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Grundlegende Änderungen waren geplant

Italiens Premier Matteo Renzi hat sie die „Mutter aller Reformen“ genannt - ein Großteil der Italiener hat sie am Sonntag abgelehnt. Die Verfassungsänderung hätte Italiens Grundgesetz nach fast 70 Jahren reformieren und das parlamentarische System modernisieren sollen.

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Weniger Senatoren: Künftig hätte der Senat nur noch aus 100 Sitzen statt aus 315 bestehen sollen. 74 Senatoren sollten Vertreter der Regionalparlamente, 21 Bürgermeister von Großstädten sein. Senatoren hätten nur noch sieben Jahre statt auf Lebenszeit im Amt bleiben sollen.

Die Fragestellung im Wortlaut

„Sind Sie für die Genehmigung des Verfassungsgesetzes betreffend Bestimmungen zur Überwindung des paritätischen Zweikammersystems, Reduzierung der Zahl der Abgeordneten, Eindämmung der Kosten für das Funktionieren der Institutionen, Abschaffung des CNEL und Überarbeitung des V. Titels des II. Teils der Verfassung, das vom Parlament verabschiedet und im Gesetzesblatt Nr. 88 vom 15. April 2016 kundgemacht wurde?“

Mandatsdauer: Die Dauer des Mandats eines Senators wäre an die Legislatur seines Regionalrats bzw. seines Landtags gebunden gewesen. Auf die bisherigen Gehälter von bis zu 15.000 Euro monatlich hätten Senatoren verzichten müssen und nur noch die Gehälter ihrer Regionalparlamente bekommen sollen. Kein Land im Westen leistet sich ein so großes und teures Parlament wie Italien.

Zweikammersystem: Der Senat wäre künftig nur noch für eine begrenzte Zahl von Gesetzen zuständig gewesen und wäre bei Vertrauensabstimmungen nicht mehr gefragt worden. Bindend wäre die Zustimmung des Senats nur noch bei internationalen Verträgen, bei Verfassungsreformen, bei der Wahlgesetzgebung sowie beim Familienrecht und Minderheitenschutz gewesen.

Das seit 70 Jahren geltende und blockadeanfällige Parlamentssystem mit zwei gleichberechtigten Kammern hätte damit abgeschafft werden sollen. Es führt dazu, dass Gesetzesinitiativen oft jahrelang zwischen den beiden Häusern hin und her geschoben werden.

Vorrangige Gesetze: Die Regierung hätte künftig die Abgeordnetenkammer bitten können, sich prioritär mit Gesetzesentwürfen zu befassen, die sie für wichtig hält.

Verfassungsgericht: Die Abgeordnetenkammer hätte drei Verfassungsrichter wählen sollen, der Senat zwei. Die Corte Costituzionale hätte sich künftig über die Rechtskonformität des Wahlgesetzes aussprechen müssen.

Referendumsrecht: Das Referendumsrecht sollte erweitert werden. Erstmals waren auch Volksabstimmungen über die Einführung von Gesetzen vorgesehen. Aktuell sieht die Verfassung lediglich Referenden zur Abschaffung bereits geltender Gesetze vor.

Wahlmodus für den Staatspräsidenten: Das Staatsoberhaupt sollte vom Parlament in einer Geheimabstimmung möglichst mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Nach dem vierten ergebnislosen Wahlgang hätte eine Mehrheit von drei Fünfteln der Wahlberechtigten genügt, um das Staatsoberhaupt zu wählen. Nach dem siebenten Wahlgang wäre die Mehrheit auf drei Fünftel der tatsächlich Abstimmenden gesenkt worden.

Zentralismus: Der italienische Staat hätte den Regionen zahlreiche Zuständigkeiten entzogen, vor allem im Bereich Energie, Infrastrukturen, Gesundheit und Zivilschutz. Die Provinzen, die mittlere Ebene der Gebietskörperschaften Italiens, wären abgeschafft, mit Ausnahme der autonomen Provinzen Bozen und Trient. Auch der in der Verfassung verankerte Nationalrat für Wirtschaft und Arbeit (CNEL) wäre weggefallen.

Wahlgesetz: Wäre die Verfassungsänderung per Referendum abgesegnet worden, hätte die Regierung eine deutlich stärkere Stellung als derzeit erhalten, weil in den vergangenen Monaten auch das Wahlrecht für das Abgeordnetenhaus geändert wurde. Bei der nächsten Wahl hätte die stärkste Partei automatisch 54 Prozent der Sitze erhalten, wenn sie mehr als 40 Prozent der Stimmen erreicht.

Der künftige Regierungschef wäre nicht mehr von zerstrittenen Koalitionen abhängig gewesen, was Italien eine stärkere politische Stabilität bescheren sollte. 63 Regierungen hat es in den vergangenen 70 Jahren in Italien gegeben.

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