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Autoritäres Modernisierungsmodell

Am 31. August 1991 hat die Usbekische Sowjetrepublik ihre Unabhängigkeit, die traditionell mit einem Nationalfeiertag am 1. September gefeiert wird, verkündet. Bereits zuvor war jedoch Islam Karimow an die Macht gekommen, dessen äußerst autoritäres Regime den jungen 30-Millionen-Einwohner-Staat maßgeblich geprägt hat.

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Eine ganze Generation an Usbeken kennt nur einen Staatschef: Im Juni 1989 war der 1938 geborene Apparatschik Islam Karimow zum Parteichef der usbekischen KP aufgerückt, im März 1990 avancierte er zum Präsidenten der usbekischen Sowjetrepublik. Nach dem Putschversuch vom August 1991 und der staatlichen Unabhängigkeit von der Sowjetunion amtiert er seit September 1991 ununterbrochen als erster und bisher einziger Präsident Usbekistans. Viermal ließ er sich in Wahlen im Amt bestätigen.

Rigoroser Geheimdiensteinsatz

Seit der usbekischen Unabhängigkeit vor exakt 25 Jahren hat Karimow ein äußerst autoritäres Regime geschaffen, das zumindest vor seiner Hirnblutung am Wochenende oberflächlich stabil wirkte. Das gilt insbesondere für den öffentlichen Raum, der von der Polizei und dem als nahezu allmächtig geltenden Geheimdienst SNB äußerst streng kontrolliert wird.

Der staatliche Sicherheitsapparat, der handwerklich an sowjetische KGB-Vorbilder aus den 1970er Jahren erinnert und dem wiederholt Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden, überwacht mit Passkontrollen an Bahnhöfen, häufigen Checkpoints entlang überregionaler Straßen und einem strengen Meldesystem seine Bürger und auch Touristen.

Bei der Ein- und Ausreise gehören Leibesvisitationen zum Alltag, usbekische Staatsbürger, die in Staaten reisen möchten, für die Visapflicht mit Usbekistan besteht, benötigen zusätzlich die Bewilligung usbekischer Behörden. Unautorisierte Besuche von Ländern mit Visapflicht werden strafrechtlich verfolgt.

Kaum Spuren politischer Opposition

Im aktuellen Usbekistan finden sich praktisch keine Spuren einer politischen Opposition. Zahlreiche Regimegegner leben im Exil, radikal islamistische Gruppierungen, die weiterhin existieren dürften, sind im Untergrund verschwunden. Die traditionsreichen islamischen Pilgerstätten und Bildungsinstitutionen stehen unter strenger staatlicher Kontrolle.

Selbst im persönlichen Gespräch wird politische Kritik nur hinter vorgehaltener Hand artikuliert. Es gibt zudem keine unabhängigen Medien, und Internetseiten von ausländischen Medien, die kritisch über das Regime berichtet haben, werden vom Staat blockiert. Regierungsmedien zeichnen sich dadurch aus, dass sie vieles verschweigen. Nachrichten verbreiten sich deshalb vielfach nur von Mund zu Mund, eine der Konsequenzen ist eine stets brodelnde Gerüchteküche.

Stabilität auf niedrigem Niveau

Wirtschaftlich vermittelte die zentralasiatische Republik zuletzt den Eindruck von Stabilität auf niedrigem Niveau, Armut ist jedoch weit verbreitetet. Probleme hat Usbekistan mit seiner Landeswährung: Auf dem Basar bekommt man für einen Dollar nahezu doppelt so viele Sum wie in staatlich reglementierten Banken. Der Staat scheint die illegalen Geldwechsler derzeit weitgehend zu tolerieren, denn der Sicherheitsapparat schreitet nur sporadisch ein.

Devisen fließen nach Usbekistan vor allem durch den Export von Baumwolle, Lebensmitteln und Rohstoffen wie Erdgas, Erdöl, Gold und Uran. Eine wichtige, wenn auch abnehmende Rolle spielen usbekische Gastarbeiter in Russland, die Milliarden-Dollar-Beiträge in ihre Heimat transferierten. Auffällig ist auch, dass die Wirtschaftspolitik versucht, die Importe zu reduzieren, und stark auf eigene Produktion setzt - nicht nur im Lebensmittelbereich: Pkws und Kleinstbusse, die in einem Gemeinschaftsunternehmen mit General Motors an Ort und Stelle produziert werden, prägen das Straßenbild, europäische Importfahrzeuge sind vergleichsweise selten. Freilich, in ländlichen Regionen kommen weiterhin Esel und Kamele zum Einsatz.

Zunehmendes Interesse am Tourismus

Zunehmendes Interesse zeigte der Staat zuletzt am Tourismus entlang der Seidenstraße - sowohl die Metropole Taschkent, als auch Städte wie Buchara, Chiwa und Samarkand verfügen mit ihrer islamischen Architektur des Mittelalters über großes touristisches Potenzial. Trotz der verbreiteten Armut erweisen sich diese Regionen als sicher, Straßenkriminalität ist selten und die Bevölkerung tritt Touristen sehr gastfreundlich entgegen. Insbesondere betrifft dies Schulkinder, die jede Gelegenheit suchen, ihre Englischkenntnisse zu erproben, und Touristen immer und überall mit freundlichen „Hello!“-Rufen begrüßen.

Diese im postsowjetischen Vergleich exzellenten Fremdsprachenkenntnisse kommen nicht von ungefähr: Sie sind Teil jenes äußerst autoritären Modernisierungsmodells, das Karimow seinem Staat verordnet hat. Abgesehen von Bildung und Infrastrukturprojekten setzt der Langzeitpräsident insbesondere auf Bauwerke: Neben Prachtbauten und Parkanlagen, die etwa im Taschkenter Regierungsviertel in eklektischem Stil mit nationalen Elementen errichtet wurden, stampfte das Regime zuletzt landesweit und in großer Zahl typengleiche Wohnbauten aus dem Boden.

Ein Denkmal für Karimow

Der Präsident hat aber auch ein großes historisches Vorbild: Er ließ im ganzen Land zahllose Statuen des legendären mittelalterlichen Heerführers Timur (1336 bis 1405) errichten, der vom heutigen Usbekistan aus ein Riesenreich erobert hatte. Er initiierte zuletzt aber auch die Restauration nahezu aller Stätten mit Bezug zu Timur und dessen Timuriden-Dynastie.

Mit dem 1996 eröffneten Timur-Museum in Taschkent hat Karimow vor allem sich selbst und seiner politischen Philosophie ein Denkmal gesetzt. „Wenn jemand die Kraft, Macht, Gerechtigkeit und grenzenlosen Fähigkeiten des usbekischen Volkes, ihren Glauben an die Zukunft verstehen will, soll er sich das Bild von Timur vor Augen führen“, zitierte den Präsidenten eine Aufschrift im Museum.

Herwig Höller, APA

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