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„Dormstorms“ bei Studenten

Es geht um jede einzelne Stimme - dieses Motto gilt unmittelbar vor der US-Präsidentschaftswahl vor allem im kleinen US-Bundesstaat New Hampshire. Besonders an diesem letzten Wochenende versuchen Republikaner und Demokraten, so viele Wählerinnen und Wähler wie möglich zu erreichen.

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Canvassing - das Werben um jede Stimme per Telefon und vor allem durch Von-Haus-zu-Haus-Gehen - erreicht nun seinen Höhepunkt. Auch in der Unistadt Durham, eine gute Autostunde nördlich von Boston, wird heftig wahlgekämpft. In New Hampshire sind gleich drei große Wahlen äußerst knapp: Die Gouverneurswahl, die Senatswahl und vor allem die Präsidentschaftswahl: Es ist kein Zufall, dass noch am Montag Präsident Barack Obama im Sportstadion der Uni in Durham vor allem die „Millennials“ für Hillary Clinton gewinnen will.

Von Bernie zu Hillary

Sie sind US-weit, vor allem aber in Städten wie Durham, wo auf rund 15.000 Bewohner rund ebenso viele Studenten kommen, besonders entscheidend. Mobilisiert wird da bis zuletzt - etwa mit abendlichen „Dormstorms“, also dem Werben um die Stimmen der Jungen in ihren Studentenzimmern auf dem Campus.

Auch wenn in den demokratischen Vorwahlen mehr als 60 Prozent für Clintons internen Konkurrenten Bernie Sanders stimmten, sind demokratische Wahlkämpferinnen überzeugt, dass allen klar sei, dass Clinton jetzt die bessere Wahl sei.

Listen, Fragen und Hakerl

In Gesprächen mit Vertretern der lokalen Demokratischen Partei wird klar: Man ist zwar überzeugt, besser organisiert zu sein und daher mehr Wählerinnen und Wähler mobilisieren zu können. Und das ist in Bundesstaaten wie New Hampshire, wo es kein „Early Voting“ (die Öffnung von Wahllokalen an mehreren Tagen vor dem Wahltag, Anm.) gibt, besonders wichtig. Doch ob Clinton tatsächlich siegen wird - da herrscht auch unter ihren größten Anhängern in Durham große Unsicherheit.

Der Bürgermeister der zwei Stunden entfernten Stadt New Bedford (Massachussetts), Jon Mitchell, ist extra angereist, um die Wahlhelfer zu motivieren. In seinem Bundesstaat sei die Wahl „langweilig, aber hier ist es ganz anders“. Massachussetts ist tiefblau - ein Sieg Clintons gewiss. Mitchell betont, dies sei eine Richtungsentscheidung für das Land.

„Eine der ungewöhnlichsten Wahlen seit Langem“

Für Jon Mitchell ist es eine der ungewöhnlichsten Wahlen, die es seit Langem in den USA gab. Und die Alternativen seien selten zuvor so weit auseinander gelegen wie diesmal.

Wie ein Einblick in die „Ground-Operation“, also die Wahlkampfarbeit an der Basis, am Samstag zeigt, ist diese gut organisiert. In mehreren Schichten schwärmen Freiwillige den ganzen Tag über mit Namenslisten bestückt aus, um an die Türen all jener zu klopfen, die als demokratische Wähler oder als Unabhängige registriert sind. Längst geht es nicht mehr darum, Republikaner zu überzeugen, sondern nur noch darum, sicherzugehen, dass all jene, die sich zu Clinton bekennen, ihre Stimme auch wirklich abgeben.

Demokratische Wahlwerber in der kleinen Universtätsstadt Durham

ORF.at/Guido Tiefenthaler

Gute Stimmung beim Verteilen der Namenslisten

Die wichtigste Datenbank

Im Detail wird dabei zu jeder wahlberechtigten Person im Haushalt abgefragt und angehakerlt, ob man für Clinton und ob man für Maggie Hassan, die demokratische Kandidatin für den Senat, stimmen wird. Sobald die Wahlhelfer zurückkommen, werden die Daten in den Computer eingetragen: Sie sind die entscheidenden Daten, auf deren Basis Clinton - bzw. auf republikanischer Seite Trump - ihre Wahlkampfauftritte planen.

Demokratische Wahlwerber in der kleinen Universtätsstadt Durham

ORF.at/Guido Tiefenthaler

Auch per Telefon wird versucht, Wahlberechtigte dazu zu bringen, sich zur Stimmabgabe für Clinton zu verpflichten

Das demokratische „Hauptquartier“ in Durham befindet sich in einem Privathaus. Die Gastgeber halten bereits am frühen Vormittag für die Freiwilligen Kaffee und Kuchen zur Verstärkung bereit. Freiwillige Helfer aus anderen Bundesstaaten, vor allem Junge, sind ebenfalls hier im „Swing-State“ im Einsatz.

Unabhängige als große Unbekannte

Dann wird ausführlich erklärt, wie man vorgehen soll und Antworten richtig festhält. Volle Konzentration auf die registrierten Demokraten lautet dabei die Devise. Wenn Zeit sei, solle man freilich auch zu den unabhängigen Wählern gehen. Sie könnten gerade bei knappen Rennen wie in New Hampshire Clinton entscheidende Prozentpunkte und damit Wahlmännerstimmen kosten.

Letzte Instruktionen für Clinton-Wahlhelfer bevor sie ausschwärmen. #orfelections2016

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Seit Wochen, so erläutert die lokale Wahlkampforganisatorin Susan Roman, sei man bemüht, den unabhängigen Wählern klar zu machen, dass eine Stimme etwa für die grüne Kandidatin Jill Stein de facto eine Stimme für Donald Trump sei. Einer der Wahlhelfer, Warren Daniel, fühlt sich an das Jahr 2000 erinnert: Damals erhielt der nachmalige Präsident George W. Bush in New Hampshire um rund 7.000 Stimmen mehr als der Demokrat Al Gore - der grüne Kandidat Ralph Nader kam auf 22.000 Stimmen. „Ohne Nader wäre Gore Präsident geworden“, so Daniel.

Guido Tiefenthaler, ORF.at, aus New Hampshire

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