Enges Rennen erwartet
Vor dem italienischen Referendum über die geplante Verfassungsänderung am Sonntag deuten die Umfragen auf ein Nein hin. Die Hoffnungen der Regierung von Matteo Renzi liegen einerseits darin, dass die Demoskopen in Italien sich irren, andererseits hofft das Ja-Lager auf die wahlberechtigten Auslandsitaliener, die bereits per Briefwahl ihre Stimme abgeben mussten.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der Wahlkampf für das Verfassungsreferendum ist am Freitagabend mit den letzten Appellen von Renzi und den Gegnern der Verfassungsänderung zu Ende gegangen. Der Samstag und damit der letzte Tag vor dem Referendum darf laut italienischem Gesetz nicht mehr für Auftritte und Werbung genützt werden.

ORF.at
Der Stimmzettel des Verfassungsreferendums
So soll den Wählern Zeit gegeben werden, eine Entscheidung zu treffen. Die Veröffentlichung von Umfragen war bereits in den letzten beiden Wochen vor der Volksentscheidung verboten - die letzten Umfragen sahen das Nein-Lager in Führung. Verwiesen wurde aber auch auf eine große Zahl von Unschlüssigen.
Brief an Auslandsitaliener
Beobachter erwarten ein enges Rennen, weswegen die im Ausland stimmberechtigen rund vier Millionen Italiener bereits im Vorfeld als mögliches Zünglein auf der Waage gehandelt wurden. Renzi schickte an sie Briefe, mit denen er zu einem Ja zur Reform aufrief. „Mit dieser Reform wird Italien stärker und zählt auch wieder etwas im Ausland“, hieß es in dem Schreiben.
Das führte zu heftigem Protest der Oppositionsparteien. Sie warfen dem Premier „umstrittene Methoden“ vor und bemängelten, dass die Gegner der Verfassungsreform im Gegensatz zur Regierung nicht die Adressen der Auslandsitaliener erhalten haben, um diesen ebenfalls Appelle zu senden.
Anfechtung droht
Das Komitee, das die Kampagne für das Nein führt, will vor Gericht das Ergebnis des Referendums anfechten, sollte das Ja mit dem entscheidenden Beitrag der Stimmen der Auslandsitaliener siegen, die per Post wählen können. Wegen des Wahlmodus der Briefwahl sei die geheime Wahl nicht garantiert, meinte Professor Alessandro Pace, Präsident des Nein-Komitees in Rom.
Niemand könne wirklich garantieren, dass die Briefwahl nicht manipuliert werde. „Die Bedingungen für eine Anfechtung der Wählerstimmen der Auslandsitaliener sind vorhanden, sollten sie für das Endergebnis des Referendums entscheidend sein“, kommentierte Pace.
Hohe Beteiligung im Ausland
Am Donnerstag lief die Frist für die Briefwahl der Auslandsitaliener ab. Nach Angaben der Zeitung „La Repubblica“ war die Wahlbeteiligung im Ausland mit etwa 40 Prozent ungewöhnlich hoch. 1,6 Millionen Auslandsitaliener gaben demnach ihre Stimme ab. In Italien selbst können am Sonntag 46 Wahlberechtigte votieren.
Bis zum Schluss versuchten beide Lager, ihre Anhänger zu mobilisieren. Das Ergebnis werde über die Zukunft Italiens der kommenden 20 Jahre entscheiden, so Renzi am Freitag bei einer Abschlusskundgebung in Palermo. "Wenn Ja gewinnt, wird Italien ein einfacheres Land.
Seine Anhänger forderte Renzi auf, die noch unentschlossenen Wähler auf den letzten Metern zu überzeugen. „Es gibt viele davon, wir müssen sie einen nach dem anderen aufsuchen“, sagte der Regierungschef: „Alles entscheidet sich in den nächsten 48 Stunden.“
Grillo fordert Wahl nach Bauchgefühl
Gegen die Reform machen neben der rechtspopulistischen Lega Nord auch die Partei Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi und die Protestbewegung Fünf Sterne mobil. Der Anführer Beppe Grillo warf den Befürwortern Angstmacherei vor. Nichts werde passieren, wenn das Nein gewinne, sagte Grillo, der die Bürger zuvor aufgerufen hatte, mit Bauchgefühl und nicht mit Verstand zu wählen.
Sollte es bei einem Nein zum Rücktritt von Renzi und zu einer Neuwahl kommen, könnte Grillos Bewegung laut Umfragen zur stärksten Partei des Landes zu werden. Befürworter der Reform warnen aus diesem Grund auch vor einem „Gespenst des Populismus“, das etwa laut der Abgeordneten der regierenden Demokratischen Partei (PD), Laura Garavini, in Europa herumgehe.
Links: