Langersehntes Ende in Stars Hollow
Neun Jahre ist es her, dass sich die „Gilmore Girls“ nach sieben Staffeln von ihren Zusehern verabschiedet haben. Ihren Erfolg verdankte die US-Fernsehserie den stakkatoartigen, witzigen Wortwechseln, den reihenweise geschickt platzierten Musikzitaten und Filmreferenzen sowie dem ungewöhnlichen Mutter-Tochter-Gespann, in dem sich die Rollen oft vertauschten.
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Eine „Tochter erzieht Mutter“-Beziehung, viel zu schnelle Dialoge und der im Ohr hallende „La, la, la“-Singsang sind nur einige der wenigen Eigenheiten, die aus der Kultserie „Gilmore Girls“ in Erinnerung geblieben sind. Die Charaktere sind zugänglich und die Episoden kamen stets ohne viel Drama aus, machten sich dafür inhaltlich jedoch mit umso mehr „Shaft“-, „The Shining“- und George-Michael-Analogien beliebt.

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Die gute alte Zeit: Lorelai, Luke und Rory in einem Still aus der fünften Staffel
Kaffeeüberschuss, Zynismus und Emanzipation
Die witzigen Dialoge und die charmant-zynischen Charaktere sind der Arbeit von Drehbuchautorin Amy Sherman-Palladino („Roseanne“) und ihrem Ehemann und Mitproduzenten Daniel Palladino („Family Guy“) zu verdanken. Zusammen haben sie im Jahr 2000 die „Gilmore Girls“ im Milieu des fiktiven verschlafenen Kaffs Stars Hollow in Connecticut erstmals zum Leben erweckt.
Die Serie, die fast gänzlich ohne Handys und Internet auskam, in der Kaffee, Filme und Musik zu wichtigen Nebenfiguren wurden, zeigte außerdem, dass Mutter und Tochter beste Freundinnen sein können und - obwohl in einer hinterwäldlerischen Kleinstadt aufgewachsen - durchaus emanzipierte Ansichten auf das Leben entwickeln können.
Durch ihre Unverdorbenheit und Leichtigkeit stach „Gilmore Girls“ gegenüber anderen Serien hervor, die vor und nach der Jahrtausendwende über die Fernsehschirme liefen, wie etwa das schnulzige Teenager-Drama „Dawson’s Creek“ (1997 bis 2003), die drei gegen bösartige Dämonen kämpfende Hexen aus „Charmed“ (1998 bis 2006) und die exzentrische Clique aus „Friends“ (1998 bis 2004).
Siebente Staffel „nicht echt“
Von 2000 bis 2006 war Sherman-Palladino nicht bloß für diese ganz speziellen Geschichten verantwortlich, die Autorin war gleichzeitig Produzentin und Regisseurin – und das jedes Mal unter enormem Zeitdruck. In der Regel zähle ein Drehbuch für eine Serienepisode im Durchschnitt 45 bis 50 Seiten, die Drehbücher für die „Gilmore Girls“ allerdings umfassten zwischen 75 und 80 Seiten Dialog pro Folge.

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So sehen die „Gilmore Girls“ heute aus
Aufgrund dieser Umstände bestand sie auf größere personelle Unterstützung, so Sherman-Palladino im Interview mit „Entertainment Weekly“ vor einigen Jahren. Das wurde ihr nach eigenen Aussagen nicht zugesagt und daraufhin verließ das Produzentenduo nach der sechsten Staffel die Show. Eingefleischte Fans bezeichneten deshalb die siebente und letzte Staffel nicht als „echte ,Gilmore-Girls‘“, da sie nicht die Handschrift Sherman-Palladinos trägt.
Ein Jahr in vier Episoden
Spät, aber doch: Nach 16 Jahren wurde die „Mutter“ der Serie zusammen mit ihrem Ehemann von Netflix engagiert und konnte endlich ihr langersehntes Ende umsetzen. Die vier 90-minütigen Episoden, die jeweils in einer Jahreszeit spielen, können nahtlos an die letzten Ereignisse anknüpfen. „Seltsamerweise haben wir nun das Ende, das eigentlich für die letzte Staffel vorgesehen war. Die Produzenten der siebenten Staffel hätten etwas schreiben können, das unser Ende geändert hätte, das haben sie aber nicht“, so Sherman-Palladino zu „Entertainment Weekly“.
Richards Tod als Katalysator
Mit der richtigen Autorin und der Originalbesetzung scheint der Nostalgiefaktor perfekt. Neben Lauren Graham als Lorelai und Alexis Bledel als Rory spielt auch Kelly Bishop wieder Emily (Lorelais Mutter), Scott Patterson Lorelais große Liebe Luke und Melissa McCarthy ihre beste Freundin Sookie. Auch Rorys On-Off-Männer Dean (Jared Padalecki) und Jess (Milo Ventimiglia) übernehmen wieder eine tragende Rolle.
Nur der 2014 verstorbene Edward Herrmann, der stets Lorelais versöhnlichen Vater Richard mimte, fehlt, und wird dennoch gleichzeitig zum Katalysator der Staffel. Sein Begräbnis ist Angelpunkt für die Wiedervereinigung der Gilmore-Frauen, von denen sich jede offenbar in ihrer eigenen Krise befindet: Lorelais Beziehung mit Luke scheint zu einem beunruhigenden Stillstand gekommen zu sein, Rory kämpft seit Jahren damit, als Journalistin in New York Fuß zu fassen, und Emily versucht verzweifelt, sich nach dem verfrühten Tod Richards wieder zurechtzufinden.
Romantik kommt zuerst
Dass sich die Fans der Serie seit der Ankündigung einer neuen Staffel insbesondere mit der Frage beschäftigen, ob Rory zum Schluss nun mit Dean oder Jess zusammenkommen wird, ist für Sherman-Palladino zwar verständlich, dennoch stand für die Erfinderin und jahrelange Begleiterin der Figur eher Rorys persönliche Entwicklung anstatt jugendlicher Gefühlsduselei im Vordergrund.
„Es ist ganz natürlich, dass sich die Leute nach Romantik sehnen. Aber Rory verbrachte ihre Tage nicht damit, darüber nachzudenken: ,Mit wem werde ich wohl zusammenkommen?‘“, so Sherman-Palladino im Interview mit der „Time“. Ihre Beziehungen seien nur ein kleiner Teil dessen, was Rory ausmache, und sie trugen lediglich dazu bei, sich besser in das Mutter-Tochter-Verhältnis hineinzufühlen, fügte die Autorin hinzu.
Ob nun Jess oder Dean, wird sich zeigen. Die Trailer deuten jedoch bereits an, dass sich trotz dieser langen Pause nicht viel verändert hat. Die Gilmores sind immer noch kaffeesüchtig, das größte Problem der Einwohner von Stars Hollow ist die Frage, ob die Telefonzelle abmontiert werden soll, und die Filmanalogien beziehen sich anstatt auf „Shaft“, eben auf Ben Affleck in „Batman gegen Superman“. Die neuen Folgen sind dem alten Schema treu geblieben und Sherman-Palladino liefert ihren Anhängern damit schlussendlich doch noch die lang gewünschte und „wahrhaftige“ Abschlussstaffel.
Yasmin Szaraniec, für ORF.at
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