Offizielle Bestätigung lange hinausgezögert
Das Rätselraten hat ein Ende: Der autoritäre Präsident der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Usbekistan, Islam Karimow, ist nach einem Schlaganfall gestorben. Das bestätigte die usbekische Regierung Freitagabend. Karimow werde am 3. September in der Stadt Samarkand begraben, meldete am Freitagabend das usbekische Staatsfernsehen aus der Hauptstadt Taschkent.
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Tagelang gab es zuvor immer wieder Gerüchte über das Ableben Karimows. Am Freitag verdichteten sich die Anzeichen, als mehrere ausländische Politiker, darunter der türkische Premierminister Binali Yildirim, ihre Beileidsbekundungen sowie Teilnahmebestätigungen für das Begräbnis veröffentlichten.

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Präsident Karimow mit seiner Frau Tatjana Akbarowna Karimowa
Beileidsbekundungen aus dem Ausland
So plane etwa der afghanische Präsident Aschraf Ghani bereits seine Reise. Und auch Georgiens Präsident Giorgi Margwelaschwili scheint die Einladung bereits erhalten zu haben - er sprach auf seiner offiziellen Website sein Bedauern aus: „Wir bringen unser tiefstes Beileid zum Ausdruck. Islam Karimow hat sein Land in der schwierigsten Phase seiner Geschichte geführt.“ Karimow habe das Land zu Wohlstand geführt, so Margwelaschwili. „Unsere Gedanken sind bei der Familie und dem Volk des Landes.“
Dieses wusste zum Zeitpunkt der Nachricht offiziell noch nichts vom Verlust seines Staatsoberhauptes. Die usbekischen Staatsmedien wollten die Berichte über den Tod des Diktators bis zuletzt nicht bestätigen, allerdings räumten sie doch eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustands Karimows ein.
Aushebungsarbeiten für Grab bereits begonnen
Die auf Zentralasien spezialisierte Nachrichtenagentur Feragananews veröffentlichte am Donnerstag aufgenommene Fotos, die Grabungsarbeiten für die letzte Ruhestätte des Despoten zeigen sollen. Karimow werde in der Totenstadt Schahisinda bei Smarkand beigesetzt werden, in unmittelbarer Nähe seiner beiden Brüder und seiner Mutter, so Feragananews. Auch in der Innenstadt seien die Vorbereitungen für größere Feierlichkeiten angelaufen, die Straßen würden gereinigt, Teile des Zentrums seien für den Verkehr gesperrt worden.
Folgt Karimows Tochter als Präsidentin?
Unklar ist, wer dem autoritär herrschenden Präsidenten nun nachfolgen soll. Viele Jahre lang galt seine Tochter Gulnara Karimowa in dieser Frage als Favoritin. Die 44-Jährige wurde als Jetsetterin, Designerin und Popsängerin - sie sang mit Julio Iglesias und Gerard Depardieu - bekannt, war aber auch Botschafterin in Spanien, bei den Vereinten Nationen in Genf und eine offenbar relativ ruchlos agierende Unternehmerin. Laut den Enthüllungen von WikiLeaks schaffte sie es, von „wirklich jedem lukrativen Geschäft“ im Land ein Stückchen mitzuschneiden.

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Die einst umtriebige Gulnara Karimowa
Doch sie fiel in Ungnade: 2014 schrieb die 44-Jährige einen Brief an die BBC. Sie werde von Sicherheitskräften in ihrem eigenen Haus festgehalten und sei geschlagen worden. Offenbar sitzt Gulnara seit Februar 2014 in Hausarrest. Dem waren heftige öffentliche Beschimpfungen zwischen Karimowa und ihrer jüngeren Schwester Lola Karimowa-Tilljajewa vorausgegangen. Ein weiterer Grund für den Bruch dürften auch ihre Geschäfte gewesen sein.
Auch, dass Karimow eine Hirnblutung erlitten hatte, teilte Karimowa-Tilljajewa via Instagram mit. Die Regierung in der Hauptstadt Taschkent verlautbarte zuvor lediglich, dass Karimow im Krankenhaus sei und die Untersuchung und Behandlung des Staatschefs nach Meinung von Spezialisten längere Zeit in Anspruch nehmen werde. Das meldete die russische Agentur Interfax.
Menschenrechtslage desaströs
Wer immer die Herrschaft in Usbekistan übernimmt, gelangt an die Spitze einer menschenrechtsverachtenden Diktatur. Die NGO Human Rights Watch (HRW) bezeichnete den Zustand im Land als desaströs. Tausende Menschen seien inhaftiert, Folter stehe im Justizsystem an der Tagesordnung. 2002 berichtete HRW, dass zwei Dissidenten bei lebendigem Leib in kochendes Wasser gesteckt und getötet worden seien. Religionsausübung außerhalb staatlicher Kontrolle werde strikt verfolgt, Medien und Opposition vom Staat kontrolliert.
Zudem zwingt die Regierung mehr als zwei Millionen Menschen - darunter auch Kinder - dazu, unter desaströsen Bedingungen auf Baumwollfeldern zu arbeiten. 2015 zwang die Regierung Hunderte zwangsverpflichtete Bauern, bereits geerntete Baumwollbüschel wieder an die Pflanzen zu kleben - wegen eines Besuchs des Ministerpräsidenten.
Blutig niedergeschlagener Protest nicht vergessen
Im Mai 2005 kam es ausgehend von der Stadt Andischan zu schweren Protesten gegen das autoritäre System, die am 13. Mai ihren Höhepunkt erreichten. Das Militär eröffnete das Feuer auf Demonstranten und tötete dabei vermutlich zwischen 400 und 600 Personen. Bis heute ist unbekannt, was mit den sterblichen Überresten der Opfer geschah.
Die USA und die EU halten trotz der Situation die Verbindungen zu dem Land aufrecht. Erst im November des vergangenen Jahres traf US-Außenminister John Kerry, im März dieses Jahres der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Karimow. Steinmeier forderte das autoritäre Regime zur Einhaltung der Menschenrechte auf. Zentralasien gilt als strategisch wichtige Region, unter anderem im Kampf gegen den Islamismus.
Vom Apparatschik zum autoritären Herrscher
Karimow regierte das Land mehr als 30 Jahre lang. Er arbeitete sich als klassischer kommunistischer Apparatschik an die Parteispitze. Über den Planungsstab der Kommunisten und das Finanzministerium erklomm der gelernte Ingenieur im Jahr 1989 den Posten des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei in Usbekistan. Nach der Loslösung des Landes von der Sowjetunion im Jahr 1991 wurde er mit 86 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt.
Karimow ließ sich insgesamt fünfmal wiederwählen, zuletzt im Jahr 2015 mit mehr als 90 Prozent der Stimmen. Mehrmals verlängerte er entgegen der usbekischen Verfassung seine Amtszeit. Die Wahlen fanden quasi ohne Opposition statt - mögliche Konkurrenten hatten das Land bereits verlassen oder waren in Gefängnissen verschwunden.
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