Comeback mit alten Bekannten

Martin Zehetgruber, seit fast 30 Jahren Kusejs genialer Partner, zeichnet für das Bühnenbild verantwortlich. Schon die Szenenfotos vorab sprechen eine klare Sprache: Kalte Atmosphäre (Licht: Friedrich Rom) und düstere Farben dominieren, die Kostüme von Heide Kastler sind zurückgenommen und zeitlos. Die Liste der Burg-Stars auf der Besetzungsliste ist so prominent wie lang: Dörte Lyssewski, Ignaz Kirchner, Michael Maertens, Martin Schwab, Philipp Hauß, Barbara Petritsch, Sabine Haupt und Dietmar König - um nur einige zu nennen.

Hinweis

„Hexenjagd“ ist am 26. und 30. Dezember, am 4., 9. und 14. Jänner sowie am 3. Februar im Burgtheater zu sehen.

Abschied von Wien im Streit

Kusejs Comeback verspricht jedenfalls ein fulminantes zu werden. Und darauf scheint es auch hin programmiert: ein nahtloser Anschluss an eine Wiener Erfolgsserie, die 2008 abrupt ein Ende hatte. Bei der Bestellung Matthias Hartmanns als Burgtheater-Direktor fühlte sich Kusej übergangen - er bezeichnete die Wahl als „kulturpolitischen Skandal“ und brach die Zelte in Wien ab. 2014, nach dem Schuldeneklat galt der Liebling des Publikums und der Kritik als Wunschkandidat für die Nachfolge - immer wieder fiel sein Name vonseiten des Ensembles genauso wie von er Politik, doch Kusej winkte ab. Man möge den Schuldenberg abbauen, dann dürfe man ihn bitten. 2019 endet Karin Bergmanns Vertrag - gut möglich, dass man dann wieder bei ihm anklopft.

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