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Premierministerin nennt erstmals Termine

Großbritannien wird bis Ende März das Verfahren nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages zum Austritt aus der Europäischen Union einleiten. „Wie sie wissen, habe ich immer gesagt, dass wir es (den Verhandlungsprozess, Anm.) nicht vor Jahresende auslösen werden, damit wir Vorbereitungen treffen können“, sagte die britische Premierministerin Theresa May am Sonntag in der BBC.

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„Aber ja, ich werde in meiner Rede heute sagen, dass wir Artikel 50 vor Ende März nächsten Jahres auslösen werden“, fügte sie vor ihrer Rede auf dem Parteitag ihrer Konservativen Partei hinzu. Die verbleibenden 27 EU-Mitglieder drängen May seit der Entscheidung der Briten für das Ausscheiden aus der Europäischen Union zu einem schnelleren Beginn der Verhandlungen. Die Phase der Unsicherheit müsse so kurz wie möglich sein. Die Austrittsverhandlungen müssen nach spätestens zwei Jahren abgeschlossen sein.

Aufhebungsgesetz im April oder Mai

Zur Frage, wie die Beziehungen Großbritanniens zur EU künftig gestaltet werden sollen, hält sich May weiter bedeckt. In einem Interview mit der „Sunday Times“, das am Sonntag teilweise veröffentlicht wurde, kündigte May eine Gesetzesinitiative an, durch die EU-Recht in Großbritannien aufgehoben werden soll.

Das „Great Repeal Bill“ („Großes Aufhebungsgesetz“) soll bei der Thronrede der Queen, die für April oder Mai erwartet wird, ins Parlament eingebracht werden. Damit soll ein Gesetz von 1972 aufgehoben werden, mit dem Großbritannien der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) beigetreten war. Das Aufhebungsgesetz soll zudem den Vorrang von EU-Recht aufheben und alle EU-Regelungen in britisches Recht übertragen. Das britische Parlament soll diese dann auch ändern können.

Das Aufhebungsgesetz sei für Großbritannien die „erste Etappe“, um „wieder ein souveränes und unabhängiges Land zu werden“, sagte May der „Sunday Times“. In Kraft treten soll das Gesetz aber erst, wenn Großbritannien tatsächlich aus der EU ausgetreten ist, wie May sagte. Damit wird spätestens zwei Jahre nach dem Beginn der Austrittsverhandlungen gerechnet.

Warten auf weitere Details

Am 23. Juni hatten sich die Briten in einem historischen Referendum zum Austritt aus der EU entschieden. May übernahm kurz darauf den Parteivorsitz und den Posten an der Regierungsspitze von David Cameron. Bisher hatte es May vermieden, sich auf Details festlegen zu lassen. Erst nach der offiziellen Austrittserklärung können die auf zwei Jahre befristeten Verhandlungen über die Entflechtung der Beziehungen zwischen Großbritannien und den 27 verbleibenden EU-Staaten beginnen.

Termin für Abspaltung

Die britische Premierministerin Theresa May verkündet erste Details zum Zeitplan.

Mays Ankündigung kam kurz vor Beginn des Parteitags der britischen Konservativen am Sonntag in Birmingham. Das Treffen der Regierungspartei dürfte von der Diskussion über den „Brexit“ bestimmt werden. Mays erste Parteitagsrede als Vorsitzende der Torys wird mit Spannung erwartet. Wie May der BBC sagte, will sie in der Rede weitere Details ihres „Brexit“-Fahrplans verraten.

Tiefe Gräben innerhalb der Torys

Fraglich ist, ob es May bei der viertägigen Konferenz gelingen wird, ihre Partei auf eine gemeinsame Linie für die anstehenden Verhandlungen einzuschwören. Selbst innerhalb des Kabinetts ist heftig umstritten, ob Großbritannien zugunsten strengerer Einwanderungsregeln für EU-Bürger auf einen Zugang zum Europäischen Binnenmarkt verzichten sollte. May wollte sich bisher dazu nicht festlegen lassen.

„Brexit“-Minister David Davis und Handelsminister Liam Fox werben beinahe unverhohlen dafür, den gemeinsamen Markt zugunsten strengerer Einwanderungskontrollen zu verlassen. Finanzminister Philip Hammond will den Zugang zum Binnenmarkt angeblich um jeden Preis erhalten. Außenminister Boris Johnson glaubt, dass ein Kompromiss mit der EU gefunden werden kann, der seinem Land sowohl Zugang zum Binnenmarkt als auch Kontrolle über die Einwanderung erlaubt.

Die Premierministerin warnte bisher, man dürfe seine Strategie nicht schon vor Beginn der Verhandlungen preisgeben. Beobachter glauben, dass die Gräben innerhalb der Partei immer tiefer werden, sollte May den Parteitag nicht nutzen, um eine gemeinsame Linie vorzugeben. Eine letzte Gelegenheit dazu böte sich am Mittwoch, wenn May ihre Abschlussrede hält.

„Schweigen ist keine Strategie“

Ein unabhängiger Thinktank hatte erst am Freitag die britische Regierung kritisiert, weil sie ihre Pläne und Zeitpläne für den „Brexit“ geheim hält. „Schweigen ist keine Strategie“, heißt es in dem Bericht des Institute for Government. May müsse rasch klarstellen, wie sie die Verhandlungen mit der EU gestalten will. Vor allem solle sie sagen, wann sie die Verhandlungen beginnen möchte. Das Schweigen darüber verunsichere.

Zugleich errechnete das Institut, die Verhandlung würden London jährlich rund 65 Millionen Pfund (75,4 Mio. Euro) kosten. Die zuständigen Ministerien müssten dazu mindestens 500 zusätzliche Beamte anstellten. Das Institut kritisierte auch, dass drei Ministerien mit dem Thema „Brexit“ befasst seien: das Außenministerium, das neu geschaffene „Brexit“-Ministerium sowie das Ministerium für Internationalen Handel. Das führe zu politischen Reibungsverlusten.

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