Studie zeigt Weg der Radikalisierung
In europäischen Gefängnissen nimmt die Gefahr einer islamistischen Radikalisierung der Insassen zu. Die Gefängnisse entwickelten sich zu Rekrutierungszentren von Dschihadisten, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Zentrums für die Untersuchung von Radikalisierung und politischer Gewalt (ICSR).
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So entstehe eine „neue Verbindung zwischen Kriminalität und Terror“. Für die Studie „Criminal Pasts, Terrorist Futures: European Jihadists and the New Crime-Terror Nexus“ wurden von den Forschern am Londoner King’s College die Werdegänge von 79 Dschihadisten aus Belgien, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden untersucht. 57 Prozent der Untersuchten waren vor ihrer Radikalisierung bereits inhaftiert, mindestens 27 Prozent radikalisierten sich im Gefängnis.
Fähigkeiten von Kriminellen gut zu gebrauchen
Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) konzentriere sich bei ihren Rekrutierungsbemühungen nicht so sehr auf Hochschulen und religiöse Einrichtungen, sondern zusehends auf sozial Schwache und Kriminelle, heißt es in der Studie. In Gefängnissen seien leicht „wütende junge Männer“ zu finden, die für eine Radikalisierung „reif“ seien. Dschihadisten könnten dann auf „übertragbare Fertigkeiten“ wie Erfahrungen im Waffengebrauch und bei der kriminellen Geldbeschaffung zurückgreifen.
Seit 2011 seien schätzungsweise 5.000 Menschen aus Westeuropa in die Krisengebiete in Nahost gereist, um sich dort dschihadistischen Gruppierungen anzuschließen, heißt es in der ICSR-Studie weiter. Der Kampf an der Seite von anderen Dschihadisten biete einigen früheren Gefängnisinsassen mit kriminellem Hintergrund eine Form der „Erlösung“.
Weltbankstudie über Bildungsniveau
Rekruten für den IS sind einer neuen Studie der Weltbank zufolge hingegen in der Regel gebildeter als der Durchschnitt ihrer jeweiligen Landsleute. Fast ohne Ausnahme verfügen sie demnach bei ihrem Beitritt zu der vor allem in Syrien und im Irak tätigen Organisation über ein höheres Bildungsniveau. „Armut ist kein Antrieb für eine Radikalisierung hin zu gewalttätigem Extremismus“, heißt es in der Studie. Diejenigen, die sich als Selbstmordattentäter anböten, rangierten sogar in der Gruppe der Gebildeteren.
Von den 3.800 Rekruten aus einem in die Öffentlichkeit gelangten Datenbestand schlossen nur 17 Prozent nicht die Oberschule ab, ein Viertel verfügte über eine Hochschulbildung. Nur die IS-Anwärter aus Osteuropa lägen unter dem Durchschnitt, heißt es in der Studie mit dem Titel „Wirtschaftliche und soziale Inklusion zur Vorbeugung von gewalttätigem Extremismus“.
Die meisten der 3.800 Rekruten hatten demnach einen Job, bevor sie aus aller Welt anreisten, um sich dem IS anzuschließen. Bei denjenigen, die sich für Selbstmordanschläge bewarben, gab es allerdings viele, die zuvor arbeitslos oder beim Militär waren.
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