Der Zuseher und seine Konflikte
Mit „Terror - Ihr Urteil“ betreten der ORF, die deutsche ARD und der Schweizer Rundfunk (SRF) Neuland. Produzent Oliver Berben ist sich dessen durchaus bewusst. „Wofür steht heute Programm und öffentlich-rechtliches Fernsehen?“, umriss der 45-Jährige vor Journalisten den Grundgedanken des TV-Dramas mit Publikumsbeteiligung.
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Dabei ist in den Augen des gebürtigen Müncheners das eigentliche Abstimmungsergebnis sekundär: „Es geht am Ende nicht so sehr um die Frage, wie viele auf schuldig und wie viele auf unschuldig plädieren, sondern man bereitet den Boden für die Diskussion: Wie wichtig ist uns der Erhalt unserer offenen Gesellschaft, bei der man nicht alles zugunsten der Sicherheit aufgibt.“
Ob das Mischformat aus Film, Votum und begleitender Talkshow ein singuläres Ereignis bleibt, hinge nun von der Akzeptanz bei den Zuschauern ab: „Wenn die Menschen das Interesse haben, sich in dieser Form mit einem Thema auseinanderzusetzen, gibt es keinen Grund, sich nicht weitere Vorhaben zu überlegen.“
Fortsetzung nicht ausgeschlossen
Auch ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner strich den diskursiven Aspekt des Formats heraus, den man in aller Tiefe behandeln wolle: „In einer Zeit, in der eine behauptete Wahrheit schnell im Netz landet, ist das entscheidend. Es ist der breite Impuls für eine Diskussion, die auch einmal länger als zehn Sekunden dauert.“
Eine Fortsetzung ist in ihren Augen deshalb auch nicht ausgeschlossen: „Ich bin überzeugt davon, dass man Zitronen nicht so lange ausquetscht, bis sie keinen Saft mehr geben. Aber punktuell, wenn es gesellschaftlich relevant ist und die Unterstützung zu einem Meinungsbildungsprozess, halte ich das für wertvoll.“
Fitz: Sympathie beeinflusst Urteil nicht
Den Ball bei den Sehern sah Hauptdarsteller Florian David Fitz, der den Kampfpiloten Lars Koch spielt: „Das Drama ist gar nicht, was wir spielen - sondern der Konflikt, in den wir die Zuschauer bringen.“ Er selbst habe lange mit sich bei der Frage ringen müssen, ob seine Figur des Angeklagten zu verurteilen sei oder nicht.
Auch wenn man dem Gedanken folge, dass das Leben des Menschen unermesslich und deshalb nicht gegeneinander aufzuwiegen sei, bleibe für ihn ein Widerspruch darin, eine Gleichwertigkeit in der Frage zu sehen, ob Zehntausende sterben oder nur ein Mensch: „Man könnte sonst im Umkehrschluss sagen, dass Genozid dasselbe ist wie ein Mord. Das ist es aber nicht. Insofern bleibt ein moralischer Zwiespalt.“
Dass er als Sympathieträger in der Hauptrolle den Entscheidungsprozess der Zuschauer beeinflusse, glaubt der 41-jährige Kinostar nicht: „Ich weiß nicht, ob man das nicht überschätzt. Am Ende wird die Entscheidung, dass man mich sympathisch findet, vielleicht zu 0,0003 Prozent den Ausschlag geben.“
Herausforderung für die Schauspieler
Lars Eidinger, der den Verteidiger Biegler spielt, hat nach eigenen Angaben die Reduziertheit der Inszenierung von „Terror“ angezogen, die er im TV als Wagnis empfinde: „Ich finde das toll - man müsste sich das viel mehr trauen, weil die Leute da so versaut sind. Die Aufmerksamkeitsspanne ist dank Instagram und Co. auf ein Minimum geschrumpft. Bei ‚Terror‘ ist der Zuschauer schon ganz schön herausgefordert.“
Diese Herausforderung habe es aber auch für die Schauspieler gegeben, gebe es in „Terror“ doch lange Plansequenzen ohne Schnitt. „Das Schlimme ist ja: Wenn ich einen Shakespeare-Text auswendig lerne, kann ich den sechs, acht Jahre verwenden. Hier kann ich ihn in dem Moment, in dem abgedreht ist, vergessen. Das ist natürlich schrecklich, weil ja auch so viel Arbeit drinsteckt.“
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