„Gab mir ein zweites Leben“
Außerhalb Chinas nahezu unbekannt, gilt Jin Xing in der Volksrepublik inzwischen als größte TV-Ikone. Manche sprechen von ihr bereits als Oprah Winfrey Chinas - nach dem Vorbild der US-Talklegende. Mit ihrer wöchentlichen Jin-Xing-Show im chinesischen Fernsehen erreicht sie inzwischen über 100 Millionen Zuseher.
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Selbstverständlich ist dieser Erfolg angesichts ihrer bisherigen Laufbahn nicht. Immer wieder kratzte sie an Tabus im autoritär regierten China. Selbst bei den in ihre Show geladenen Persönlichkeiten gibt sie sich kaum Mühe, politisch korrekt zu sein. Ihre ursprüngliche Karriere machte sie als Bub und Mann - als gefeierter Balletttänzer, begleitet von einer beachtlichen Militärkarriere.

Screenshot tv.sohu.com/s2014/jxtkx
Die heute 49-jährige Jin wurde als Sohn aus Korea nach China eingewanderter Eltern geboren. Erst 1995, im Alter von 28 Jahren, unterzog sich Jin der ersten offiziell akzeptierten Geschlechtsumwandlungsoperation in China. Möglicherweise hatte auch die damalige Bekanntheit als Tänzer zu der unerwarteten Akzeptanz geführt.
Schläge zum Training
Jin galt als Tanzwunderkind. Schon mit neun Jahren trat er in eine prestigereiche Tanztruppe ein, die innerhalb der chinesischen Volksarmee für Propagandazwecke eingesetzt wurde. Die Kindheit war damit vorbei. Es habe ständig physische und mentale Misshandlungen gegeben, sagte Jin gegenüber dem Magazin „Hollywood Reporter“: „Ich habe jeden Tag während des Trainings schwere Schläge bekommen, weil das Teil der chinesischen Mentalität ist.“ Das Magazin widmete Jins Leben nun einen langen Bericht.
Unter diesen Bedingungen erhielt Jin als Teil der Armee eine professionelle Ballett- und Akrobatikausbildung parallel zum militärischen Training. Er lernte die Arabesque genauso wie den Umgang mit Maschinengewehren. Mit 17 gewann er den ersten nationalen Tanzwettbewerb. In der militärischen Laufbahn erreichte er den Rang eines Unteroffiziers, später sogar eines Obersts.
Erfolge in USA, Operation in China
Mit einem Tanzstipendium schaffte es Jin mit 19 Jahren aus der Umklammerung des Propagandatanzens der Armee und nach New York. Jin startete erneut von null, baute aber eine große Tanzkarriere auf mit Preisen von zahlreichen Tanzfestivals, gelobt von Medien wie der „New York Times“. Es folgten Engagements in Europa von Brüssel bis Rom.
Erst im Ausland beschäftigte sich Jin mit seiner Sexualität. Sie habe schon mit sechs Jahren gewusst, dass sie ein Mädchen sein sollte, so Jin heute. In den USA sei sie frei gewesen, sich zu entdecken und diese Fragen zu stellen. Auch wenn es im Ausland leichter gewesen wäre, entschied sie sich für die Geschlechts-OP in China: „Ich musste nach China zurück. Meine Mutter hat mir mein erstes Leben gegeben, das als Chinesin. Ich gab mir ein zweites Leben“, sagte sie im Interview mit dem „Hollywood Reporter“.
Drei Kinder im Land der Einkindpolitik
Ein Zwischenfall bei der Operation hätte ihre Tanzkarriere fast völlig zerstört. Ein Bein wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Diese Zeit beschrieb Jin als die härteste ihres Lebens. Strenges Training und Therapien stellten sie innerhalb eines Jahres wieder her. Als Alleinerzieherin adoptierte sie drei Waisenkinder - im China der Einkindpolitik. Erst 2005 heiratete sie den deutschen Geschäftsmann Heinz-Gerd Oidtmann, den sie im Flugzeug von Paris nach Schanghai kennengelernt hatte.
„Will mit Oprah reden“
Sie blieb dennoch dem Tanz treu, trat aber selbst etwas mehr in den Hintergrund. Sie gründete eine eigene Tanztruppe, später das Jin Xing Dance Theatre. „Ich wollte einfach auf der Bühne sein - schon im Alter von vier Jahren“, erklärt Jin ihren frühen Zugang zum Tanzen.
Die Bühne musste sie trotz ihres Kürzertretens als Tänzerin dennoch nicht verlassen. Als Schauspielerin übernahm sie immer wieder kleinere, manchmal größere Rollen. Als strenge Jurorin in der TV-Tanzshow „So You Think You Can Dance“ (etwa: „Du glaubst also, du kannst tanzen“) begann ihre Popularität weiter zu steigen. Dieses Engagement dürfte auch ausschlaggebend gewesen sein dafür, dass sie 2014 ihre eigene Talkshow bekam. Auch diese ist mit Tanzeinlagen versehen, mit Jin als einziger Jurorin.
Und was kommt als Nächstes? Bei Hollywood zögert sie noch - auch wenn die Filmangebote mehr würden. Doch eines Tages würde sie gerne nach Amerika zurückkehren - vor allem aus einem Grund, sagte sie gegenüber dem „Hollywood Reporter“: „Ich möchte mich mit Oprah (Winfrey, Anm.) treffen und mit ihr reden.“
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