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„Das letzte Mittel“

Die SPÖ ist für die Verschiebung aufgrund der aufgetretenen Pannen bei zahlreichen Wahlkarten für die Präsidentschaftsstichwahl offen. „Eine Verschiebung ist natürlich das letzte Mittel, gar keine Frage. Aber wenn das notwendig ist, muss man auch darüber diskutieren und das prüfen“, sagte Bundeskanzler Christian Kern am Freitag im Ö1-Mittagsjournal.

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SPÖ-Klubchef Andreas Schieder befürchtet, dass eine verfassungskonforme Durchführung derzeit „schwer möglich ist“. Kern sagte, „dass jeder Österreicher die Möglichkeit haben muss, sein Wahlrecht auszuüben“, und dass die Variante „Augen zu und durch“ nicht zur Verfügung stehe. Sollte ein Austausch der defekten Wahlkarten realistisch nicht funktionieren, dann müsse man über eine Gesetzesänderung und Verschiebung diskutieren - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Offene Wahlkarte

APA/Georg Hochmuth

Eine der zahlreichen beschädigten Wahlkarten

Sobotka lässt prüfen

Unterdessen lässt Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) eine Verschiebung des Termins prüfen. „Wenn eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl aufgrund eines augenscheinlichen Produktionsfehlers nicht möglich ist, dann ist es meine Aufgabe als oberster Leiter der Wahlbehörde, eine Verschiebung umgehend zu prüfen“, sagte er Freitagfrüh laut einer Aussendung. Für technische Unzulänglichkeiten könne er sich bei der Bevölkerung nur entschuldigen.

„Die Rechtslage wird genau geprüft, und Anfang nächster Woche wird der Innenminister Details bekanntgeben“, so seine Sprecherin. Das Thema ist heikel: Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen waren bei der ersten Stichwahl ausschlaggebend für den Verfassungsgerichtshof (VfGH), eine Wiederholung anzuordnen.

Verschiebung in Gesetz nicht vorgesehen

Details sollen nach Auskunft von Sobotkas Sprecherin kommende Woche bekanntgegeben werden. Am Donnerstag hatte es im Ministerium noch geheißen, es gebe keine rechtliche Handhabe für die Verschiebung. Nun soll offenbar eine Änderung der Verordnung, mit der der Wahltermin festgelegt wurde, durch Regierung und Hauptausschuss geprüft werden.

Im Bundespräsidentenwahlgesetz ist die Verschiebung der Stichwahl nicht vorgesehen. Explizit geregelt ist lediglich die Verschiebung des ersten Wahlganges - und auch das nur für den Fall, dass ein Kandidat vor dem Wahltermin stirbt. In diesem Fall kann die Wahl um sechs bis zehn Wochen verschoben werden.

„Klebefehler“ Fall für Bundeskriminalamt

Das Innenministerium gab eine Prüfung der Wahlkarten durch das Bundeskriminalamt (BK) in Auftrag. Außerdem wurde ein externes Institut mit der Suche nach den Ursachen des „Klebefehlers“ beauftragt, sagte ein Ministeriumssprecher der APA am Freitag.

Experten für Verschiebung

Verfassungsjuristen wie etwa Heinz Mayer fordern eine Verschiebung der Stichwahl.

Man wolle sich nicht ausschließlich auf die Auskunft der verantwortlichen Druckerei verlassen, begründete ein Ministeriumssprecher die beim BK in Auftrag gegebene „forensische Sicherung“ der Wahlkarten. Auf Nachfrage wurde aber betont, dass es keine strafrechtlichen Ermittlungen in diesem Zusammenhang gebe. Die Ergebnisse sollen veröffentlicht werden, sobald sie vorliegen.

Van-der-Bellen-Verein sagt Veranstaltung ab

„Der Verein ‚Gemeinsam für Van der Bellen‘ verschiebt den Wahlkampfauftakt am Freitag, bis das Ergebnis der vom Innenministerium angekündigten Klärung des aktuellen Wahlkartendebakels vorliegt und die weitere Vorgangsweise feststeht“, so Lothar Lockl, Obmann des Vereins „Gemeinsam für Van der Bellen“, in einer Aussendung.

Lockl forderte zudem umgehend einen offiziellen Termin mit dem Innenministerium. Dabei sollen die Wahlkampfleiter vollständig über den aktuellen Stand des Wahlkartendebakels informiert werden, hieß es in der Aussendung weiter. „Vor allem erwarten wir die laufende, transparente Information der Wählerinnen und Wähler, die zu Recht sehr, sehr verärgert sind“, so Lockl. Hofer indes wird mit einer Veranstaltung am Samstag in Wels den Termin für seinen erneuten Wahlkampfauftakt beibehalten.

Kickl kritisiert Sobotka

Kritik am Vorgehen des Innenministeriums kam indessen von FPÖ-Wahlkampfleiter Herbert Kickl. „Es scheint, als hätte das Innenministerium in Zusammenhang mit dem Wahlkartenchaos weder einen Plan B, geschweige denn einen Plan C, der eine termingerechte Durchführung der Wahl am 2. Oktober sicherstellt“, so Kickl: „Das Krisenmanagement scheint chaotisch.“

Kickl forderte das Innenministerium auf, „alle Hebel in Bewegung zu setzen“, um eine fristgerechte Durchführung der Wahl am 2. Oktober zu ermöglichen. „Ein leichtfertiges Spiel mit weiteren Verschiebungen aufgrund von technischen Schwierigkeiten, die man bei gutem Willen lösen könnte, ist den Wählern gegenüber unverantwortlich“, so Kickl.

Verfassungsjurist Öhlinger zu Wahlverschiebung

Verfassungsjurist Theo Öhlinger erörtert seine rechtliche Sicht zu der Wahlkartenpanne und dazu, was er von der Forderung der FPÖ, auf die Briefwahl zu verzichten, hält.

Hofer: Auf Briefwahl verzichten

FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer stellte sich nach den jüngsten Vorkommnissen gegen die Briefwahl. Jeder Österreicher habe ein Recht darauf, dass seine Stimme bei der Wahl gezählt werde, so Hofer in einer Aussendung. Sollte das aufgrund der bekannten Pannen bei den Briefwahlkuverts nicht gewährleistet sein, so müsse man überlegen, diesmal einvernehmlich auf die Briefwahl zu verzichten, so Hofer. Dazu sei ein Schulterschluss aller Parteien notwendig, zu dem die FPÖ bereit wäre, so Hofer weiter.

Wahlkarten im ersten Durchgang

Insgesamt wurden bei der ersten Stichwahl im Mai fast 760.000 Briefwahlstimmen abgegeben. Davon entfielen laut Endergebnis 282.902 auf Norbert Hofer und 457.437 auf Alexander Van der Bellen. Van der Bellen lag nach Auszählung der Urnenwahl hinter Hofer, erst mit den Briefwählern musste sich der FPÖ-Kandidat mit Platz zwei begnügen.

„Korrekte Wahlen sind der Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie. Es sollte daher im Interesse aller wahlwerbenden Gruppen sein, dass die Stimmabgabe einwandfrei durchgeführt werden kann“, so Hofer. Sollte das Innenministerium nicht in der Lage sein, Wahlkarten auszugeben, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, so müsse man sich die Alternative einer Wahl ohne Briefwahl überlegen, so Hofer.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache verlangte am Freitag via Facebook wie sein Präsidentschaftskandidat die Abschaffung der Briefwahl. „Im Inland gehört die Briefwahl abgeschafft! Nur jene Österreicher, welche im Ausland leben oder sich dort aufhalten, sollten mittels Briefwahl wählen können“, forderte er. Auch er zeigte sich verärgert: „Leben wir wirklich in einer Bananenrepublik? Hat dieses System Methode? Wann gibt es Konsequenzen für die Verantwortlichen?“

Grüne für Verschiebung

Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig plädierte angesichts der fehlerhaften Briefwahlkuverts für eine Verschiebung. Es brauche für die Verschiebung lediglich eine neue Verordnung von Regierung und Hauptausschuss und keine Gesetzesänderung, sagte sie gegenüber der APA. Notwendig sei ein neuer Termin allemal: Wenn sich herausstelle, dass das Problem nicht vereinzelt auftrete, sondern für Briefwähler flächendeckend eine ordentliche Stimmabgabe nicht möglich sei, sei eine weitere Anfechtung und Wahlwiederholung programmiert.

„Ich bin verärgert“: Glawischnig zeigte sich über das Agieren des Innenministeriums bei der Vorbereitung der Wahl „fassungslos“. Über die politische Verantwortlichkeit werde man zu gegebener Zeit zu reden haben. Klar sei: „Das muss Konsequenzen haben.“ Die Abschaffung der Briefwahl wäre aus ihrer Sicht „Nonsense“.

NEOS: Hochnotpeinlich

Für NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak ist die Verschiebung der Präsidentenwahl die einzig logische Konsequenz aus dem „Debakel“ mit den Wahlkarten. „Eine Verschiebung der Wahl ist natürlich hochnotpeinlich - eine Wahl, bei der die Wählerinnen und Wähler ihr Stimmrecht nicht ausüben können, das ist jedoch undemokratisch“, so Scherak.

Scherak betonte aber, dass die Verschiebung eine gesetzliche Grundlage brauche. Außerdem müsse gewährleistet sein, dass die Wahl nur einmal aus triftigen Gründen verschoben werden kann. Zudem fordert er eine externe Kontrollfunktion, um Missbrauch zu verhindern. Klar gegen eine Verschiebung des Wahltermins sprach sich Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar aus: „Der Innenminister muss für einen korrekten Ablauf zum geplanten Termin sorgen. Da müssen alle Anstrengungen unternommen werden, es sind ja noch über drei Wochen Zeit.“

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