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Konjunkturschwäche und Bankenkrise

Die dunklen Wolken über der italienischen Wirtschaft wollen sich nicht verziehen. Neben der anhaltenden Wachstumsschwäche, der Bankenkrise und einer hohen Staatsverschuldung drohen auch noch politische Risiken. Sollte das Verfassungsreferendum scheitern, könnte das die Reformpolitik von Premierminister Matteo Renzi infrage stellen.

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Zu Jahresbeginn sah es noch ganz so aus, als ob sich das italienische Wirtschaftswachstum beschleunigen würde und das Land so langsam seine Wirtschaftskrise überwinden könnte. Zuletzt trübte sich die Lage aber wieder etwas ein. Die Bankenkrise belastet die Wirtschaft. Im zweiten Quartal stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Bei Unternehmen und privaten Haushalten erhobene Stimmungsindikatoren signalisieren auch für Herbst keine Besserung.

Im Gegensatz zur Euro-Zone insgesamt hat sich die Wirtschaft Italiens von den Schocks der Finanzkrise 2008 und der Euro-Krise 2012 immer noch nicht erholt. So ist die ebenfalls durch die Euro-Krise stark belastete spanische Wirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich stärker gewachsen als Italien.

Strukturelle Probleme

Stark regulierte Arbeits- und Produktmärkte, eine schwache demografische Entwicklung sowie eine schwerfällige und oft korrupte Bürokratie belasten schon seit Jahren die Entwicklung. In kaum einem anderen Land der Euro-Zone sind die Bedingungen für Unternehmen so schwierig. Laut dem „Ease of doing Business“-Indikator der Weltbank, der die Rahmenbedingungen für Unternehmen misst, befindet sich Italien nur auf dem 45. Platz, hinter Ländern wie Rumänien, Bulgarien und Portugal. Zum Vergleich: Deutschland belegt Platz 15.

Das schwache Wachstum erschwert auch die Lösung der in diesem Jahr wieder aufgeflammten Bankenkrise. Viele faule Kredite belasten die Bankbilanzen. Es ist ein Teufelskreis. Schwache Banken vergeben weniger Kredite. Das bremst die Wirtschaftsentwicklung. Doch gerade die Geldhäuser sind wiederum auf eine starke Wirtschaft angewiesen, um ihre Bilanzen aus eigener Kraft zu stärken.

133 Prozent Verschuldung

Die Gesamtverschuldung des italienischen Staates ist mit rund 133 Prozent im Verhältnis zum BIP die zweitgrößte in der Euro-Zone nach Griechenland. Italien hat zwar in den vergangenen Jahren seine Haushaltsdefizite gesenkt. Die Regierung ist jedoch immer hinter den Vorgaben der EU-Kommission zurückgeblieben. Jetzt fordert die italienische Regierung nach dem Erdbeben in Zentralitalien mit fast 300 Toten und rund 400 Verletzten neue Ausnahmen für den Haushalt.

Ende der Reformpolitik?

Die größte politische Gefahr für Italien geht wohl von dem von Regierungschef Renzi anberaumten Verfassungsreferendum aus. Die Abstimmung findet am 4. Dezember statt. Renzi will unter anderem die Macht der zweiten Kammer, des Senats, stark beschneiden. Reformen sollen so erleichtert und das durch häufige Regierungswechsel geprägte politische System stabilisiert werden. Eine Niederlage könnte die Reformpolitik gefährden.

Ein Gesetz für Liberalisierungen und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist bereits fast durch das Parlament gekommen. Nach Ansicht vieler Ökonomen gelten die bisherigen Reformen noch nicht als ausreichend - und ein Ende der Reformpolitik könnte aus ihrer Sicht die Zukunftsfähigkeit des Landes infrage stellen.

Drohende EU-kritische Regierung

Ein Rücktritt Renzis dürfte zu Neuwahlen führen und könnte laut Umfragen die EU-kritische Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht bringen. Den Bürgermeisterposten von Rom hat sie bereits erobert. Die Protestbewegung stellt die Zukunft Italiens in der Währungsunion infrage und fordert ein Referendum über den Austritt aus der Euro-Zone. Eine durch Italien ausgelöste mögliche neue schwere Finanzkrise könnte nach Einschätzung von Ökonomen die Folgen eines „Brexits“ in den Schatten stellen.

Jürgen Sabel, dpa

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