Online auf der Überholspur
Das Auto der Zukunft ist nicht nur elektrisch, sondern auch online. Beim Pariser Autosalon präsentieren die Hersteller auf mehr als 120.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche ihre Zukunftspläne. Mehr und mehr werden die Autos von Fahrzeugen zu digitalen Schaltzentralen.
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„Es steht außer Frage, dass digitale Dienste für Autohersteller überlebensnotwendig sind“, sagt Peter Fintl, Automobilexperte der französischen Innovationsberatung Altran. Andreas Hecht von Inrix, einem Anbieter von Echtzeit-Verkehrsinformationen und Zulieferer vieler Fahrzeughersteller, sagt: „Vernetzung wird bald zur Basisausstattung von Autos gehören. Schon heute sind etwa ein Viertel der Neuwagen vernetzt, für das Jahr 2020 liegen gängige Schätzungen zwischen 50 und 70 Prozent.“
Konzerne schielen auf neue Geschäftsmöglichkeiten
Die neuen mobilen Geschäftsmöglichkeiten locken allerdings auch neue Spieler auf den Markt - nicht, um Autos zu bauen, sondern um Services anzubieten. Denn hier erwarten Experten Margen bis zu 30 Prozent des Umsatzes - jedenfalls weitaus mehr als im Autogeschäft, wo die Premiumhersteller kaum über zehn Prozent hinauskommen. IT-Konzerne wie Google und Apple gingen anders an das Geschäft heran, sagt Autoexperte Stefan Bratzel.

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„Die denken anders: schneller, vom Kunden her und gleich global.“ Doch auch bei den Autokonzernen hat das Umdenken längst eingesetzt. „Vernetzung, autonomes Fahren, Sharing und Elektromobilität - jeder dieser vier Trends hat das Potenzial, unsere Branche auf den Kopf zu stellen“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. „Die Revolution ist, die vier Trends intelligent zu verknüpfen.“
In Paris sind bereits einige Beispiele zu sehen, die diesen Trend verdeutlichen. Opels neues Elektroauto ist selbstverständlich vernetzt, genau wie Daimlers Neufahrzeuge. Das Konzept der Stuttgarter für die neue Elektromarke EQ ist ebenso onlinefähig wie Volkswagens E-Kompaktwagen-Studie. BMW führte seine jetzt runderneuerte Plattform „Connected Drive“ schon vor Jahren ein.
Auch Carsharer sind Kunden
Nach Opel probiert Daimler in den USA die Möglichkeit aus, das eigene Auto fremden Nutzern bereitzustellen. VW feilt unter seiner neuen Marke an Carsharing-Ideen. „Künftig wird längst nicht mehr jeder ein eigenes Auto besitzen“, sagt VW-Chef Matthias Müller, „aber jeder kann auf die eine oder andere Art Kunde von Volkswagen sein.“

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Für die Kommunikation zwischen Autos haben die Hersteller ebenfalls längst Blaupausen entworfen. Daimler testet mit seinem Zulieferer Bosch in Stuttgart ein Parkplatzservice, bei dem Sensoren der Fahrzeuge genutzt werden, um freie Stellflächen am Straßenrand aufzuspüren und diese Information zu teilen. Porsche denkt schon ans selbstständige Einparken des Sportwagens beim Restaurantbesuch. Sind die Autos online und damit jederzeit zu orten, bieten sich auch neue Möglichkeiten für Flottenmanagement und Carsharing.
Von der Nische zur Masse
Doch lässt sich damit in Zukunft auch Geld verdienen? Ja, sagt Peter Fuß, Autoexperte der Unternehmensberatung EY: „Das ist ein Massenthema mit hohen Skaleneffekten.“ Bei einer jährlichen Zuwachsrate von knapp einem Viertel, rechnen die Kollegen von PricewaterhouseCoopers (PwC) vor, dürften sich die Umsätze mit der vernetzten Mobilität weltweit von geschätzten 47,2 Mrd. Euro 2017 auf 140 Mrd. Euro im Jahr 2022 verdreifachen.
Bis jetzt kann von Masse allerdings noch keine Rede sein. Heuer werden wohl erst 12,4 Millionen Fahrzeuge vom Band rollen, die entweder über eingebaute Modems oder zusätzliche Geräte mit dem Internet verbunden werden können, so die US-Analysefirma Gartner. Erst 2020 dürften weltweit 61 Millionen onlinefähige Autos gebaut werden.
Autokonzerne gegen Apple, Google und Co.
Trotzdem, so Philipp Große Kleimann von der Beratungsfirma Roland Berger, dürften die Autohersteller das Feld nicht anderen überlassen. Es gehe darum, wie einst Apple mit dem iPhone, iOS und App Store und Google mit Android ein ganzes „Ökosystem“ um das Auto zu bauen. Die Frage sei, wer am Ende an der Kundenschnittstelle sitze - Technologiefirmen oder Autoproduzenten.

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„Es braucht hier eine gemeinsame Initiative von Verbänden und Herstellern“, so Große Kleimann. Googles Smartphone-Betriebssystem Android ist aus einer solchen offenen Allianz entstanden. Bisher feilen vor allem die Oberklassehersteller jeder für sich an Möglichkeiten der Vernetzung, um die teuren Systeme gleich in ihre Autos zu integrieren. Für Porsche-Chef Oliver Blume ist trotz vieler möglicher Kooperationen klar: „Wer das Produkt verkauft, der schreibt auch seinen Namen drauf.“
Wer sich auskennt, hat die Nase vorn
Allerdings drängten schon jetzt, so heißt es von der Beratungsfirma Roland Berger, neue Anbieter ins Auto, die sich mit Vernetzung auskennen. Schon bei der Hardware gebe es Lösungen, die preislich deutlich unter den großen Systemen der Hersteller lägen - und auch alte Autos vernetzen könnten. „Die Autos in Deutschland sind im Schnitt neun Jahre alt“, sagt Große Kleimann. Etwa 94 Prozent verfügten aber über eine Schnittstelle zur elektronischen Diagnose. „Damit lassen sich Informationen aus dem Auto auf das Smartphone aufspielen.“ Auf absehbare Zeit würden solche Nachrüsttechnologien dominieren.
Die Analysten von PwC rechnen damit, dass sich bedeutende Teile der Wertschöpfung auf Mobilitätsdienstleister, Anbieter und Zulieferer verlagern werden. Der Anteil der Hersteller am Gewinn der gesamten Mobilitätsbranche werde bis 2030 von 70 Prozent auf 50 Prozent fallen - trotz aller Anstrengungen der großen Konzerne.
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