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Gespräch mit Erdogan fraglich

Der wohl heikelste Termin hat noch den Status „to be confirmed“, er muss also noch bestätigt werden: Denn ob Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Mittwoch am Rande der UNO-Generaldebatte auch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen wird, war beim Abflug am Sonntag noch nicht gesichert. Ein ebenfalls brisantes Meeting mit Kanadas Premier Justin Trudeau wurde bereits für Montag fixiert.

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Die Stimmung zwischen Wien und Ankara ist derzeit angespannt, weil sich sowohl Kern als auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei starkmachen und eine andere Form der künftigen Kooperation andenken wollen. Die Türkei reagierte entsprechend verschnupft und ließ beispielsweise die archäologischen Grabungen in Ephesos vorzeitig stoppen. Österreichische Wissenschaftler sind dort mit kurzen Unterbrechungen seit 1895 tätig.

Kern glaubt an breite Zustimmung

Kern ging am Freitag nach dem EU-Sondergipfel von Bratislava allerdings von einer Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus. Dass andere EU-Staaten keinen Abbruch wollten, erklärte der SPÖ-Chef mit „großen Sorgen, dass die Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei nicht hält“.

Recep Tayyip Erdogan, türkischer Präsident

Reuters/Presidential Palace/Yasin Bulbul

Ob es tatsächlich zum Gespräch mit Erdogan kommen wird, ist fraglich

„In der Analyse“ erfahre die österreichische Position zu den Türkei-Beitrittsverhandlungen durchaus Zustimmung, sagte Kern mit Blick auf die wirtschaftliche und demokratische Entwicklung des Kandidatenlandes nach dem Putschversuch im Juli und fügte hinzu: „Ich bin ganz fest überzeugt, dass die Türkei, so wie sie dasteht, nicht der EU beitreten wird.“

Keine Kehrtwende in Türkei-Frage

Dass Kern in der Türkei-Frage in Bratislava eine Kehrtwende gemacht habe, wie die „Frankfurter Sonntagszeitung“ berichtet, wurde am Wochenende vom Bundeskanzleramt vehement bestritten. Vielmehr habe der Kanzler „vor, während und nach der Sitzung“ am Freitag an seiner Position festgehalten und das auch kundgetan, hieß es.

Ob Kern seine Position und Vorbehalte gegen diplomatische Protestmaßnahmen oder die Einstellung der Ephesos-Grabungen in New York auch direkt mit Erdogan besprechen kann, steht noch in den Sternen. Auf dem Programmzettel des Bundeskanzlers ist bei dem betreffenden Termin lapidar vermerkt: „Angefragt, eventuell 21.9.“

Trudeau will CETA-Kritiker besänftigen

Mit Trudeau wird Kern die Debatte über das umstrittene Freihandelsabkommen CETA (EU/Kanada) fortsetzen, die sie bereits am Mittwoch in einem mehr als halbstündigen Telefonat geführt hatten. Trudeau will die Kritiker aus Österreich besänftigen, um den Vertrag beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober in Brüssel zu unterzeichnen. Kern bezeichnete CETA bisher als „so nicht umsetzungsreif“ und kündigte dazu eine SPÖ-Mitgliederbefragung an.

Justin Trudeau, Kanadas Premier

Reuters/Christinne Muschi

Kanadas Premier Trudeau will Österreich CETA schmackhaft machen

CETA ist auch einer jener Punkte, in denen die SPÖ-ÖVP-Koalitionspartner höchst uneins sind und sich das gegenseitig auch medial ausrichten. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bezeichnete CETA jüngst als „gutes und faires Abkommen“. Es bestünden aber in Österreich weiter „öffentliche Bedenken und Zweifel, denen ernsthaft und sachlich begegnet werden muss“. Dazu würde eine gemeinsame Erklärung der EU und Kanadas beitragen.

Kern und Kurz reisen getrennt an

Dass Kern und Kurz am Sonntag die Reise nach New York mit ihren Delegationen in getrennten Flugzeugen antraten, wurde im Vorfeld des UNO-Flüchtlingsgipfels am Montag und der am Dienstag beginnenden Generaldebatte, bei der auch der Syrien-Krieg und der Klimaschutz zur Sprache kommen sollen, heruntergespielt.

Es sei eben ein günstiges Angebot für eine Gruppenreise in Anspruch genommen worden, ließ das Außenministerium zur Umbuchung auf einen anderen Flug wissen. Für New York war offiziell jedenfalls großkoalitionäre Harmonie angesagt. Für Sonntag wurde letztlich sogar ein gemeinsames Abendessen beider Delegationen arrangiert.

Abschiedsbesuch bei Ban Ki Moon

Gemeinsam werden Kurz und Kern auch dem per Jahresende aus dem Amt scheidenden UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon noch einmal ihre Aufwartung machen. Bilateral wird der Bundeskanzler neben Trudeau und möglicherweise Erdogan auch den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, Jordaniens König Abdullah II. und die Regierungschefs des Irak (Haidar al-Abadi) und Norwegens (Erna Solberg) zu Gesprächen treffen.

Der Kanzler ist auch zum traditionellen Empfang des US-Präsidenten eingeladen, der zum letzten Mal von Barack Obama und dessen Frau Michelle gegeben wird. Kern fliegt am Mittwoch nach Wien zurück. Kurz bleibt bis Freitag in New York. Er wird vor der Vollversammlung eine Rede halten und dort sowie bei weiteren Terminen im Verlauf der Woche Österreichs OSZE-Vorsitz 2017 bewerben.

Werbung für OSZE-Vorsitz 2017

An der Spitze der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wolle Österreich einen Beitrag „zur Deeskalierung von militärischen Konflikten leisten“, hielt der Außenminister bereits im Vorfeld fest, namentlich in der Ukraine sowie bei „frozen conflicts“ im Ex-Sowjetraum wie Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan sowie Transnistrien in Moldawien. Zudem soll der „Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus“ gestärkt und versucht werden, „das zuletzt erschütterte Vertrauen in Europa wiederherzustellen“.

Auf seiner Agenda stehen auch noch Gespräche mit den UNO-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, und für Libyen, Martin Kobler, sowie den Außenministern Aserbaidschans (Elmar Mammadayrow), Armeniens (Edward Nalbandian), Moldawiens (Andrei Gibur), Kasachstans (Erlan Idrissow), Libyens (Mohammed Siala), Pakistans (Sartaj Aziz), Tadschikistans (Aslow Muhrichdinowitsch), Turkmenistans (Raschid Meredow) und Usbekistans (Abdulasis Komilow).

Dazu kommen am Montagabend ein von Kurz einberufenes Treffen mit Ministern der Westbalkan-Staaten in der österreichischen Vertretung und am Donnerstag ein transatlantisches Dinner mit US-Außenminister John Kerry als Gastgeber für seine EU-Amtskollegen.

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